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Ausgabe:

1927 Nr. 18

Spalte:

415-417

Autor/Hrsg.:

Verfaillie, Camille

Titel/Untertitel:

La doctrine de la justification dans Origène d’après son commentaire de l’Epître aux Romains. Thèse pour le doctorat en theologie 1927

Rezensent:

Koetschau, Paul

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 18.

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die Bezeichnung der Denktechnik des Heraklit als
.mystisch'. Hier fällt auf, wie nahe Heraklit, der das
Wort nvevpia meidet, doch der Vorstellung vom jcveiua
kommt. Die stoische Logoslehre wird kürzer, unter
den Stichworten X. 07tEQLiariY.6g (unter Literatur hierzu
figuriert an erster Stelle Spieß ^ Logos Spermat.
1871!) hdiü&ETog und icooepooiv.ög und bod-bg X.
dargestellt. Voran ging noch Parmenides, es schließt
Plotin.

Als „griechische" Logos-theologie wird uns vor
allem die auch für den jüdischen Hellenismus wie für
die neutest. Logoslehre wichtige Deutung des Hermes
als Logos vorgeführt. Daneben erscheinen Pan, Helios
und Thot als Repräsentanten des Logos. Ganz
irrig führt L. hier die Lehre, daß Pan- Logos oben
bei den Göttern und unten in den Menschen weilt
(Piaton Kratgl. 408 E) als Parallele zu Joh. 1,14 an
(*V r]uiv heißt da nicht: in uns). Über Hermes Thot
in der hermetischen Mystik hätte viel mehr gesagt
werden können. '

Unter jüdischer Theologie werden zunächst die
jüdischen Vorstufen (in den Weisheitsschriften) und
darnach die Lehren Philo's behandelt. Ich vermisse
unter den Vorstufen die orientalisch-jüdische Lehre vom
schöpferischen Worte Gottes, die eine ganz eigene, dem
griechischen Denken fremde Anschauung vom Worte
in die nachstehende Entwicklung hinein wirft. Überaus
reichhaltig und lehrreich ist dagegen die Darlegung
der Philonischen Logoslehre. Es hätte noch stärker
betont werden können, daß doch auch Philo bestimmte,
konkrete, historische Darstellungen des Logos kennt
— nur die Formulierung Joh. 1,14 ist unphilonisch.

Der letzte Abschnitt, Christliche Theologie, beschränkt
sich auf Bemerkungen und Ausführungen
über Paulus, Hebr, Joh und die apokryphen Fassungen
der Geburtslegende. Daß dem Sinne nach der L.-Ge-
danke mit seinen wesentlichen Zügen schon bei Paulus
vorhanden war, ist richtig, aber die für Paulus
in Betracht kommende Figur ist mehr die göttliche
Weisheit als der Logos (s. mein Artikel in den neutest.
Stud. f. Heinrici 1914), auch hat die „Geschichte"
Christi bei Paulus nichts mit dem Kreislauf des griechischen
Logos zu tun. Falsch ist die Behauptung:
wie der L. der Stoiker und die Zoepia der Sap. sei der
paulinische Christus „ein 7tvev/.ta" — IL Cor 3,17
steht etwas ganz anderes (vgl. meinen Komm. z. St.).
Auch die an sich anregenden Bemerkungen über den
Logosgedanken in Hebr 7, 1 ff. 7,16 (L. schreibt 7,18)
müssen mit Kritik gelesen werden (als Exeget des N. T. s
ist L. leider nicht immer präzis genug). Über die Eigenart
der johanneiischen Logosidee hätte L. mehr sagen
und sich nicht mit einem Zitat aus Bousset (K. Chr.
195) begnügen sollen. Auch über die Entfaltung der
Logosidee bei den Kirchenvätern hätten wir in diesem
Artikel gern noch mehr gehört; L. verweist dafür auf
Aall Gesch. der Logosidee in der christl. Lit.

Trotz dieser Ausstellungen bleibt der Artikel eine
wertvolle Fundgrube für Exegeten wie für Dogmenhistoriker
.

Leiden. H. Windisch.

Verfaillle, Camille: La doctrine de la justiflcation dans
Origene d'apres son commentaire de l'Epitre aux Romains. These
pour le doctorat en theologie. Presentee et soutenue. Strasbourg:
Librairie Union 1926. (124 S.) 8°. = Universite de Strasbourg,
Faculte de Theologie Catholique.

Der Verf. ist durch den Artikel „Justification" von
J. Riviere im Dictionnaire de theol. cathol. zu dieser
Arbeit veranlaßt worden und spricht für Förderung
derselben seinem Lehrer Prof. Riviere Dank aus (p.
20). Das Thema wird in 6 Kapiteln nach folgender
Gliederung behandelt: 1. Etat de l'humanite (Fait de
la decheance originelle und seine Folgen), 2. Les eco-
nomies du salut (Gesetz und Erlösung), 3. Agents imme-
diats de la justification (Gnade Gottes und menschliche

Mitwirkung), 4. Part de l'homme dans la justification
(Necessite de la foi et des ceuvres, Nature de la foi

| justifiante, Nature des ceuvres justifiantes), 5. La gräce

| et l'activite humaine, 6. Nature de la justification (Remission
des peches, Sanctification, Fruit de la justification
: le merite). Der Verf. hat offenbar den Römerbriefkommentar
fleißig durchgearbeitet, die betreffenden
Belegstellen daraus richtig beigebracht, auch andere

