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Ausgabe:

1927 Nr. 15

Spalte:

350-351

Autor/Hrsg.:

Baerwald, Robert

Titel/Untertitel:

Die Schlacht bei Frankenhausen 1525. 2. Aufl 1927

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 15.

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Veränderung ihrer geistigen Bedeutung, sie werden
Symbol des Leibes und Blutes Christi.

In seiner Spätzeit geht Berengar wesentlich über
Ratramnus hinaus, indem er die Lehre von der Wesensverwandlung
mit Hilfe der Dialektik kritisch aufzulösen
sucht. Nach Lanfrank besteht diese Wesensverwandlung
darin, daß an die Stelle des Wesens von Brot und
Won das Wesen von Leib und Blut Christi tritt, die
species der Elemente dagegen bleiben. Hier setzt Berengars
Kritik ein. Er wendet als erster die Begriffe
forma und materia, subiectum und accidens auf die
Eucharistie an. Die das Wesen eines Dinges konstituierenden
Prinzipien sind materia (bei Berengar = subiectum
) und forma (bei Berengar = accidens). Die
materia ist das Prinzip des esse, die forma das Prinzip
des aliquid esse. Die Form ist das das Wesen eines
Dinges haupts. konstituierende Prinzip. Da B. die Form
mit der Summe der Akzidentien identifiziert, so wird
das Akzidens aus etwas Unwesentlichem zu einem Wesensmoment
. Nun erklärt B.: sowenig forma vom
formatum real zu trennen ist, sowenig ist das Akzidens
vom Subiectum zu trennen. Man kann also nicht (wie
doch von den Vertretern der Wesensverwandlung behauptet
wird) die Akzidentien des Weines ohne die
S u b st a n z desselben empfangen, und wenn das sub-
iectum untergeht, muß auch das accidens untergehen.

Was seine eigene Ansicht über die Eucharistie betrifft
, so erklärt auch er, daß durch die Konsekration
Brot und Wein in den wahren Leib und das wahre Blut
„v erwandelt" werden. Aber eine Verwandlung
schließt nicht notwendig den Untergang des Wesens
in sich, sie kann auch im Aufhören eines Zu Stands
bestehen. Der Vorgang beim Sakrament ist ähnlich dem
der Menschwerdung des Wortes. Hier nahm das Wort
etwas an, was es nicht war, verlor aber dabei das nicht,
was es war. So verliert das Brot durch die Konsekration
zwar seine Profanität, nicht aber die Eigenart seiner
Natur, es gewinnt andererseits eine sakrale Bedeutung:
es wird „Leib Christi", sofern es nämlich Zeichen
und Pfand des wirklichen Leibes ist. Dementsprechend
ist auch das „Essen" des Leibes im übertragenen
Sinn zu verstehen; die sakramentale Vereinigung ist j
eine mystische Vereinigung des reinen Herzens
mit dem im Himmel weilenden Chri- |
stu s.

Im Gegensatz zur Dialektik eines Berengar betont
Lanfrank mehr das Glauben. Auch bei der Eu- :
charistie muß es sich in der Hauptsache um ein gläu-
biges Hinnehmen des Geheimnisvollen handeln, wobei
freilich das Begreifen nicht ganz ausgeschlossen ist. j
Lanfrank bedient sich selbst im Streit mit Berengar zuweilen
der Dialektik.

Nach Lanfrank ist der sakramentale Leib
identisch mit dem von der Jungfrau Maria geborenen
historischen Leib, aber nur hinsichtlich
seines Wesens, nicht hinsichtlich seiner Erscheinungsweise
und seiner Eigenschaften; er tritt
vielmehr als B r o t in die Erscheinung und hat mit dem
Brote die nährende Wirkung gemein.

Was die Sakramentsverwirklichung betrifft
, so besteht sie demgemäß nicht bloß in einer
Wandlung der Bedeutung, sondern des Wesens.
Es handelt sich um ein essentialiter mutari von Brot I
und Wein in Leib und Blut Christi. Lanfrank faßt als '
erster unter den Metabolikern die Verwandlung inhalt-
lieh und formell klar als Transsubstantiation. j
Dabei beurteilt er die bei der Wandlung zurückbleibenden
Eigenschaften als objektive Akzidentien.

Im Unterschied von den Metabolikern der früh- '
berengarischen Periode, die den durch Radbertus modifizierten
isidorischen Sakramentsbegriff beibehalten hatten
, verläßt Lanfrank diesen zugunsten der augus tinischen
Definition: sacramentum = sacrum signum,
er wendet demgemäß auf die Eucharistie die augu-
stinischen Begriffe von sacramentum (das Bezeichnende,

die Akzidentien) und res sacramenti (der bezeichnete Gegenstand
: Leib und Blut Christi) an.

