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Ausgabe:

1927 Nr. 17

Spalte:

406

Autor/Hrsg.:

Helbig, Georg

Titel/Untertitel:

... auf daß Gott sei Alles in Allem! 1927

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Seite 1

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405

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 17.

406

zu wünschen übrig. Wo der Verfasser „psychisch" meint, sagt
er „psychologisch"." Geist und Verstand, Logos und Verstand werden
einander gleichgesetzt (72, 312). Der Begriff der Synthese wird
unterschiedlos angewandt, einerlei, ob Synthesis a priori oder a
posteriori gemeint ist (111, 127). Erkennen heißt nach Schmidt,
„die Besonderheit im Allgemeinen tilgen". (!) (312). Was soll man
unter dem Unterschied zwischen Begreifen und Betasten verstehen
(269)? Ist der Begriff der partikularen Parusie nicht wie ein
hölzernes Schüreisen (329)? Auch die Begriffsbildung zeigt wie die
Gedankenführung, daß der Verfasser eine lebendige Berührung mit
den Problemen des kritischen Idealismus nicht gehabt hat. Der
Exkurs über das Intentionale weist (71 ff.) den Realismus als
philosophische Grundhaltung auf.

In der Auseinandersetzung mit Althaus hebt Schmidt hervor,
daß nur bei einer Synthese von Dialektik und Geschichte, wie
Althaus sie versucht, das Recht der Dialektik in der christlichen
Theologie diskutabel sein kann (155). Daß Althaus den Versuch
einer solchen Synthese gemacht hat, darin besteht sein großes Verdienst
(155). Auch wenn der Versuch mißlungen ist. Das Neue der
Althaus'schen Position besteht darin, daß für ihn „zwar alle geschichtlichen
Werte und Verhältnisse als geschichtliche zum Tode bestimmt
sind, und unter der Krisis der Ewigkeit stehen," daß auf
der anderen Seite aber über der Geschichte nicht nur ein „Nein"
sondern auch ein „Ja" ruht. „Zeit und Ewigkeit stehen nicht nur
ui einem dialektischen, sondern in einem positiven Verhältnis" bei
Althaus (112). In diesem „sowohl als auch" sieht Schmidt den
Kompromiß. Er sucht denselben in der ausführlichen Auseinandersetzung
mit dem Offenbarungsbegriff, der Eschatotogie, dem Begriff
des Glaubens und des Wortes bei Althaus aufzuweisen. Schmidt
sieht mit richtigem Blick, daß die Entscheidung über das, was er
Kompromiß nennt, vor allem in der Fassung des Offenbarungsbegriffes
und der Lehre vom Wunder fallen muß.

Als Vorarbeit für die Grundlegung eines neuen
Verständnisses der Verhältnisbestimmung von Offenbarung
und Geschichte ringt Schmidt um eine neue Fassung
der Beziehung von Zeit und Ewigkeit (157—309).
Unter starker Berührung mit Rickert und Volckelt stellt
er in den Hauptteilen seines Buches eine ausführliche
kritische Untersuchung über den Begriff der Zeit an,
unterscheidet zwischen Zeit überhaupt und den möglichen
Zeitformen, sucht die Zeit als solche als „Vorformales
Etwas" zu fassen, das sich durch seine Machtfülle
und Inhaltlichkeit von den Formen unterscheidet,
die es setzt. Die vorformale Zeit ist nunc aeternum, ihre
besondere Form, in der wir leben, Wechsel und Beharrung
. So steht neben dem unendlichen Fließen der
Zeit, das wir als Gericht und als Gnade erfahren, als
Grund seiner Möglichkeit die Vollzeitlichkeit. Jeder Moment
der geschichtlichen Wirklichkeit trägt neben der
Halbzeitldchkeit die Möglichkeit, erfüllt zu werden mit
Vollzeitlicheit. Was Schmidt hier erarbeitet, liegt in
ähnlicher Linie wie die Unterscheidung chronos und
kairos. Leider hat er sich mit dem Kairosbegriff von
Tillich nicht auseinandergesetzt. Vielleicht würde ihm
dann der Blick dafür geweitet worden sein, daß hinter
einer anderen Terminologie dieselbe Sache steht. Noch
treffender könnte man das, was Schmidt meint, in den
Unterschied von Endlichkeit und Vollendlichkeit fassen.

Wenn Schmidt in der Herausarbeitung seines Zeitbegriffes
auch die Debatte wirklich weiter führt, (besonders wertvoll der
Abschnitt über „die Zeit als Ausdruck der Sünde" und das Positive,
was er im Gegensatz dazu über Zeit als Ausdruck der Gnade sagt)
»st es ihm auf der anderen Seite damit doch nicht gelungen eine
durchschlagende Kritik an der Position von Althaus zu üben, auch
»n den grundsätzlichen Ausführungen des Hauptteiles über „die
Theologie der Geschichte" nicht (310—391). Der Haupteinwand
verfehlt das Ziel. Die Ewigkeit als Aufhebung der Zeit kann bei
Althaus nicht dasselbe bedeuten wie der abstrakte Gegensatz von
Zeit und Zeitlosigkeit bei Barth. (Vergl. die Wertung der axiolo-
gischen Wurzel der Eschatologie bei Althaus.) Der Begriff der
Aufhebung enthält bei Althaus nicht nur das „tollere" sondern auch
das „conservare" und „erigere". Man kann gegen den Ewigkeits-
begriff von Althaus darum nicht einwenden, daß in ihm „Erfahrung,
Erlebnis und Anschauung" in keiner (von mir gesperrt) Weise
auf eine Begegnung mit dem zeitlos Ewigen angelegt sind.

