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Ausgabe:

1927 Nr. 18

Spalte:

413-414

Autor/Hrsg.:

Beyer, H. W.

Titel/Untertitel:

Gundriß der evangelischen Religionskunde auf geschichtlicher Grundlage 1927

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 18.

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gesuchte Ms. hat Prof. Blake gefunden und in muster-
giltiger Weise mit Einleitung und lateinischer Übersetzung
herausgegeben. Leider reicht der georgische
Text dieser Handschrift nur bis zum Ende der dritten
Vision, bis III, 28,7 meiner Zählung. Aber auch diese
Hälfte ist so wertvoll, daß man sie als wirkliche Bereicherung
ansehen muß. Hätte ich meine Hexapla der
Überlieferung jetzt neu zu machen, so würde ich anstelle
der sechsten Kolumne, die in meiner Ausgabe
von 1910 vom armenischen Texte ausgefüllt ist, nun
den georgischen setzen, aber diesen Text vor die beiden
arabischen Übersetzungen rücken. Denn es zeigt sich, daß
der georgische Text unvergleichlich viel besser ist als
der armenische, aber auch besser als Araber Ewald und
Araber Oildemeister. Prof. Blake erweist, daß der georgische
Text (Q) über eine armenische Mittelstufe aus
der griechischen Übersetzung gekommen, daß dieser griechische
Text dem des Äthiopiers ähnlich gewesen sein,
daß aber ein Einfluß auf die georgische Übersetzung
auch von der andern Seite der Textüberlieferung, nämlich
von Lat. Syr. (Ar. Ew. Ar. Gild.) hier angenommen
werden muß. Die armenische Vorlage von G. muß ein
ganz anderer Text gewesen sein als die uns bekannte
armenische Übersetzung.

Wir haben von Robert Blake noch weiteres auf
diesem Gebiete zu erhoffen, da er, wie er mir freundlich
mitgeteilt hat, auch von dem Athos-Codex Photographien
besitzt und im Jerusalemer Codex noch einige Stellen
entziffert hat; auch hat er weitere drei armenische Esra-
Hss. gefunden.

Berlin. Bruno V i o I e 1.

Beyer, Prof. D. Dr. H.W., u. Priv.-Doz. Lic. H. Rücke rt: Grund- i
riß der evangelischen Rellgionskunde auf geschichtlicher
Grundlage. Unter Mitwirkung v. H. Lietzmann, K. Weidel
u. Frau Dr. Ada Weinel. Leipzig: B. G. Teubner 1927. (XI,
292 S.) gr. 8°. — Hilfsbücher f. d. Rel.-Unterrichi an höheren
Schulen, Tl. 5. geb. Rm. 4.20.

Die Verfasser dieses Grundrisses haben den Stoff
derart unter sich geteilt, daß Beyer den Hellenismus,
Jesus und das Urchristentum, die alte und die mittelalterliche
Kirchengeschichte und die Gegenwart, Rückert
das Alte Testament und die Abschnitte von der Reformation
bis zum 19. Jahrh. bearbeitet hat; Frau Weinel
steuerte den Anhang über „Die Frau in der Kirche" bei.
In der Darstellung ist das religiöse und kirchliche Leben
in den Vordergrund gerückt, wobei besondere Sorgfalt
auf die Herausarbeitung der Wirkungen der Religion
auf die Kulturgeschichte, wiederum unter besonderer
Berücksichtigung der Fragen der Weltanschauung, verwendet
wurde. Etwaigen Versuchen, ihr Buch in die
üblichen Parteischemata („positiv", „liberal") einzu- j
zwängen, setzen die Verfasser von vorne herein entschiedene
Ablehnung entgegen. „Es bejaht rückhaltlos
die Methode und die Ergebnisse der modernen Geschichtsforschung
, wo diese als gesichert zu gelten
haben; aber es dürfte auch deutlich genug zum Ausdruck
bringen, daß es sich in der Religion letztlich um Dinge
handelt, die sich dem Forum der Forschung entziehen".

Ich habe niemals Religionsunterricht an einer höheren
Schule erteilt, kann also aus eigner Erfahrung nicht '
darüber urteilen, wie weit das Buch seinem nächsten
und wesentlichen Zweck gerecht wird. Ich möchte aber
annehmen, daß man von mir als Berichterstatter in
einer wissenschaftlichen Zeitschrift ein Urteil darüber
verlangt, ob die Verfasser das Versprechen, das sie in
dem soeben angeführten Satz der Wissenschaft geben,
auch eingelöst haben. Und diese Frage kann ich bedingungslos
bejahen. Ich habe das Buch nicht nur
durchblättert, sondern es immer wieder zur Hand genommen
und mich dabei in die Lage von Lehrer und
Schüler zu versetzen gesucht. Dabei habe ich stets von
neuem den eigentümlichen Reiz verspürt, der in der
bewußt durchgeführten Anleitung zu eigener Urteilsbildung
in Verbindung mit der Mitteilung des Stoffes

