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Ausgabe: | 1927 Nr. 16 |
Spalte: | 365-367 |
Autor/Hrsg.: | Morbeck, Emanuel |
Titel/Untertitel: | Profeten Jesaja, stil och äkthet. I 1927 |
Rezensent: | Hölscher, Gustav |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 16.
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der Begriff der hellenistischen Mysterienreligionen selbst
ist zur Zeit und vielleicht für immer ein unklarer;
denn er ist trotz aller Bemühungen, bestimmte Kulte
zu ermitteln, mehr ein Abstraktum als ein Konkretum
oder, sofern doch Konkreta vorhanden sind, ist ihre
Wirksamkeit außerhalb ihrer eigenen Grenzen (Isis, Mi-
thras, Kybele) schwer nachweisbar, und wo sie eine
solche für die christliche Bewegung gehabt haben, ist
es fraglich, ob die Erscheinungen, um die es sich handelt,
eine größere Bedeutung besessen haben als die der Gich-
telianer des 17. Jahrhunderts. Das, was sich unseren Feststellungen
durchaus entzieht, ist der pünktliche Nachweis,
daß dieser oder jener bestimmte Mysterienkult einen
Einfluß auf die Hauptentwicklung des Christentums gehabt
hat. Die Frage kann auch so gestellt werden: Hat
die aus dem mit babylonischen, persischen und hellenischen
Elementen bereicherten Judentum stammende
Kirche einen zweiten Einschub dieser Elemente in
ihrer eigenen Geschichte durch das Medium bestimmter
hellenistischer Mysterienkulte erlebt, und
welche sind es gewesen? Zur Zeit können wir diese
Frage nur negativ beantworten.
Aber als Abstraktum ist das, was der Verfasser
in geschichtlich faßbaren, für die Entwicklung des Christentums
wichtigen Verdichtungen sieht, unzweifelhaft
(und als eminenter Faktor) vorhanden gewesen, d. h.
wie es ein Milieu der Renaissance, der Romantik usw.
in der Neuzeit gegeben hat, so gab es in jener Epoche
das Milieu des aus orientalischen Religionen, aus den
alten griechischen Mysterien (?), aus dem Stoizismus
und Piatonismus und auch z. T. aus dem Judentum zusammengeflossenen
Synkretismus, dessen Grundzüge ich
in meiner „Mission und Ausbreitung des Christentums"
4- Aufl. S. 34ff. festzustellen versucht habe. Schon in der
ersten Auflage meines Lehrbuchs der Dogmengeschichte
(1886) habe ich hier keineswegs nur die nachplatonische
Philosophie geltend gemacht, sondern das orientalische
Element als selbständig fortwirkenden Faktor betont
(„die Hände sind Esaus Hände; die Stimme ist Jakob's
Stimme"); seitdem ist dieser Faktor deutlicher geworden,
und das ist ein nicht geringes Verdienst des Verfassers.
Dieses Verdienst möchte ich aber vor allem auch darin
sehen, daß er uns, wie schon in früheren Werken, so
besonders in diesem mit der Fülle paralleler, analoger
und anklingender Erscheinungen auf dem Gebiete der
Religionsgeschichte der Kaiserzeit bekannt gemacht hat.
In diesem Sinne ist sein Werk, namentlich in seinen
Beilagen, eine Fundgrube zuverlässiger Beobachtungen.
Die genetischen Fragen (der Erlösungsgedanke, der Freiheitsgedanke
, uvtcuan/.tK, ipv/ixöi, Urmensch, jdaxiq)
für
eine Epoche, in der alles erfüllt war von einem
synkretistischen Milieu, das alle denkbaren religiösen
Elemente in den verschiedensten Stufenentwicklungen enthielt
und in der es außer Jesus Christus fast nur Epigonen
gab — reinlich zu beantworten, scheint heute eine Unmöglichkeit
. Aber wenn in Zukunft auch andere Einzelerscheinungen
so aufgehellt werden wie jüngst der
Manichäismus und vorher der Mithrasdienst, und wenn
Gelehrte nicht fehlen, die, wie Reitzenstein, mit j
dem Drang zur Synthese eine wachsende Einsicht in
Bezug auf das Besondere der christlichen Religion verbinden
— sie tritt in diesem Werk noch bestimmter
hervor als in den früheren —, so wird sich sicherlich
Manches erhellen und durch Synthese reduzieren und
vereinfachen.
Berlin. Adolf v. Harnack.
M Orb eck, Emanuel: Profeten Jesaja, stil och äkthet. I. Form-
och textkritik äkta Jesaja-stycken. Uppsala: Appelbergs bok-
tryckeri A.—B. 1927. (223 S.) gr. S°.