I Schriften des Origenes herangezogen und sein Thema

j gewandt und ansprechend behandelt. Er hat auch, was
anerkannt werden muß, gutes Verständnis für die Lehren
und die Bedeutung des Origenes bewiesen. Nur
hätte er den Unterschied zwischen den Ansichten des
Apostels Paulus und denjenigen des Origenes genauer,
als es p. 39. 47 geschieht, feststellen und die Schwierigkeiten
, die dem griechisch gebildeten Alexandriner ge-

j rade die Auslegung des Römerbriefs bot, in eingehender
Untersuchung schildern sollen. Auch scheint mir eine
Beurteilung der Lehren des Origenes nach dem Maßstab
der erst viel später in Konzilien formulierten Rechtgläubigkeit
nicht richtig zu sein. Mit Recht wird vom
Verf. die Rückwirkung der Präexistenz-Theorie des Ori-

i genes und seiner Lehre vom freien Willen (vgl. Capi-
taine, De Origenis Ethica p. 106 ff.) auf die Lehre von
der Gnade Gottes betont (p. 93. 106). Für Origenes

j gibt es nach IV 1 des Römerbriefkommentars kein
menschliches Werk, „quod ex debito remunerationem
Dei deposcat" (p. 116). Unsere Werke haben also
keinen absoluten Wert für das nur durch Gottes Gnade
verliehene ewige Leben (p. 117).

Man kann die vorliegende Arbeit im allgemeinen als nützliche
Zusammenstellung des in der Exegese des Römerbriefs von Origenes-
I Rufinus dargebotenen Materials nach den oben genannten Gesichts-
| punkten bezeichnen. Dagegen ist ein grundsätzliches Bedenken gegen
I die Fassung des Themas und die Beschränkung der Untersuchung
| auf dieses eine Werk zu erheben. Warum hat denn der Verf. nicht
sämtliche überlieferte Werke des Origenes, darunter vor allem
! die griechischen Originale, zu seiner Darstellung der Lehre von der
i Rechtfertigung herangezogen? Nur für Kap. V2 erwähnt er einige
| Stellen aus andern Schriften des Origenes, sonst aber sehr selten. Und
doch wäre zur Kontrolle des Rufin'schen Textes gerade eine erschöpfende
Vergleichung aller Parallelstellen des Origenes unbedingt
erforderlich gewesen. Die Ausführungen des Verf.s über „Valeur du
commentaire" (p. 9—20) halte ich für unzureichend; die Hauptfrage
: Bietet uns der lateinische Text des Rufin wirklich einen Er-
I satz für den verlorenen griechischen Originaltext? muhte viel ausführlicher
behandelt werden. In seinem Vorwort und Nachwort
j (Lom. VII p. V—VII und 458—61) gibt uns Rufin genaue Auskunft
über sein Verfahren. Danach hat er nicht nur, dem Wunsche seines
Freundes Heraclius entsprechend, die 15 BB. des Origenes auf 10
I verkürzt, sondern auch bearbeitet und die schon damals fehlenden
„aliquanta volumina" des Originalwerks, vielleicht die BB.
11 und 14 nach Notizen im Codex von der Goltz, ergänzt („haec
adimplere atque in Latino opere integram consequentiam dare").
Tatsächlich wird auch bei Rufin jeder Vers des Römerbriefs erwähnt
und — freilich oft recht dürftig — erklärt. Daß Rufin Zu-
! Sätze gemacht hat — mögen diese nun aus den Stromateis des
| Origenes oder anderswoher stammen —, sagt er ausdrücklich in der
, Peroratio (Lom. VII 460: „etiam si addere aliqua videor et explerc
! quae desunt"). Er durfte sich also nicht wundern, wenn seine
| „obtrectatores" verlangten, er solle s e i n e n Namen für den des Origenes
auf den Titel schreiben (Lom. VII 459f.), da er ja eben
keine Übersetzung, sondern nur eine stark verkürzende Bearbeitung
| gegeben hatte. Der Verf. weih, daß Ruf in nicht wörtlich übersetzt
I hat (p. 15), begnügt sich aber damit, daß Rufins Version doch „la
j pensee d'Origene" sei (p. 16. 19). Wenn er (p. 18) sagt, daß Rufin
„rien de neuf" hinzufüge, so widerlegt er sich selbst p. 18 A. 38
mit den Worten: „Jci Rufin intercale un long passage sur la loi
naturelle". Denn daß dieser Abschnitt aus dem griechischen Ori-
j ginal stamme, wird von dem Verf. zwar behauptet, aber nicht bewiesen
. Wenn er sagt (p. 19), daß Rufin ,,la pensee de l'auteur
primitif" ausreichend berücksichtigt habe, und daß seine Übersetzung
uns im ganzen „les doctrines fondamentales d'Origene" biete, so
scheint er mir zu optimistisch zu urteilen. Denn bei der starken
Verkürzung können gerade wichtige Ausführungen des Origenes ge-
| strichen worden sein. Daß Origenes bei Erklärung des Römerbriefs
weniger Gelegenheit als in De prineipiis gehabt haben soll,
sich in „speculations hasardees" zu verlieren (p. 14), ist ein Irrtum.
J Das Gegenteil wird ja gerade von Ruf in in seiner Praefatio (p. 12
I A. 26) ausdrücklich bezeugt; Ruf in hat natürlich bei der Verkürzung
1 des Kommentars zunächst solche „speculations" gestrichen und nur