Auoli der Versuch, die letzten Dinge als Heilsgeschichte
aufzufassen, in welcher das „Oöttlich-Vollzeitliche immer mehr die
verhüllenden Momente seiner Offenbarung ausscheidet", ist nicht gelungen
und wird später durch die Erkenntnis entwertet, daß „das
Wunder nie der Möglichkeit der Skepsis entnommen ist" (329).
Skepsis ist so lange möglich, als noch Verhüllung vorhanden ist.

Diese hört mit der Parusie auf und mit ihr deshalb auch die Skepsis,
genau wie der Glaube, aber nicht eher. Das Reich des Schauens'
ist da und mit ihm das Ende der Geschichte. Ist das etwas anderes,
als das, was Althaus sagt?

Und weiter das Andere: wenn man schon einen
zentralen Angriff auf den Relativismus richtet, dann
darf er nicht dermaßen im Sande verlaufen, wie es bei

| Schmidt geschieht (311 f.). Es zeigt sich, daß die Neubegründung
des Zeitbegriffs zur Zurückfühmng des Relativismus
und Historismus in ihre Grenzen nicht genügt
. Die Seele des Relativismus ist ein Gesetz unseres
Denkens. Was Schmidt in der gründlichen und weiterführenden
Auseinandersetzung über das Wunder vergeblich
versucht (325 ff.), wäre von einer lebendigen
Entfaltung des Grundprinzips der Synthesis a priori
wohl möglich gewesen: Die Begründung der Möglich-

! keit des Wunders als Einheit von Geschichte und Übergeschichte
, welche nicht nur ein allgemeiner Hinweis,
sondern besonderes Wort Gottes ist. Das erkenntniskritische
Mittel dazu, der Organismusbegriff im Sinne
von Kants dritter Kritik, hat sich Schmidt entgehen
lassen. (Vergl. Fr. Brunstäd „Die Idee der Religion"

: S. 270 ff.).

So bleibt das Werk, trotz vieler neuer Gesichtspunkte
im einzelnen auf das Ganze gesehen unbefriedigend
. In diesem Urteil wird man nicht zuletzt
durch das Schlußkapitel „der eschatologische Rhythmus
der Geschichte" bestärkt, von welchem der Verfasser
selbst sagt, „wir empfinden selbst, daß dieser
Antwort im Vergleich zu der von Althaus alle AU-
gemeingiltigkeit und überzeugende Notwendigkeit fehlt."
(388).

Berlin-Spandau. Helmuth Schreiner.

Hei big, Georg: ... auf daß Gott sei Alles in Allem!

Gießen: A. Töpelmann (1926). (40 S.) 8°. Rm. 1.50.

Ein junger Theolog, Pfarrer in Gera, bietet uns diese Gabe.
Es sind sieben kurze Betrachtungen zu Bibelworten. Der Titel
sagt alles, worum es geht. Heibig spricht es nicht ausdrücklich aus,
aber es ist überall gleich deutlich, daß er bei Barth zur Schule gegangen
, nicht in seinen Vorlesungen, aber in seinen Büchern.
Ich verstehe es, daß er von ihnen in tiefer Seele bewegt ist, und
freue mich dessen. Der Kontrast, in welchem der Christ sich und
alles Geschaffene zu Gott sieht, kann gar nicht genug gezeigt, in
lebendiger Vergegenwärtigung zum Bewußtsein gebracht werden. Und
Heibig findet echte, rechte Predigtworte dafür. Es ist keine
Phrase in dem kleinen Büchlein. So darf ich jedem für Besinnungsstunden
raten, danach zu greifen, zumal ganz jungen Theologen,
die sich darin mit einem begegnen, der ihnen, ihren seelischen
Nöten, nahe steht. Richtiger vielleicht gesagt: der ihnen die rechten
Nöte „erweckt". Heibig ist nicht Quietist und weiß doch verständlich
zu machen, was wahre Ruhe mitten in Unruhe im
Gedanken an Gott ist. Darf ich ihm einen Rat geben, so wäre es
der, nicht allzu rasch literarisch in der gleichen Weise wieder
hervorzutreten. Ich möchte, daß er sich nicht zu bald „auspredige".
Diesem Erstlingsbüchlein glaube ich verheißen zu können, daß es
sich um so länger hält je länger es für sich bleibt.

Halle. F. Kattenbusch.

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Alfred Töpelmann in Gießen.