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Ausgabe:

1927 Nr. 15

Spalte:

356

Autor/Hrsg.:

Gründler, Otto

Titel/Untertitel:

Geisteswende 1927

Rezensent:

Lüttge, Willy

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Seite 1

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355

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 15.

356

Maas, Lektor P. Dr. theol. Otto, O.F.M.; Die Wiedereröffnung
der Franziskanermission in China in der Neuzeit. Münster
i.W.: Aschendorff 1026. (XXXI, 183 S.) gr. 8». = Veröffentlichungen
d. internat. Inst. f. missionswiss. Forschgn., Missions-
wiss. Abhdlgn. u. Texte, 0. Rm. 8—; geb. 0.50.

Es ist ein sowohl geschichtlich als auch missionstheoretisch
höchst interessantes und wichtiges Kapitel
aus der Missionsgeschichte, das in dem vorliegenden
Buche eine gründliche Behandlung unter Benutzung von
viel neuem Material gefunden hat. Das Werk zerfällt
in 3 Teile. In dem ersten Teile, der als Einleitung bezeichnet
wird, finden wir eine wertvolle und ausführliche
Darstellung der Versuche der Franziskaner im 13. u. 14.
Jahrhundert, in China Mission zu treiben. Mit beson- |
derer Liebe wird hier die Person und die Wirksamkeit
des Johannes von Montecorvino geschildert. Der zweite
Teil handelt von den Versuchen der spanischen Franziskaner
auf den Philippinen, in den Jahren 1579 bis
1587 von dem portugiesischen Makao aus eine Missionsarbeit
in China in Angriff zu nehmen. Daß diese Versuche
erfolglos blieben, ist vor allem auf die Schwierigkeiten
zurückzuführen, die die Portugiesen bereiteten, j
sodann aber auch auf den politischen Argwohn der
Chinesen. Der dritte Teil schildert dann, wie es den
Franziskanern im 2. Drittel des 17. Jahrhunderts endlich
gelang, sich in China niederzulassen. Der 1. Abschnitt
dieses Teiles beschreibt zunächst die überaus
schwierigen Anfänge während der Jahre 1633—39, zum
großen Teil infolge der Gegnerschaft der portugiesischen
Jesuiten, die seit 1582 in China tätig waren. Vergrößert
und verschärft wurde diese Feindschaft noch durch den |
Streit über die Berechtigung der von den Jesuiten in |
weitestgehendem Maße gehandhabten Anpassung, der
von den Franziskanern unter Führung des Antonio Caballero
oder de Santa Maria geführt wurde. Im 2. Abschnitt
dieses 3. Teiles untersucht der Verfasser, auf
wessen Seite in diesem Streite das Recht gewesen ist. !
Die Entscheidung fällt zugunsten der Franziskaner aus.
Ein ganz unparteiischer Richter scheint mir der Verfasser
hier aber nicht zu sein. In einigen Punkten, z. B.
in dem Gebrauch des Gottesnamens, scheinen mir die
Jesuiten den Franziskanern und den Entscheidungen der
Kirche gegenüber die richtigere Stellung eingenommen zu
haben. Auf diese Punkte aber geht der Verfasser nicht
ein. Der 3. Abschnitt beschreibt die wenigstens äußerlich
erfolgreiche Wirksamkeit des Antonio de Santa
Maria in den Provinzen Fokien und Schantung während
der Jahre 1649—1665. Den Schluß bildet ein 4. Abschnitt
über die Gefangenschaft und den Tod des Antonio
und eine Charakterisierung dieses großen Franziskanermissionars
. Schade ist es, daß der Verfasser nicht etwas
ausführlicher auf die Anfänge der Jesuitenmission in |
China eingeht. Es wäre dann deutlicher geworden, warum
der Versuch der Franziskaner in den Jahren 1579
bis 87 mißglückte, der von 1633 dagegen glücken konnte.
Ein kurzer Überblick über die weitere Geschichte der
Franziskanermission in China wäre wünschenswert gewesen
.

Halle. H. W. Schorn erus.

Stange, Karl: Unser Glaube. Predigten. Gütersloh: C. Bertelsmann
1926. (104 S.) 8°. Rm. 3—.
Verf. handelt in diesen 13 in den Jahren 1924—1926 in der
Universitätskirche zu Göttingen gehaltenen Predigten in der Tat überall
vom Glauben, seiner Bedeutung, Begründung und Auswirkung.
Unter immer neuen Gesichtspunkten wird auf Grund freigewählter
neutestamentlicher Worte anschaulich und eindringlich gezeigt, wie
dieser Glaube, als freie Gabe Gottes durch den Heiland, sein Kreuz
und seine Auferstehung uns dargeboten, zur Wirklichkeit wird überall
da, wo Menschen durch die Not des Unglaubens angetrieben sich die
Liebe zu Jesus abgewinnen lassen und Ernst damit machen, durch
ihn reines Herzens zu werden, das Wort zur Tat zu gestalten und den
Willen Gottes zu tun, und wie dieser Glaube wo er so wirklich wird,
das ganze Leben bis zum Tode, ja bis zur Wiederkunft des Herrn,
auf die zu hoffen das letzte Wort des Glaubens ist, mit einer auch den

