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Ausgabe:

1927 Nr. 15

Spalte:

339

Autor/Hrsg.:

Aufhauser, Johannes B.

Titel/Untertitel:

Antike Jesus-Zeugnisse, vorgelegt. 2., verm. u. verb. Aufl 1927

Rezensent:

Bultmann, Rudolf

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339

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 15.

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Mathematik ist vor allem beachtenswert, was O. Krauß
gegen eine frühere Schrift von Jakob Horovitz über den
Ausdruck heber 9r in der rabbinischen Literatur zu
sagen hat (S. 195—240), und was dieser erwidert (S. j
241—314), weil die Überlegung über die älteste christliche
Gemeindeverfassung notwendig das jüdische Vorbild
mit in Rechnung ziehen muß. Außer zahlreichen
Einzelheiten ist der wichtigste Zwiespalt, daß Horovitz
den Ausdruck auch als haber 9 r auf Einzelpersonen
angewandt sieht, was Krauß ablehnt. Neue, nicht ganz
überzeugende Erklärungen über die Veranlassung des
Wegfalls des Dagesch vor Schewa gibt A. Jacobs (S.
315—323). Eine alte Nachricht über 34 jährigen Bestand
des Perserreiches nach Erbauung des Tempels sucht
Bondi verständlich zu machen, indem er Esr. 4,5. 24
Darius II, nicht Darius I, genannt findet und die 70
Jahre von Sach. 1,12 vom zweiten Jahre von Darius II
bis zum Anfang der Regierung des Xerxes rechnet (S.
325—334). Nützlich ist die Statistik der Art des Vorkommens
der Schulen von Schammaj und Hillel in der
altrabbinischen Literatur von J. B. Jiteles (S. 1—22 des
hebr. Schlußteiles). Der übrige Inhalt darf wohl hier
unerwähnt bleiben.

Oreifswald. Gustaf Da! man.

Aufhauser, Prof. D. Dr. Johannes B.: Antike Jesus-Zeugnisse,

vorgelegt. 2., verm. u. verb. Aufl. Bonn: A. Marcus u. E. Weber
1925. (57 S.) 8°. = Kleine Texte für Vorlesungen u. Übungen.
126. Rm. 2.40.

Die treffliche Sammlung Aufhausers war 1913 zum
erstenmale erschienen. Sie ist jetzt vermehrt um den
Josephusbericht über die Hinrichtung des Täufers (ant.
XVIII 5,2) und um zwei Stücke aus dem slavischen

iosephustext nach der Übersetzung von Berendts (dabei
ätte wohl darauf hingewiesen werden können, daß sich
alle acht Täufer = bzw. Jesus-Stücke in Nr. 11 der
„kleinen Texte" finden). Eine weitere Änderung ist die,
daß der griechische und der lateinische Text des Briefwechsels
zwischen Abgar und Jesus nebeneinander gedruckt
sind. Die Literaturangaben sind ergänzt worden.
— Wenn der Lentulusbrief abgedruckt wurde, so wäre
es, angesichts der neuerdings wieder beliebten Phantasien
über das Aussehen Jesu, wohl zweckmäßig gewesen,
einiges andere hierher gehörige Material hinzuzufügen
oder wenigstens auf die Literatur hinzuweisen, z. B. W.
Bauer, das Leben Jesu im Zeitalter der neutestament-
lichen Apokryphen 1909 S. 311 ff. (jetzt auch in
Henneckes Neutest. Apokryphen S. 75). Im übrigen
bedarf die Sammlung, die sich als brauchbar erwiesen
hat, kaum eines empfehlenden Wortes.

Marburg. R. Bultmann.

Hoppe, Lic. theol. Theodor: Die Idee der Heilsgeschichte bei

Paulus mit besonderer Berücksichtigung des Römerbriefes. Gütersloh
: C. Bertelsmann 1926. (VIII, 211 S.) 8°. = Beiträge z. Förderung
christl. Theologie, 30. Bd., H. 2. Rm. 5.50.

Das Problem der Heilsgeschichte bei Paulus ist
neuerdings aktuell geworden. Die naheliegende Erwartung
, daß wir mitten in diese neuesten Fragen hineingeführt
werden sollen, wird nun allerdings getäuscht.
Aber das kann dem bleibenden Wert des Buches zugute
kommen. Was Verf. bietet, ist eine an den gängigen
Kommentaren orientierte, jedoch mehrfach weiterführende
, saubere, stellenweise fast überfeine biblischsystematische
Untersuchung. Da Paulus für „Heilsgeschichte
" vielleicht nicht einmal ein Wort besitzt, macht
die Feststellung des Begriffs Schwierigkeiten. Sie werden
überwunden mit Hilfe einer eingehenden Analyse
der ersten 11 Kapitel des Römerbriefs, die zwei Drittel
der Arbeit füllt. Das gewonnene Resultat wird dann unter
Zuziehung der übrigen Briefe ausgebaut und abgerundet
. Was bei dieser Anlage an ebenmäßiger Durchbildung
des Ergebnisses verloren geht, wird durch die

Geschlossenheit des Fundaments aufgewogen, vorausgesetzt
, daß das letztere richtig gelegt ist.

