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Ausgabe:

1927 Nr. 14

Spalte:

329

Autor/Hrsg.:

Richter, Carl Roderich

Titel/Untertitel:

Wie das Saargebiet evangelisch wurde. Reformation und Gegenreformation 1575-1690 1927

Rezensent:

Wolf, Gustav

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329

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 14.

330

Dekretistenschule geht Gill mann in dem vorliegenden
Heft, das ein erweiterter Sonderdruck aus dem Archiv
für katholisches Kirchenrecht Bd. 106, 1926 ist, im einzelnen
nach, indem er die Untersuchung gleichzeitig
bis Johannes Teutonicus erweitert. Auch ungedrucktes
Material wird herangezogen. Dabei beweist er m. E. absolut
stichhaltig, daß Sohm sich geirrt hat, wenn er
glaubte, für seine These sich auch auf die ältesten
Dekretisten berufen zu können.

Nun braucht ja an sich die These Sohms selbst von
der Einteilung des Decretum Gratiani nicht hinzufallen,
wenn sich herausstellt, daß seine Nachfolger das Dekret
anders eingeteilt haben, als Sohm es für Gratian selbst
voraussetzt. Immerhin, eine sehr wichtige Stütze ist ihr
genommen, und man wird ihr vorsichtiger gegenübertreten
müssen, als ich es selbst noch in meinen „Studien
zur Geschichte des Konzils von Trient" (Tübingen 1925)
getan habe.

Wie die großen und schwierigen Probleme, die
Sohm aufgerollt hat, im übrigen zu lösen sind, darauf
geht Gillmann, der sich streng auf sein Thema beschränkt
, nicht ein.

Göttingen. Kurt Dietrich Schmidt.

Richter, Pfarrer Carl Roderich: Wie das Saargebiet evangelisch

Wurde. Reformation u. Gegenreformation 1575- 1690. Mit e
Geleitwort v. D. Klingemann u. e. Schiuliwort v. D. Nold
u. Im ig. Im Auftr. d. Kreissynode Saarbrücken als Gabe d. Erinnerung
an die vor 350 Jahren erfolgte Durchführung d. R.far-
mation dargeboten. Mit e. Titelbild u. 10 Abb. u. e. Übersichtskarte
im Text. 2. Aufl. Saarbrücken: Gebr. Hofer 1925. (144 S.)
8°. = Unsere Saarheimat, Bd. 10.

Die Schrift ist eine von der Kreissynode Saarbrücken zum
350jährigen Jubiläum vder dortigen Reformation veranstaltete volkstümliche
Festgabe. Neue, dem Lokalforscher unbekannte Dinge auf
Grund eigener Aktenstudien will sie nicht enthüllen, besitzt aber für
den Leser und Benutzer, welcher sich nicht selbständig in das
Thema eingearbeitet hat und überhaupt den örtlichen Vorgängen
ferner steht, den Vorzug einer guten Zusammenfassung; freilich
muß man mit der Geographie genau vertraut sein. Die Darstellung
gewinnt dadurch an Lebendigkeit, daß sie sich auf Visitationsberichte
stützt, welche nicht nur den Eindruck unbefangener sachlicher Schilderung
machen, sondern auch recht anschaulich sind. Auf der anderen
Seite verliert sich Richter allerdings öfter in Einzelheiten, die
aber vielleicht gerade den engeren Kreis seiner heimatlichen Leser
stärker interessieren als die großen allgemeinen Linien. Übrigens sind
diese vielfach wörtlich zitierten oder in langen Auszügen wiedergegebenen
Quellen nicht nur religions- sondern auch kultur- und
vvirtschaftsgeschichtlich eine bemerkenswerte Fundgrube.

Freiburg/Br. Gustav Wolf.

Bornkamin, Priv.-Doz. Lic. theol. Heinrich: Mystik, Spiritualismus
und die Anfänge des Pietismus im Luthertum.

Gießen: A. Töpelmann 1926. (27 S.) gr. 8°. = Vorträge d. theol.

