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Ausgabe: | 1927 Nr. 15 |
Spalte: | 342-346 |
Autor/Hrsg.: | Helm, Rudolf (Hrsg.) |
Titel/Untertitel: | Eusebius Werke. 7. Bd.: Die Chronik des Hieronymus 1927 |
Rezensent: | Koetschau, Paul |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 15.
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Windisch, Prof. D. Dr. Hans: Der zweite Korintherbrief.
Güttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1524. (VIII, 436 S.) gr. 8°. =
Kritisch-exegetischer Kommentar über das N. T., 6. Abt., 9. Aufl.
Rm. 15-; geb. 17.20.
Als Johannes Weiß 1914 der Wissenschaft vorzeitig
entrissen worden war, ohne seine Bearbeitung der
Korintherbriefe für das Meyersche Kommentarwerk zu
Ende bringen zu können, hat'als der Berufenste Windisch
die unerledigte Neuerklärung des zweiten Briefes übernommen
. Nach siebenjähriger Arbeit war sein Kommentar
yollendet, der infolge besonderer Hinderungen erst heute
hier zur Anzeige gelangt.
Gegenüber der Heinricischen Bearbeitung von 1900
hat Windisch ein völlig neues Werk geschaffen. Nicht,
Weil es sich für ihn um einen Umsturz der hermeneu-
tischer. Grundsätze gehandelt hätte, um eine „Re-Inter-
pretation" von der Art, wie sie jetzt die Schüler aller
Orten preisen. Sondern, weil dem Exegeten für die alte
Aufgabe einer wissenschaftlichen Erfassung der Gedanken
des Schriftstücks wie der dahinter stehenden Sachen
und Personen heute so viele tiefer dringende Vorarbeiten
und so wesentlich verfeinerte Hilfsmittel zu Gebote
stehen, daß im Großen wie im Kleinsten eigentlich Alles
neu gesehen, geprüft und entschieden werden muß.
Namentlich die^Aufhellung der religionsgeschichtlichen
Zusammenhänge wie die Erörterung des Verhältnisses
des Paulus zu den jüdischen und hellenistischen Zeitanschauungen
verlangte ein besonderes Maß von j
eigenster Arbeit. Wenn also Windisch auch, nach der
Sitte des Meyerschen Kommentar:, durch ausgiebiges
Verweisen auf die älteren Ausleger seine Leser lehrt,
„daß die exegetische Weisheit nicht erst eine Gabe des
20. Jahrhunderts oder gar erst der Nachkriegszeit ist"
(VI), so darf er doch erklären, die in ihrer Art vortreffliche
Bearbeitung seines Vorgängers Heinrici, wie jeden
anderen Kommentar, nur eben mit berücksichtigt zu
haben (V).
In der Einleitung wird zunächst der literarische
Charakter des Schriftstücks bestimmt: im Gegensatz zu
I. Kor. der mit seinen lose aneinander gereihten Teilen
sozusagen eine apostolische Kirchenordnung in Briefform
darstellt, zeigt die i;ciGTo/.i] fWtttf des iL Kor.
mit nur drei Teilen (1—7 Apologie, 8—9 kirchen-
regimentliche Verordnung, 10—13 Streitschrift gegen die
Opposition) eine viel einfachere und geschlossenere
Komposition (S. 5ff.). An unentbehrlichen Ereignissen
zwischen I. und II. Kor. glaubt auch Windisch einen
neuen Zwischenfall 2, 1 ff. 7, 12 (nicht die alte Sache von
1. Kor. 5), einen Zwischenbesuch und einen verloren
gegangenen (nicht etwa 10—13 erhaltenen) Zwischenbrief
erweisen zu können, wenn auch Art des Zwischenfalls
und Zeitpunkt des Zwischenbesuches nicht feststehen
(S. 9ff.). Die wegen der wiederholten starken
Stimmungsumschläge und Uneinheitlichkeiten im Stil
längst angefochtene Integrität von II. Kor. bestreitet
auch Windisch. Keinenfalls können 10—13 mit 1—9 von
Anfang an in einem Brief gestanden haben; und wenn
jener Vierkapitelbrief auch nicht als der vermißte
Zwischenbrief angesprochen werden darf, so ist er um
so wahrscheinlicher mit Krenkel als Teil eines Schreibens
zu verstehen, in dem Paulus auf eine erst nach Absen-
dung von 1—9 gemeldete erneute Verschärfung des
Streites reagiert. Aber auch die Einheitlichkeit der ersten
sieben Kapitel bezweifelt Windisch nach J. Weiß und
andern: der paränetische Abschnitt 6,14—7,1 stehe zum
mindesten an falscher Stelle, auch die gegenwärtige
Trennung der genau auf einander passenden Verse 2, 13
und 7,5 durch die „große Abschweifung" 2,14—7,4 sei
wohl als Folge einer Umstellung zu begreifen, und
endlich erscheine selbst die Zusammengehörigkeit von
8 und 9 nicht mehr ganz sicher. Immerhin läßt sich auch
nach Windisch abgesehen von 6, 14—7,1 die Integrität
von 1—9 zur Not behaupten. „Aber die Möglichkeit,
daß hier große Umstellungen und Einfügungen von
Fragmenten aus verschiedenen Briefen stattgefunden |
haben, ist unbedingt offen zu lassen" (S. 11 ff.). Radikale
Fälschungshypothesen lehnt Windisch ab, nicht
ohne ihnen einen gewissen Wert insofern beizulegen,
als sie den Exegeten fortwährend auf noch nicht gelöste
Probleme aufmerksam machen (S. 21 ff.). In der Frage
nach den Gegnern des Paulus im II. Kor. will er unterscheiden
zwischen einer schon vor I. Kor. in Korinth
entstandenen pneumatisch-gnostischen Richtung, die den
Apostel als Nichtgnostiker verachtete, und der erst nach
I. Kor. zur vollen Auswirkung gekommenen Agitation
jüdischer Wanderprediger, die die Rechtmäßigkeit seines
Apostolats leugneten (S. 23 ff.). In der Chronologie
nimmt Windisch, der den ersten Besuch des Paulus in
Korinth auf Herbst 52 bis Frühjahr 54, I. Kor. auf
Frühjahr 56, Zwischenfall (?), Zwischenbesuch u. Zwischenbrief
auf Frühjahr 57 datiert, dementsprechend
für die Abfassung von II. Kor. 1—9 den Hochsommer
57 und für 10—13 einen um etwa zwei Monate späteren
Zeitpunkt an (S. 26ff.).
