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Ausgabe: | 1927 Nr. 16 |
Spalte: | 376 |
Autor/Hrsg.: | Meyer, Gerhard |
Titel/Untertitel: | Die Entwicklung der Straßburger Universität aus dem Gymnasium und der Akademie des Johann Sturm 1927 |
Rezensent: | Muralt, Leonhard |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 16.
376
Karr er, Otto: Die große Glut. Textgeschichte d. Mystik im
Mittelalter. München: Verl. „Ars Sacra" J. Müller 1926. (532S.
m. 17 Abb.) kl. 8°. geb. Rm. 6.80.
Unter den Rubriken „Italienische Mystik", „Deutsche
M.", „Philosophische M. des deutschen Mittelalters",
„Englische M." ist hier in deutscher Übersetzung eine
Auswahl aus der kirchlichen Literatur (in dieser Beschränkung
) des MA. von Franz v. Assisi bis zu Angelus
Silesius gegeben, der als Eckehart-Schüler einen
Platz im Mittelalter erhält. Kurze biographische und
literar. Einführungen, die den betr. Abschnitten vorangehen
, bieten Hinweise zur Erleichterung des Verständnisses
dieser „Geschichte der mittelalterl. Mystik in
Texten" (der Untertitel „Textgeschichte" ist mißverständlich
).
Das Urteil ist im allgemeinen maßvoll und verständig (vgl. das
S. 385 über Johann v. Kastl Gesagte), nur gelegentlich macht sich
der kathot. Maßstab geltend (S. 36 „Teufel des Quietismus", „entsittlichende
Wirbel" der „aufwiegelnden" „Geist-Mystik", zu der Joachim
v. Fiore und die Fraticellen und Begarden gerechnet werden); so auch
bei der Annahme, daß bei den kanonisierten Heiligen die Kühnheit
im Ausdruck die sachl. Wirklichkeit der Empfindung etwas überbiete
, wo also die kirchliche Korrektheit wichtiger als die persönliche
Wahrhaftigkeit erscheint. — Wird S. 325 gesagt, daß in den Auszügen
das Charakteristische der einzelnen Erscheinungen hervortreten
solle, so kann man zweifeln, ob das überall gelungen ist; so bei
Angela da Foligni, wo das sie bezeichnende Ausmalen biblischer
Situationen nicht recht deutlich wird, bei Tauler (der mit 9 S. ein
wenig kurz kommt), dessen Gedanken mit denen Eckeharts einfach
identisch erklärt werden, bei E. selbst, dem die Selbständigkeit abgesprochen
wird und dessen bezeichnendste Wendungen nicht mit aufgeführt
sind. Sehr dankenswert aber ist die Beigabe minder bekannter
Stücke, vor allem der englischen Mystiker. Der Wert der Obersetzung
richtet sich, da es sich nur zum Teil um Neu-Übertragung
handelt, nach dem der Ausgaben, denen die einzelnen Absätze und
Sätze entnommen sind. Die Auswahl bestimmt sich z. T. dadurch,
daß Obergriffe in zwei parallele Sammlungen des Verf.s vermieden
werden mußten, so fehlt z. B. der Führer der italien. Mystik, Bonaventura
.
Das für katholische Laien (als Erbauungsbuch?)
bestimmte Buch ist glänzend ausgestattet.
Tübingen. Hermann Dörries.
Holstein, Prof. Dr. Günther: Luther und die deutsche
Staatsidee. Tübingen: J. C. B. Mohr 1926. (43 S.) gr. 8°. =
Recht u. Staat in Geschichte u. Gegenw., 45. Rm. 1.50.
Der zuerst in der „Zeitwende" (I S. 2S1— 92) gedruckte
gedankenreiche Vortrag erscheint nun mit kleinen
, meist stilistischen, Änderungen und verdeutlichenden
Zusätzen selbständig in der Siebeck'schen staatswissenschaftlichen
Schriftenreihe. Neu sind die umfänglichen
Anmerkungen, die neben Literatur-Hinweisen namentlich
■einen Beitrag zur Idealismus-Debatte bringen (S. 37
bis 43); für die Einzelbegründung seiger Thesen verweist
der Verf. auf seine Monographie über „Die Staatsphilosophie
Schleiermachers" (Bonn 1923).
H. sucht die religiösen Wurzeln der deutschen
Staatsidee aufzuzeigen, darin in den Bahnen M. Webers,
von dem ihn dann freilich seine Ergebnisse scheiden.
Der Verf. beginnt mit einer Schilderung der luth. Staatsauffassung
(der Staat als göttl. Ordnung, die christl.
Pflicht, ihm zu dienen, die Aufgabe, das Gegebene mit
neuer Gesinnung zu erfüllen); der „Patriarchalismus"
Luthers wird als zeitbedingte äußere Denkform davon
abgelöst. Wirksam geworden ist der luth. Staatsgedanke
als zusammenhaltende Macht im XVII. u. XVIII. Jhd.,
als Ingredienz bei Kant in dessen Gegensatz gegen die
Aufklärungstheorien, schließlich in dem Organismus-
Staatsbegriff der idealistischen Periode als dessen wertvollstes
Gut.