In seiner Einschränkung der symbol. Funktion des
Sakraments auf die Akzidentien ist Lanfrank nicht konsequent
, da er auch dem sakramentalen Inhalt symbolische
Bedeutung zuspricht (er ist signum des in der
historischen Form existierenden Leibes und Blutes), Leib
und Blut Christi sind somit Symbol ihrer selbst.

In diesem Punkt, nicht bloß in der Bestimmung des
Sakrament. Inhalts, stimmt Guitmund von Aversa
mit Lanfrank überein. Guitmund geht jedoch über L.
hinaus in der Herausarbeitung der Sakramentsverwirklichung
als einer Substanzverwandlung der Elemente,
bei der die Akzidentien zurückbleiben; anstelle des
essentialiter mutari lehrt er ein substantiali-
ter mutari. Nach Guitmund ist die ganze sakramentale
Substanz in jedem Teile der Akzidentien gegenwärtig.
Vor allem lehrt er im Gegensatz zu Berengars Subjek-
tivierung des Sakraments: die von der subjektiven Verfassung
wie von der Verderbnis der species unabhängige
objektive Gegenwart des sakramentalen
Leibes.

Wenn Lanfrank es als unerklärliche Glaubens-
tatsache bezeichnet hatte, daß der sakramentale Leib
Christi auf Erden derselbe sei wie der im Himmel, so
sucht Guitmund dies begreiflich zu machen durch die
Analogie des menschlichen Gedankens, der ganz in unserem
Herzen und (ausgesprochen) zugleich vielen bekannt
sein kann.

Nachdem vollends Odo von Cambrai und Anselm
von Canterbury (die Theorien eines Hugo
von Langres und eines Durandus von Troarn
weiterführend) den Sakramentsinhalt im Sinne der ganzen
gottmenschlichen P e r s ö n 1 i c h k e i t (also
nicht bloß als Leib und Blut Christi) gefaßt hatten,
schuf die Schule Anselmsvon Laon die erste systematische
Zusammenfassung der Eucharistielehre.

Das Ergebnis des langen Ringens war, daß sich
einerseits der ambrosianische Metabolismus durchsetzte,
andererseits aber auch Augustin auf den Metabolismus
Einfluß gewann. Lanfrank ersetzte die radbertische Sakramentsdefinition
durch die augustinische und verwendete
die augustinischen Begriffe sacramentum und res
sacramenti auch für die metabolische Eucharistielehre.
So „war es Augustin, der fortan auch der metabolischen
Betrachtungsart das Grundschema vorzeichnete" und die
Entwicklung der Wandlungslehre in entscheidenden
Punkten förderte.

Die auf umfassenden Quellenstudien beruhende, die
gesamte in- und ausländische Literatur berücksichtigende
Arbeit zeichnet sich aus durch objektive Darstellung
und einleuchtende Linienführung. Das Werk bedeutet
eine wesentliche Bereicherung der Erkenntnis frühmittelalterlicher
Theologie.

Rinderfeld bei Mergentheim, Württ. Walter Betzendörfer.

Baerwald, Robert: Die Schlacht bei Frankenhausen 1525.

Zur 400jährigen Wiederkehr des Auftretens Thomas Münzers in
Thüringen. 2. Aufl. Mit Bildern u. Karten. Mühlhausen: Urquell-
Verl. 1925. (145 S.) kl. 8°. Rm.4—; geb. 5.80.

Der Wert dieser bereits in 2. Auflage erschienenen
Schrift liegt nicht so sehr in der Art der Darstellung.
Sie bietet nicht sowohl eine zusammenfassende Schilderung
, als vielmehr einzelne Untersuchungen zu den verschiedenen
Phasen der Schlacht bei Frankenhausen. Auch
hat es der Verfasser anscheinend gar nicht versucht, die
bereits bekannten Quellen durch neue Funde zu vermehren
, was hier um so wichtiger sein dürfte, als der
urkundlichen Berichte über diese Tage sehr wenige bis
jetzt der Forschung sich erschlossen haben. Bedeutsam
ist dagegen die Methode, mit der er die verschiedenen
Berichte zu werten unternommen hat. Man könnte sie
als „psychologische" bezeichnen. In dieser Linie liegt
es auch, wenn er zur Erklärung manchen Vorganges