Auf irgendwelche Einzelheiten der ebenso gelehrten
wie feinfühligen Texterklärung soll hier nicht eingegangen
werden. Daß der Umfang des Ganzen trotz
starker Kürzungen des Manuskripts die ursprünglich vorgesehene
Grenze erheblich überschreitet, wird bei der
Fülle der exegetischen, theologisch-religionsgeschichtlichen
und literarkritischen Probleme grade dieses Briefes
niemanden in Erstaunen setzen. Erfreulich und vorbildlich
, daß der Verlag diese Umfangsüberschreitung
bewilligt hat!
Königsberg i. Pr. E. Klostermann.
Eusebius Werke. 7. Bd. Die Chronik des Hieronymus, Hieronymi
Chronicon. Hrsg. i. A. d. Kirchenväfer-Commission d. Preuß.
Akad. d. Wiss. v. Rudolf Helm. 1. Teil. Text. Mit e. Namenreg
. 2. Teil. Lesarten d. Handschr. u. quellenkrit. Apparat z.
Chronik. Leipzig: J. C. Hinrichs 1913 u. 1926. (III S., 250 auto-
gr. S. u. S. 251—270 und XLVIII S. u. 778 autogr. S.) 4°. =
Die griech. christl. Schriftsteller d. ersten 3 Jahrh., Bd. 24 u. 34.
1. Teil Rm. 12—; geb. 18—;
2. Teil Rm. 35—; geb. 41—.
Vor seiner Kirchengeschichte, wahrscheinlich vor
303, hat Eusebius die im Original nicht mehr vorhandene
Chronik verfaßt, deren Titel lautete: Xoovixol xa-
voveg xal tnitoiih icavTodajcrg lOTOQiag EiUrjVWV re XCti ßag-
ßccQwv. Danach und nach der Vorrede des Eusebius (S.
18 Helm) enthielt sie synchronistische Geschichtstabellen
nebst einem Abriß der Weltgeschichte. Eusebius gibt
in seiner Vorrede die von Abraham, nicht von Adam,
wie bei Africanus und Hippolytus, ausgehenden Berechnungen
an, die dem Aufbau der Chronik zugrunde
liegen, und betont, daß er Synchronismen zwischen der
heiligen und profanen Geschichte hergestellt habe, offenbar
mit der Absicht, das höhere Alter der ersteren nachzuweisen
. Alle Jahresreihen wolle er nach Dekaden
gliedern und alle historischen Ereignisse an ihren bestimmten
Ort, d. h. doch wohl zu bestimmten Jahren,
stellen („quae universa in suis locis cum summa brevi-
tate ponemus" S. 18 b, und „quae quando urbs condita"
S. 18 a, 23 H.). Eusebius hat seine Chronik, die A.
Schöne (Die Weltchronik des Eusebius, Berlin 1900,
S. 255) mit Recht als „das umfassendste Dokument der
antiken Chronographie" bezeichnet, bis 326 n. C, d. h.
bis zu den Vicennalien Constantins herabgeführt (S.
231, 11 H.). Daran schließt sich die Fortsetzung des
Hieronymus bis 378 n. C. an, der auch vorher Eigenes
aus römischen Quellen hinzugefügt hat („nunc addita,
nunc admixta sunt plurima" S. 6 b, 21 H.). Das chronographische
Gesamtwerk des Eusebius bestand aus 2
Büchern, von denen das erste — durch eine armenische
Übersetzung und zahlreiche griechische Bruchstücke erhalten
— das chronologische Material, besonders Auszüge
aus griechischen Quellen, wie Diodor, Kastor,
Porphyrios, und die gelehrten Vorarbeiten für das zweite
Buch darbot. Von diesem zweiten Buche, das man „die
Chronik" zu nennen pflegt, haben wir außer zahlreichen