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Ausgabe:

1927 Nr. 16

Spalte:

370-373

Autor/Hrsg.:

Friedrichsen, G. W. S.

Titel/Untertitel:

The gothic version of the Gospels 1927

Rezensent:

Kauffmann, Friedrich

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869

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 16.

370

um Broterwerb weissagender näbl zu sein, beansprucht
aber auch für sich das hin mibe. Daß er kein Zungenredner
und Orgiast ist (S. 42 f.), gebe ich zu, aber das
Fehlen von rüah bei ihm kann zufällig sein. Doch
wie dem auch sei, jedenfalls nennt sich Hosea (9,7)
näbl und 'is härüah, was sich nicht abschwächen läßt.
Jesaja soll nun der sein, der einen neuen Begriff von
rüah geschaffen habe, den der dauernden Ausrüstung
des' Propheten mit dem Geiste Jahwes (S. 50); Beweis
Jes. 11,2: der Sproß Isais, auf dem der Geist „ruht".
Die Stelle wird übrigens ohne Diskussion als jesajanisch
behandelt, ebenso auch weiter Jesaja 19,16; 37,7 (S.
54). Bei Jeremia kommt rüah zufällig nicht vor; da
er zugleich gelegentlich gegen die nebi'im polemisiert,
so folgt daraus für L., daß er die in den nebi'lm-kreisen
herrschende rüah-vorstellung abgelehnt habe. Das Bedenkliche
dieser' ganzen Methode, die immer Zufälligkeiten
der Überlieferung generalisiert, ist ersichtlich.

Kap. IV handelt von dem exilischen und nach-
exilischen Prophetismus. Bei Hesekiel erscheint rüah
dicht nur als die überwältigende (besond. motorische) !
Kraft Jahwes, sondern auch als Jahwes religiös-sitt- j
lieh neuschaffende Kraft im Menschen, was L. mit
dem Individualismus dieses Propheten zusammenbringt.
Bei den späteren Propheten wird dann besonders gern
mit dem Begriff „Hypostase" operiert, wovon schon
die Rede war. Auch "Daniel wird zu den „Propheten"
gerechnet, jedoch festgestellt, daß hier rüah das „inspirierende
" Prinzip bedeutet, ähnlich wie bei P. und
Chron. Dagegen trete der Begriff von Jahwes rüah als
religiös-sittlicher Kraft bei den jüngeren Propheten zurück
und erhalte sich dafür in den frommen Kreisen '
auf dem Lande, aus deren Mitte die tiefsten Psalmen l
stammen sollen.

Kap. V behandelt P. und Chron. Bei ihnen soll
rüah mehr hypostatisch gefaßt sein: „neigt zur Hypo- i
stase", „noch einen Schritt weiter zur Hypostase". L.
hebt hervor, daß in der Chronik gern Priester oder
Leviten als von rüah inspiriert erscheinen; er deutet dies
so, daß die Prophetie hier nur noch irn Rahmen des
Kultus anerkannt werde. Darin liegt sicher etwas Richtiges
, nur darf man es nicht übertreiben und verallgemeinern
:

Z. B. Wenn der Held Amasai Chron. I 12,19 durch die j
ruah zu einem Huldignngsrufe an David inspiriert wird, so ist das '
noch kein kultischer „Huldigungshymnus" (S. 99); oder daraus, i
daß der Priestersohn Sakarja ein inspiriertes Mahnwort an das Volk (
richtet, ohne daß eine Tat im Dienste Jahwes darauf folgt (Chron.
II 24,20), ergibt sich nicht, daß die Inspiration hier kraftloser sei [
als bei den alten Propheten.

Kap. VI handelt von „poetischer Erbauungsliteratur
", speziell von den Psalmen, deren Ursprung im
allgemeinen nicht in den Kreisen der Gesetzesfrömmigkeit
, die ihr Leben und ihre religiösen Anschauungen
auf Gesetz und Kultus gründeten, sondern in davon
unterschiedenen frommen Kreisen gesucht wird (S. 707).
Eine solche Unterscheidung, die wohl den Gegensatz I
staatskirchlicher Kreise und pietistischer Gemeinschaftskreise
vor Augen hat, trifft für das Judentum jener
Zeit nicht zu. L. bespricht dann im einzelnen die Psalmstellen
, an denen sich der Ausdruck rüah findet.

Kap. VII zieht eine Entwicklun'gslinie von rüah
rä'ä (Ri 9, 23; Sam. I, 16,14. 23; 18, 10), dem das Wohl
der Gemeinschaft oder des einzelnen zerstörenden Geist,
zu rüah säqär (Kön. I 22,2), dem verführenden Geist
und weiter zum satan (Chron. I, 21,1; Hiob 1,61;
2, 1 f.), welch letzterer ein „hypostatisches Wesen" sein
soll (S. 130).