Man kann zweifeln, ob die Scheidung zwischen Kern und
Schale sich in Luthers Staatslehre so reinlich vornehmen läßt, auch
ob die Idee vom Organismus wirklich der patriarchalischen überlegen
ist: trifft das Bild des Einzellebens eher zu als das der Familie?
Die Zusammengehörigkeit der Glieder ist darin gleichfalls angedeutet
, daneben aber deren Ungleichheit und die persönliche Art ihrer
Beziehungen versinnbildlicht! — Die Frage des mittelalterl. „Corpus
mysticum christianum" ist wohl noch nicht abgeschlossen.
Im Ganzen stellt die Schrift einen beträchtlichen
Fortschritt in der Erkenntnis der politischen Wirkung
Luthers dar.
Tübingen. Hermann Dörries.
I Hoffmann, Prof. Propst D. Georg: Sigismundus Suevus
Freistadiensis. Ein schlesischer Pfarrer aus dem Reformations-
Jahrhundert. Breslau: F. Hirt 1927. (VIII, 159 S.) 8«. Rm. 4.50.
Was sich über Leben und Wirken des am 21. März
1527 in Freystadt im Fürstentum Glogau in Niederschlesien
geborenen Sigismund Schwabe ermitteln läßt,
ist in diesem Lebensbild mit außerordentlichem Fleiß
zusammengetragen. Schwabe erhielt, nachdem er an ver-
I schiedenen Orten gewirkt hatte, u. a. in Thorn und
Lauban, die Berufung zum Propst an St. Bernhardin in
I Breslau, wo er 15. Mai 1596 gestorben ist. Die Dar-
i Stellung seiner Schicksale bringt manche Beiträge zur
j Geschichte des kirchlichen Lebens und seine zahlreichen
Schriften sind nach der kulturgeschichtlichen Seite von
Interesse. Vor allem aber fordert der Verf. für Suevus
einen Platz in der Geschichte der Predigt (S. 159).
Göttingen. Carl M i r b t.
Meyer, Dr. phil. Gerhard: Die Entwicklung der Straßburger
Universität aus dem Gymnasium und der Akademie des
I Johann Sturm. Ein Beitr. z. Kulturgesch. des Elsaß. Frankfurt:
Selbstverl. d. Instituts 1926. (VIII, 102 S.) gr. 8°. = Schriften
d. Wissenschaftl. Instituts d. Elsaß-Lothringer im Reich an d.
Univ. Frankfurt.
Auf Grund von Disputations- und Promotionskata-
j logen der Straßburger Akademie aus den Jahren 1585 bis
1621, die sich jetzt im Besitze des Institutes der Elsaß-
| Lothringer im Reich befinden, entwirft der Verf. ein
! lebendiges Bild des Straßburger Hochschullebens. Ganz
j abgesehen von der anregenden Darstellung erschließt
er damit einer weitem Forschung wertvolles, weil sel-
j tenes Quellenmaterial zur deutschen Universitätsgeschichte
. Im I. Teil werden die Straßburger Studenten,
ihr Leben und ihre Studien an der Akademie geschildert.
| Es gelingt der Nachweis, daß das humanistische Bildungsideal
Johann Sturms, das philosophische Studien,
i Rhetorik und Beschäftigung mit politischen Fragen zur
Hauptaufgabe machte, über den Tod des Schöpfers
■ hinaus, den Angriffen der Orthodoxie widerstehend, wei-
j ter lebendig blieb. Wenn dann auch die mathematisch-
i naturwissenschaftlichen Disciplinen die rein humanisti-
J sehen doch zurückdrängten, so zeigt gerade dadurch das
i Straßburger Geistesleben Fäden, die vom Humanismus
I zur Aufklärung durch alle Kämpfe des konfessionellen
j Zeitalters hindurchgehen. Parallel dem freien wissen-
! schaftlichen Geist gehen die von den Studenten erörterten
kühnen politischen Gedanken. Im II. Teil verfolgt
. Meyer die Entwicklung der einzelnen Fakultäten. Die
von Sturm vor allem ausgebaute philosophische Fakultät
ging dann nach seinem Abgang zu Gunsten der andern
zurück, Allgemein-Bildung machte Fachstudium Platz.
| Bei allen Fakultäten weist Meyer nach, daß sie längst
vor der Gründung der eigentlichen Universität, 1621,
teils Mitte, teils Ende des 16. Jh's. den Umfang voller
Universitätsfakultäten besaßen. An der juristischen Fakultät
lehrten Mitte des 16. Jh's. französische Rechtsgelehrte
. Einen wesentlichen Einfluß Frankreichs auf
die Bildung der Akademie kann Meyer nicht feststellen.
Der Bedeutung der Straßburger Akademie entsprechend
ist die Schrift ein wertvoller Beitrag zur
Kulturgeschichte um die Wende des 16. Jahrhunderts.
Zürich. Leo v. Muralt.
Werner, Dr. jur. Hermann Kurt: Die Rechtsnatur des Deutschen
Evangelischen Kirchenbundes. Leipzig: Th. Weicher 1926.
(III, 105 S.) 4«. = Leipziger rechtswissenschaftl. Studien, H. 17.
Rm. 5—.
Als erster hat der Verf. den Versuch unternommen, den Deutschen
Evangelischen Kirchenbund, diese bedeutsamste Schöpfung des