Einige Bedenken lassen sich hier erheben. Trotz des
Anhangs über die Gesamtdeutung des Römerbriefes kann
ich in diesem nicht bloß ein Dokument missionarischer
Selbstbesinnung — so gewiß er das auch ist — nicht
bloß eine Abhandlung über das Thema „Die Absolutheit
des Christentums heilsgeschichtlich begründet" sehen.
Die Farbe empfängt der Brief trotz 1, 16 a von der Auseinandersetzung
mit dem Judaismus her, und wenn man
sich die vorauszusetzende Aufhebung des Claudiusedikts
mit allen etwaigen Folgen für den Bestand der römischen
Gemeinde und die weitschauenden paulinischen
Missionspläne vergegenwärtigt, so ist das völlig verständlich
. Von da aus fällt überraschendes Licht auch
auf solche Einzelheiten wie Cap. 13. Die Bemühungen,
mit Hilfe einer anfechtbaren Deutung von dixaioOvvr]&eov
(1,17; 3,21f. = Verhalten Gottes) oder mittels minutiöser
Untersuchung der Betonungsverhältnisse in 3,22
einen Topos „Heilsgeschichte" zu isolieren, führen nicht
zum Ziel. Daß Cap. 6—8 „Herzensgeschichte" enthalten
, gilt jedenfalls nicht in dem Sinn, daß Cap. 1—5
ausschließlich makrokosmisch, die folgenden ausschließlich
mikrokosmisch orientiert wären. Das ist offensichtlich
nicht der Fall. Im Grunde schwebt dem Verf.
wohl der Fortschritt von der juridischen zur organisch
-aktiven Restitution der Gottesgemeinschaft vor.
Wenn es bezüglich Rom. 9 und 10 so gut wie garnicht,
für Cap. 11 nur notdürftig gelingt, die Bedeutung im
Rahmen des Ganzen aufzuzeigen, so hätte diese Warnungstafel
zu einer Nachprüfung der Gesamtanschauung
Veranlassung geben können. Indessen es bleibt das wichtige
Resultat, daß die Heilsgeschichte für Paulus das
zentrale Leitmotiv ist. Hätte der grundlegende Beweis
sich vielleicht an der Hand von Gal. 3 und 4 noch
durchschlagender führen lassen, so gilt er doch auch
für den Römerbrief. Die neuesten Versuche, die Gegensätze
, auf denen die paulinische Theologie sich aufbaut,
dialektisch zu verstehen, sind ebenso unpaulinisch wie
das melanchthonische Schema iustificatio Tvivificatio oder
die beliebte Parallelschaltung von „juridischer" und „mystischer
" Gedankenreihe, Glaube und Christusfrömmigkeit
. Das wirksam gezeigt zu haben, bleibt des Verfassers
Verdienst.

Im zweiten, ausbauenden Teil wird als Vergleichsmaterial
und Folie die Apokalyptik herangezogen, leider
ohne alles Stellenmaterial. Es ergibt sich, daß der Begriff
der Heilsgeschichte bei Paulus universaler gefaßt
ist, nicht trotz, sondern vermöge des paulinischen „Personalismus
". Eigenartig ist ferner die teleologische Zusammenfassung
der an sich heterogenen Größen „Unheils
-" und „Heilsgeschichte". Die scharfe Zuspitzung
des Problems sowohl wie seine Lösung vom Paradox
der göttlichen Selbstbescheidung aus ergibt sich aus der
persönlichen Erfahrung des Apostels. Von hier aus
überwindet Paulus den Dualismus von Gesetz und Evangelium
, d. h. zweier gleich absoluter, sich widersprechender
Gottesoffenbarungen. Von hier aus gewinnt er
eine letzte umfassende Gesamtanschauung. Die zentrale
Bedeutung der Heilsgeschichte für Paulus ist damit nochmals
umfassend nachgewiesen. Fragen kann man, ob
der konkrete Inhalt der Heilsgeschichte genügend berücksichtigt
ist. Es handelt sich für Paulus ja nicht
bloß darum, daß das Verhalten Gottes der Menschheit
gegenüber die Stadien von Zorn und Gnade in teleologischer
Verknüpfung durchläuft, sondern daß Gott den
Übergang vom einen zum anderen in ganz bestimmten
Tatsachen ermöglicht und vollzieht. Aber vielleicht hatte
der Verf. sich nicht die Aufgabe gesteckt, das im einzelnen
zu zeigen. Wie das ganze Buch, so zeugt besonders
auch der zweite Teil von eindringender Gedankenarbeit
, die ohne aufdringliche Absichtlichkeit einen Beitrag
auch zu den gegenwärtig brennenden Fragen liefert.
Leipzig. Albrecht Oepke.