Wie sich dieser satan unter persischem Einfluß
im Spätjudentum zur gottfeindlichen Macht des Bösen
erhebt, so soll umgekehrt rüah haqqodäs (Jes. 63, 10 f;
Ps. 51,13) sich analog dem Spenta mainju zum Prinzip

des Guten entwickelt haben; doch werden diese Fragen
von L. nicht selbständig untersucht, sondern es wird
nur auf Volz verwiesen.

Kap. VIII führt aus, daß die üottesvorstellung
des Jahwismus nicht durch die rüah-vorstellung ihr
Gepräge erhalten habe, sondern umgekehrt der mosaische
Jahwismus die Entwicklung der israelitischen rüah-
vorstellung bestimmt habe.' Auf einigen Seiten wird die
schwierige Frage nach dem Ursprung der Jahwe-Religion
abgemacht, deren Entstehung nur durch ein starkes
üotteserlebnis des Mose erklärbar sei. Söderblom bestimmt
einmal das Eigentümliche der jahwistischen Gottesauffassung
als kraftvolle Gewaltsamkeit und Naturbestimmtheit
; daraus ergibt sich für L., daß „diese
Seiten in der vormosaischen Gottesvorstellung fehlen"
(S. 139). Aus primitiven religiösen Vorstellungen (wie
mana, tabu, Animismus) ist das Tiefste und Eigentümlichste
des israelitischen Jahwe nicht zu erklären, bemerkt
L. gegen Rudolf Otto (S. 141); aber das meint
natürlich auch Otto nicht.

Mit einem kurzen Kap. IX über ruah als Lebenskraft in
dem Lebewesen und Kap. X , einem Ausblick auf die neutesta-
mentlicbe Pneumavorstellung, schließt das Buch.

Marburg. Gustav Hölscher.

Kirjath Sepher. A quarterly Bibliographicai Review. The

Organ of the Jewish National and University Library in Jerusalem
ed. by Hugo Bergmann and Hermann Pick, with the con-
stant collaboration of S. Assaf, B. Dinaburg, L. A. Mayer,
G. Sholem, A. Tauber. Second year, Nr. 1 u. 2. Jerusalem:
Hebrew University Library 1925. (IV, 160 S.) gr. 8°.

jährl. Rm. 10—.

Den Hauptinhalt dieser bibliographischen Zeitschrift
in hebräischer Sprache bilden Mitteilungen über
die Titel von Büchern und Aufsätzen in Zeitschriften,
welche Palästina und das Judentum überhaupt betreffen.
Keinerlei Vollständigkeit scheint erstrebt zu werden, für
den Fernerstehenden wird der Hinweis auf die in Palästina
erscheinende hebräische Literatur das wichtigste
sein. Gelegentlich sind den Büchertiteln kurze Bemerkungen
über den Inhalt beigegeben. So wird Baraede,
Aux Pays du Mirage (1924) als wahrheitsliebend und
lesbar gerühmt, aber sein wissenschaftlicher Wert als
gering bezeichnet, seine Verspottung der Engländer, sein
Deutschenhaß und die Nichterwähnung jüdischer Leistung
tadelnd hervorgehoben. Ein Deutscher hätte Anlaß
gehabt auch die Wahrheitsliebe dieses mir bekannten
„geographischen Werkes" zu bezweifeln. Den zweiten
Teil jedes Heftes bilden kleinere Aufsätze, die sich mit
einzelnen Büchern und Autoren, meist älterer Zeit, beschäftigen
, den dritten Teil Mitteilungen aus Handschriften
der Bibliothek.

Greifswald. Gustaf Dalman.

Friedrichsen.G. w. S.: The gothic Version of the Gospels.

A study of its style and textual history. Oxford: University Press
1926. (263 S.)

Das Buch beschäftigt sich nur mit den Evangelien
und läßt die gotische Übersetzung der Paulinischen
Briefe außer Betracht. Trotzdem hat der Verf. sich
schroff und endgiltig formulierte Urteile über den Stil,
die Übersetzungstechnik und die Textgeschichte des wul-
filanischen Werks erlaubt, ohne Vorbehalte wegen der
Episteln zu machen. Über die Unzulässigkeit solchen
Verfahrens bedarf es keiner weitem Worte.

Was vorliegt soll nach der Titelüberschrift eine
Untersuchung des „Stils" und der „Textgeschichte" desjenigen
Bruchteils der gotischen Bibelübersetzung sein,
der uns im cod. Argenteus überliefert ist.

Unter „Stil" versteht der Verf. in der Hauptsache
die „Übersetzungstechnik" des Wulfila (S. 15 ff.)'
und beeinträchtigt durch diese Begriffsverwirrung die
Disposition sowie die Auswertung seiner an sich uns

1) Auf dem Umschlag des Buches ist denn auch nur von
„translation-technique" die Rede.