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Ausgabe:

1927 Nr. 16

Spalte:

367-370

Autor/Hrsg.:

Linder, Sven

Titel/Untertitel:

Studier till Gamla Testamentets föreställningar om anden 1927

Rezensent:

Hölscher, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 16.

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Man beachte die bei dieser akzentuierenden Metrik unverständliche
Betonung von Kl und ue'im, die natürlich
nur geschieht, um ein gleichmäßiges Schema zu gewinnen
. Ich bemerke übrigens, daß die obigen Akzente
von mir stammen, während M. seine metrische Auffassung
nur durch Zahlen andeutet; doch glaube ich
ihn nicht mißverstanden zu haben.

Was ich hier vermisse, trifft nicht M., sondern
uns Alttestamentier alle, und ich möchte nur warnen,
uns allzuschnell bei einer Lösung des metrischen Problems
zu beruhigen, die keine völlige Lösung ist. Immer
wieder frage ich mich, ob die Prophetentexte wirklich
ein strenges Versmetrum haben. Ich darf hier vielleicht
auf das Altarabische verweisen, welches ja in seinen
gereimten sag'-Versen, der typischen Form der Kähin-
Sprüche, auch eine Art gehobener und wohl auch rhythmischer
Rede besaß, der doch ein streng geregeltes
Metrum gänzlich fehlt. Auch die Sieverssche Metrik,
der M. folgt, behält sich ja die Freiheit eines Wechsels
der Metren vor; und so nimmt auch M. vielfachen
Wechsel der Metren bei Jesaja an, z. B. 8,5—8a (4:4
und 3:3), 17,4—6 (3:3 und 4:3), 9,7—20 (neben
3:3 und 6 auch 4:4 und 4:3), 5,1—7 (3:3 und 3:2 und
4:4 und 4:3).

Mit diesen Einwänden wird der allgemeine Wert
von Arbeiten, wie der vorliegenden, nicht angegriffen;
denn die rhythmische Gliederung der prophetischen Texte
bleibt auch dann bestehen, wenn das vorausgesetzte
metrische System nicht standhalten sollte, und deshalb
kann man sich auf die Fortsetzung dieser nützlichen
Arbeit freuen, nur wäre vielleicht zu wünschen, daß der
Verfasser etwas weniger zuversichtlich die Texte metricae
causa verbessere.

Marburg. Gustav Hölscher.

Linder, Sven : Studier tili Gamla Testamentets föreställningar
omanden. Leipzig: O. Harrassowitz 1927. (177 S.) gr. 8°. = Arbeten
utgivna med understöd av Vilhelm Ekmans Universitetsfond, Upp-
sala. Rm. 6—.

Die begriffsgeschichtlichen Untersuchungen im Alten
und Neuen Testament sind heute beliebt. Die vorliegende
Schrift von L. verfolgt die Entwicklung der
Vorstellung vom Geist (rüah) im Alten Testament. Es
gibt ja darüber schon viel Literatur, wie das lange Literaturverzeichnis
am Schlüsse des Buches vor Augen
führt, besonders die Monographie von Volz.

Man sollte erwarten, daß der Verfasser von den
primitiven Vorstellungen ausginge; aber auf sie nimmt
er erst später kurz Bezug. Stattdessen geht er in medias
res, untersucht die rüah-Vorstellung in den ältesten Geschichtsquellen
und verfolgt sie dann chronologisch
durch die ganze kanonische Literatur. Aber kann man
denn auf diese Weise „finden, wie weit die Vorstellung
vom Geist ihre Wurzeln rückwärts in der Geschichte
des israelitischen Volkes erstreckt" (S. 1)? Die rüah-
Vorstellung ist älter als unsere Quellen und älter als
Israel. Vor allem wären nun bei einem so schwierigen j
Thema klare Begriffsbestimmungen nötig gewesen; aber
diese vermisse ich sehr. Man hört zwar oft das Wort j
„verklighetsmättat", weiß ja auch, woher das stammt;
es ist viel die Rede von „Personifizierung" und „Hypo-
stasierung" der rQah, aber klare Erklärungen all dieser
für die ganze Untersuchung grundlegenden Begriffe
werden nicht gegeben. Was soll man sich denken bei
solchen Unterscheidungen wie „stark personifiziert", j
„noch stärker personifiziert", „stark personifiziert und
fast hypostatisch" (S. 126f.) usw.?

L. behandelt die einzelnen Stellen, an denen ruah
im Alten Testamente vorkommt, teilweise recht ausführlich
, aber man verliert über der Diskussion der Einzel- |
stellen oft die großen Linien aus dem Auge.