Tod und das Gericht überwindenden Freude durchleuchtet. Denn der
Glaube schaut in Jesu Angesicht Gottes Herrlichkeit. Bei aller Kürze
gedankenreich, den Text jedesmal auf Grund psychologischer Intuition
eigenartig und kraftvoll erfassend — nur die Deutung des leeren
Grabes als Denkmal der hoffnungslosen Verlorenheit der von Jesus
verlassenen Welt erscheint fragwürdig — tragen diese Predigten durch
aus den Charakter der vielfach mißdeuteten Kultuspredigt, d.h. es sind
Predigten, die den christlichen Glauben in seiner Fülle und Tiefe zeu-
genhaft vor der Gemeinde entfalten, um ihn ihr einzuzeugen. Der
Verfasser verschmäht nicht nur alle missionarischen Methoden, sondern
er verzichtet auch völlig auf seelsorgerische Kasuistik und auf
alle parakletischen Imperative. Er begnügt sich damit, das der
Gemeinde zugehörige Evangelium ihr als Herold und Zeuge zu verkündigen
und ins Herz zu sprechen. Dabei liegt ihm ein unwahrer
Optimismus im Bezug auf eine etwa vorauszusetzende Gläubigkeit seiner
Gemeinde ganz fern. Er sagt einmal von den Emmausjüngern!
..Ihre Augen wurden gehalten, daß sie Jesus nicht kannten.
So ist es auch wohl bei den meisten unter uns, daß er trotz allem,
was wir von ihm gehört haben, und trotz alles Interesses an ihm ein
Fremder bleibt." Und an anderer Stelle: „Unser Glaube ist dem
Glauben der Jünger vor der Auferstehung viel ähnlicher, als dem
Glauben der Pfingstgemeinde; unser Glaube ist ein Glaube von unten
her, ein mühsam aus den Anfechtungen dieser Welt sich losringender
Glaube." Wenn Verfasser so sich in die Gemeinde einreibt, der er
das Wort vom Glauben predigt, ihr nicht als Wissender Unwissenden,
als Besitzender Besitzlosen gegenübersteht, sondern als ein zum Heil und zum
Glauben Berufener Mitberufenen sich zur Seite stellt — dies ist offenbar
der Sinn auch der Überschrift „Unser Glaube" —, vermag er
um so freudiger das dem Glauben erschlossene Heil und damit die
Herrlichkeit des Glaubens in gehaltener feiernder Rede auszulegen
und zu preisen. Er tut das, bei einem Universitätsprediger besonders
bemerkenswert, durch eine überaus schlichte, auf jeden rednerischen
Schmuck verzichtende Darlegung der Heilsgedanken. Auch dogmatische
Gedankengänge vermeidet er sorgfältig. So beschreibt er den
Glauben in immer neuen Gedanken: er sei da, wo einem Menschen
das Evangelium Jesu zum lebendigen Inhalt seines Lebens geworden
ist, Glauben heiße, das Schicksal seines Lebens als eine Angelegenheit
Gottes empfinden u. ähnl. Eine Begriffsbestimmung des Wortes
Glauben aber findet sich nirgends. Wohl ist jeder Satz auch nach
seiner dogmatischen Grundlage und Konsequenz sorgfältig überlegt,
aber der Dogmatiker kommt nirgends zu Wort, dafür um so stärker
der Seelsorger, obwohl er niemals den Berufston des Seelsorgers anschlägt
. Gericht und Gnade, Buße und Glaube sind die beiden Pole,
um die sich seine Rede bewegt, deren erwecklicher Charakter vor
allem darin zu Tage tritt, daß sie sich unausgesetzt an das Gewissen
wendet als an „die Hand, mit der Gott nach unserer Seele greift,
den Weg, auf dem er seine Herrschaft unter uns aufrichtet". Und
dieser Anspruch an das Gewissen ist Aufruf des Willens zur Tat des
Glaubens, des religiösen Willens, der sich unter den Auftrag Gottes
stellt. Für diese männliche Art der Predigt ist ein Satz besonders
charakteristisch. In der 6. Predigt hat Verfasser für die „besondere
Innigkeit" der Liebe, die Jesu Jünger mit dem Heiland verbindet,
schöne Worte gefunden. In der 8. Predigt über Offb. 22,20 aber sagt
er: „Für den kommenden Herrn haben wir nur den einen Namen,
daß er der Herr ist; so spricht nicht unsere Zärtlichkeit, sondern
unser Gewissen." Aber auch diesem Wort gegenüber bleibt es dabei
: „Das ist die einzige Aufgabe, die wir als Christen haben, daß
wir Jesus lieben lernen."

Leipzig. Franz Rendtorff.

G r ii n d I e r, Otto : Geisteswende. Habelschwerdt: Frankes Buchh.

1924. (134 S.) kl. 8°. = Bücher der Wiedergeburt Bd. 13. Rm. 1—.
Verfasser, durch seine Aufsätze im „Hochland" manchem bekannt
, müht sich in den Skizzen die hier vereint sind, um „einen
tieferen und umfassenderen Gehalt der Kultur". Allein die Idee der
Kirche und die Idee Gottes sichert, was eine Kultur nie aus sich selbst
schafft: Ganzheit und Menschlichkeit. Das erst ist ihm wahrhaft
Verwirklichung des Lebens. Im Mittelpunkt steht eine eingehende
Analyse Rabindranath Tagores. Er schildert des Dichters Vision der
ewigen Schönheit des Weltalls, in ihr seine kraft- und hilflose Oottes-
sehnsucht, um von hier aus die andere Möglichkeit und Notwendigkeit
des Abendlandes zu zeigen. Charakteristisch ist auch eine Skizze, die
Stefan Georges religiöses Heidentum, das ewige Menschentum seiner
Verkündigung als Vorahnung des christlichen Menschen kurz umreißt.
Andre Aufsätze setzen sich mit Wynecken, mit O. Spengler und R.
Pannwitz auseinander oder bringen die katholische Staatsphilosophie
eines Baader, Müller, Jarcke in Erinnerung. Die knappen und
schlichten Skizzen geben mannigfache Anregung.

Heidelberg. Willy Lüttge.