besteht. Diese Anleitung ist überall vorsichtig und zurückhaltend
, ohne unbestimmt zu werden. Sie eröffnet
weite Ausblicke und führt in die Tiefe. Freilich setzt
sie ein nicht geringes Urteilsvermögen voraus, und die
Verfasser können selbst den Zweifel nicht unterdrücken,
ob sie dem Verständnis der Schüler nicht zuviel zumuten
. Indessen: lieber zu viel als zu wenig. Ein Lehrer,
dem es an Urteil nicht gebricht, wird aus diesen Bemerkungen
starke Eindrücke zutage fördern können. Was
aber das Stoffliche angeht, so wird es in einer Fülle
geboten, die man dem verhältnismäßig schmalen Bande
nicht ansieht und im Zeitalter der verachteten Historie
nicht zu erwarten wagt. Es ist dabei erquicklich zu
sehen, daß der Hauch des Antiquarischen, der über
vergleichbaren Darstellungen liegt, in diesem Buche verschwunden
ist. So ist es im guten Sinn ein wirklich
modernes Buch. Über den alttestamentlichen Abschnitt
habe ich kein fachmännisches Urteil. Aber es ist mir
sicher, daß „Methode und Ergebnisse der Geschichtsforschung
" dem Leser gerade in dieser zusammenfassenden
Gestaltung besonders eindrucksvoll entgegentreten
. Im neutestamentliehen Abschnitt erfreut die Unbefangenheit
nicht nur gegenüber den literarkritischen
Fragen, sondern auch gegenüber der Legende, die als
solche gelegentlich (§ 43 b) ausdrücklich gekennzeichnet
wird, während andrerseits gerade hier die innere Verbundenheit
des Verfassers mit den Glaubensfragen
deutlich erkennbar ist. An der Behandlung der Kirchengeschichte
habe ich vollends nichts auszusetzen gefunden
, vielmehr gerade hier die Sicherheit bewundert, mit
der die jugendlichen Verfasser aus der erdrückenden
Fülle der Einzelheiten das Wesentliche herauszuarbeiten
verstanden haben. Der Abschnitt über die Gegenwart
ist mit Recht ausführlich gehalten; dennoch könnte das
eine oder andere (z. B. die Bemerkung über den Weltkrieg
§ 204) kürzer gehalten sein. Daß Frau Weinel
Reifes bieten würde, ist für Jeden, der ihr Wirken verfolgt
hat, selbstverständlich; aber was sie auf dem
knappen Raum von noch nicht anderthalb Bogen zusammengestellt
hat, übertrifft doch selbst hochgespannte
Erwartungen.

Hie und da, nicht gerade häufig, sind in den Text Urteile angesehener
Gelehrter (Harnack, Holl, [besonders auffällig § 128 b.
d.i.] Seeberg u. a.) in Anführungszeichen eingestreut. Mich stört
das. Der Fluß der Darstellung wird durch solche stilistischen
Fremdkörper immer beeinflußt, und die Verfasser haben m. E. sachliche
Anleihen nicht nötig. Die Zusammenstellung von Karl Müller
und Ignatius von Antiochien ($ 02 c) wirkt sogar peinlich. Den Saiz
(§ 47 b): „Wenn man annimmt, daß die Petrusbriefe und der Jakobusbrief
(vgl. § 57 b) von diesen Männern selbst geschrieben worden
sind, werden sie zur Verdeutlichung ihrer (?) Persönlichkeit und ihrer
Zeit dienen können", sähe ich gern gestrichen. Denn einmal enthält
er eine Binsenwahrheit, sodann aber wird er durch die Einreihung
der Briefe unter die nachapostolischen Schriften, auf die sogar ausdrücklich
verwiesen wird, hinfällig. Es klingt fast, als sollte hier
der unkritischen Betrachtung eine Hintertür geöffnet werden. Auf
kleine Versehen habe ich nicht gefahndet. Sie sind jedenfalls selten:
TroeMsch (§ 199 b) starb 1923, nicht 1924; § 249 b letzter Absatz
1. Marillac st. Merillac; § 254, Abs. 5 Petzold st. Petzoldt.

Gießen. G. Krüger.

Leise gang, H.: Logos. (Aus Pauly-Wissowa's Realenzyklopädie

des klassischen Alteriums. Bd. 13, 1926.) Stuttgart: J. B. Metzler
(Sp. 1035—1081.) gr. 8".

Schon des für die Theologie wichtigen Gegenstandes
wegen verdient dieser Artikel eine besondere
Anzeige in der ThLZ, noch mehr weil er gut gegliedert
ist und eine vortreffliche Materialsammlung und belangreiche
Interpretationen enthält, wie von Leisegang
nicht anders zu erwarten ist. Es wird behandelt: Logos
in der Grammatik (I), in der Logik (II) (Plato, Aristoteles
, Stoa und Epikur), in der Rhetorik (III), in
der Psychologie, Metaphysik und Ethik (IV) und in
der Theologie, der griechischen wie der christlichen
(V). Unter IV gibt L. u. a. eine verhältnismäßig ausführliche
Interpretation der Heraklit'ischen Logossprüche
, wobei er auch Eigenes bietet, insbesondere