Kap. I: Grundlegend ist für L. die Unterscheidung
einer „schofetischen" und einer „nabiistischen"
rüah-Vorstellung. Solche termini finde ich, rein sprachlich
angesehen, häßlich; aber ersterer ist außerdem, historisch
betrachtet, unglücklich, da er die nach L. älteste
rüah-Vorstellung mit einem terminus der unhistorischen
deuteronomistischen Geschichtsauffassung charakterisiert:
und die ganze Unterscheidung ist zwar insofern richtig,
als der Hebräer die rüah-Vorstellung auf verschieden-

; artige psychologische Phänomene bezieht, aber in beiden
Fällen doch letztlich ein gemeinsamer Begriff von
rüah zugrunde liegt. Von beiden Vorstellungen soll
nach den Quellen die „schofetische" die ältere und

, ursprünglich israelitische sein, wogegen doch zu sagen
wäre, daß literarisch beide offenbar'gleich früh belegt
sind. Daß die „nazistische" den Israeliten zur Zeit
Sauls etwas Neues gewesen sei, folgt aus Sam. I 10,11
durchaus nicht; denn hier staunen die Leute nicht über
das Phänomen als solches, sondern über Sauls wunderliches
Benehmen. Unter dem Einfluß von Johs. Pe-
dersen wird rüah mit beräkä und salöm in Verbindung
gesetzt; davon wissen die Quellen nichts: Ri 9 nennt
nicht einmal das Wort salöm und Sam. I 26,25 wird
barük nicht auf rüah bezogen; von Wachsen oder Sichvermindern
der rüah wissen die Quellen nichts.

Wenn L. keine selbständige Stellung zu der schwierigen Quellenfrage
in Ri und Sam. einnimmt, so ist das nicht zu verübeln:
aber so unkritische Benutzung der Quellen, wie in Ri 6,34 (S. 2)
— wo die Amalekiter und Ostländer nicht zum ältesten Text ge-

) hören — wäre nicht nötig. Sprachlich bedenklich ist die prädikative
Fassung von ra'a Sam. I, lö, 15 f.; 18,10 (S. 13 f., jedoch S. 31?),
und auffallend, daß sich ein Alttestamentler durch einen anderen
über die Vertauschung von 'al und 'äl in den Texten belehren
lassen muß (S. 6 Anmerkung).

Kap. II: Die Zeit von Samuel bis zu den Schriftpropheten
. Allerlei unbewiesene Behauptungen begegnen
! hier: Ende des 2. Jahrtausends sei eine Welle nabi-
I istischer Frömmigkeit über ganz Syrien gegangen; Beweis
Sam. I, 10 und 19 und der Wen-Amon-Bericht
(S. 19). Scharen von nebi'lm seien durch das Land
gezogen; Beweis Sam. I, 10,5, wo zufällig ein Haufe
Propheten von der Opferhöhe herunterkommt (S. 20).
i Unter Samuel und Saul sei die nabiistische Bewegung
auf Benjamin und Umgegend beschränkt gewesen, und
unter David und Salomo habe sie ein unbemerktes
Dasein geführt, weil damals glückliche politische Verhältnisse
geherrscht hätten (S. 26). Das ist eine seltsame
historische Methode, aus reinen Zufälligkeiten der
| literarischen Überlieferung allgemeine Schlüsse zu ziehen
. Sehr bedenklich ist es, wie Samuel (gegen Sam.
I 9 f.) auf Grund der jüngeren Legende Sam. I 19,18 ff.
als Leiter der nebi'im-zünfte beschrieben wird (S. 21 f.).
Da Samuel das Eindringen der nabiistischen Bewegung
in Israel nicht habe hindern können, soll er die Leitung
der Bewegung selber in die Hand genommen und sie
jahwistisch gemacht haben, so daß der Nabiismus unter
ihm aufgeblüht sei (S. 24.40). Woher weiß L. das
alles? Samuel war nach L. kein näbl, kein Ekstatiker;
L. denkt ihn sich wohl wie den Leiter eines Orchesters,
der nur dirigiert. Der Ausdruck rüah werde deshalb
auch absichtlich bei Samuel vermieden, um ihm nicht
die nabiistische rüah beizulegen (S. 36); er habe vielmehr
die höhere rüah-ausrüstung besessen, wie die grossen
Führer Mose, Elia, Elisa (S. 36 f.). So lebe bei
ihm die ältere „schofetische" rüah in vertiefter Form
weiter (S. 36 f.), während sonst in dieser Periode die
nabiistische rüah-vorstellung herrschte (S. 27). Das ist
künstliche Konstruktion.

Unverständlich ist mir, wie Köfl. I 22, 19—23 eine Darstellung
der deuteronomistischen Schule genannt werden kann (S. 31).

Kap. III: Bei den großen Schriftpropheten begegnet
der terminus rüah verhältnismäßig selten. Aus
dieser Zufälligkeit folgert L., daß sie eine abweisende
Stellung gegen die rüah-vorstellung eingenommen hätten
(S. 42). Aber sogar bei Arnos kann man sich fragen,
ob das zutrifft; denn dieser lehnt nur ab, ein zünftiger,