Der Verfasser dieser sorgfältig gearbeiteten Schrift
Seht in den zuerst von Gunkel gewiesenen Bahnen
der stilkritischen Forschung; er stellt sich also eine
ähnliche Aufgabe wie der jüngst uns allzufrüh entrissene
Gressmann und wie L. Köhler. Er will die
Echtheitsfragen im Jesaja von der Stilkritik aus ins reine
bringen. Er untersucht zu diesem Zweck in dem vorliegenden
ersten Teil seiner Arbeit Text und Form der
echten Jesaja-Stücke. Wie er von da aus dann Maßstäbe
für die umstrittenen Teile des Jesaja-Buches gewinnen
will, läßt sich natürlich noch nicht erkennen,
da die Fortsetzung der Arbeit noch nicht vorliegt.
Die hier als echt behandelten Stücke sind etwa dieselben
wie die von Marti, Guthe, mir u. a. als solche
betrachteten. M. behandelt sie in drei Gruppen: 1.) die
Denkschrift, zu der er jedoch 7,1 — 17 wegen des Gebrauchs
der dritten Person im überlieferten Texte nicht
rechnen will; leider behandelt er diesen wichtigen Abschnitt
im vorliegenden Buche noch nicht, sodaß ich
die nähere Begründung dieses auffallenden Urteils nicht
erkennen kann; 2.) Die Weissagungen vor Samarias
Fall und 3.) die nach Samarias Fall. Ich kann dieser
chronologischen Ordnung im allgemeinen zustimmen;
Zweifel hege ich nur gegen die Datierung von 2, 6 bis
4,1; 28,7—13; 1,10—26 vor Samarias Fall, ohne daß
ich doch einen strengen Beweis für spätere Datierung
geben könnte. Die Art, wie M. den Text behandelt,
ist besonnen und vorsichtig und zeigt sorgfältige Auseinandersetzung
mit der wichtigeren neueren Literatur.
Ich finde hie und da einzelne glückliche Vorschläge zur
Textverbesserung. Ueber Einzelheiten zu rechten, ist
hier nicht der Ort.
Einen breiten Raum muß in einer solchen formalen
Textuntersuchung natürlich die metrische Frage einnehmen
. M. gesteht, daß er früher wenig Vertrauen gehabt
habe, annehmbare Ergebnisse auf diesem Gebiete zu
gewinnen. Da indes ohne eine Stellungnahme zur metrischen
Frage hier nicht zu arbeiten ist, hat er sich an
Sievers angeschlossen und glaubt, daß sich mit dessen
System erfolgreich arbeiten lasse. Eine gewisse Reserve
behält er sich gegen Sievers vor, indem er betont, daß
das Wichtigste bei einer Arbeit, wie der vorliegenden,
nicht die Auffassung der einzelnen Takte (Versfüße)
sei, sondern die Erkenntnis der höheren metrischen
Einheiten (der Verse, Verspaare, Strophen). Man kann
dem in gewisser Weise zustimmen,, und doch bleibt
hier die große Wunde unserer Behandlung der poetischen
Texte im Alten Testamente offen. Eine gewisse
rhetorisch-rhythmische Struktur der Prophetentexte ergibt
sich ja zumeist ohne weiteres aus der Korrespondenz
der Satzglieder, die man als „Parallelismus der
Glieder" bezeichnet; aber dieser ist mit eigentlich metrischer
Form nicht ohne weiteres identisch. Es ist
ohne Frage das bleibende Verdienst von Sievers gewesen,
mit Energie betont zu haben, daß mit dem üblichen
schätzungsweisen Abmessen der Verslängen die metrische
Frage nicht erledigt ist. M. beruhigt sich denn auch mit
Recht nicht hierbei, sondern versucht überall, strengere
metrische Forderungen an die Verse Jesajas zu stellen;
aber ich muß doch gestehen, daß seine an und für sich
solide Art der Textbehandlung mir immer wieder zeigt,
wie willkürlich im Grunde die Bestimmung der Hebungen
und damit der Versfüße bei dieser „akzentuierenden"
Metrik bleibt. Ich greife ganz beliebige Beispiele heraus
, z. B.:
8,6 ia'än kf mä'äs hä'äm hazzä (Vierer) neben 8,12 hä'äm
hazzä qodäs (als zweifüßiges Glied); oder 8,12 ue'ät-mörä'ö neben
8'13 'ät-iahuä ötö taqdi[sü] (beides als zweifüßige Glieder); oder efwa
28, 15 (nach dem Schema 3:2):
kf'amartäm kärätnü
berit 'im maüt
ue'im se öl 'äsinü
häzüt täqüm