Konferenz zu Gießen, 44. Folge. Rm. 1.20.

Der Vortrag ist aus Bornkamms größerer Arbeit
„Luther und Böhme" (1925) entsprungen, die ihrerseits
wieder durch Holl angeregt worden ist. Letzterer hatte
der 2. Aufl. seines Lutherbuches einen neuen Aufsatz
„Luther und die Schwärmer" beigefügt und in ihm vor
allem zwei Gedankenreihen verfolgt: 1. hatte er im Gegensatz
zu Dilthey, der in den Schwärmern die eigentlichen
Träger des geschichtlichen Fortschritts, die Propheten
des neuzeitlichen Geistes erblickte, betont, daß
diese sich scharf von der mittelalterlichen Mystik unterschieden
und von Luther erst ihre maßgebenden Anstöße
nicht bloß in den Grundanschauungen, sondern auch
in Einzelheiten erhielten. 2. hatte er eine Art geistigen
Stammbaum der ganzen schwärmerischen Bewegung
durch die Jahrhunderte entworfen und innerhalb desselben
die Abhängigkeiten und Eigenarten der einzelnen
Richtungen und ihrer Vertreter untersucht. Hierbei war
für Holl Thomas Müntzer und der lutherische Ursprung
seiner Gedankenwelt im Vordergründe des Interesses
gestanden; auf die anderen Richtungen hatte er nur
einen flüchtigen Blick geworfen. Bornkamms Buch bezweckte
speziell für Jakob Böhme diese Lücke zu schließen
. Ganz entsprechend dem Programm, welches Holl
für Müntzer ausführte, strebte Bornkamm festzustellen,
welchen Einfluß Luther auf Böhmes spekulatives System
besaß. Er betrachtete erst Böhmes Grundgedanken, erörterte
ihre Fortschritte gegenüber der deutschen Mystik
und, was von diesen Fortschritten auf Luther zurückzuführen
sei und was auf Andere. Zu diesem Zwecke
mußte Bornkamm viel weitergehende Studien machen
als sich in seinem Werke verwerten ließen; denn er
brauchte hierbei die eingehendsten Kenntnisse der verschiedenen
Systeme von Weigel, Schwenckfeld, Joh.
Arndt, Frank usw., um die für seine Untersuchung
brauchbaren Motive herauszufinden. Aus dieser im
Buche darum nur teilweise ausgenützten Beschäftigung
mit der Mystik, dem Spiritualismus und den Anfängen
des Pietismus und vor allem auch aus der notwendig
gewordenen ausgedehnten Lektüre von Quellen und Literatur
erwuchs Bornkamms Vortrag. Da die Zeit für ein
gleichmäßiges Bild des Spiritualismus in der Reformationszeit
, wie es schon Alfr. Hegler plante, noch lange
nicht gekommen ist, greift Bornkamm „eine Reihe lebendiger
Gestalten heraus, die erst in neuerer Zeit in's Licht
gerückt worden ist". M. a. W. er nimmt zu einer Reihe
wissenschaftlicher Veröffentlichungen kritische Stellung.
Das Ergebnis ist das Übliche wie bei allen derartigen
Untersuchungen, die von allgemeineren Ausgangspunkten
1 zu Einzelheiten fortschreiten: es enthüllen sich immer
stärker die besonderen Züge, welche bei der früheren
Gesamtbetrachtung gar nicht erkannt oder wenigstens
stark vernachlässigt worden waren. An einer solchen
Isolierung der entdeckten Mannigfaltigkeiten und Individualitäten
haben es ja auch schon verschiedene frühere
Forscher nicht fehlen lassen. Aber je stärker sich die
gefundenen Unterschiede steigern und vermehren, desto
lebhafter empfindet der Gelehrte das Bedürfnis, ein neues
i Schema zu suchen, unter welches er seine Einzelbeobachtungen
unterordnen kann. So geht denn Bornkamms
Streben, die Reichhaltigkeit und Vielseitigkeit der Gestalten
herausarbeiten, der Wunsch parallel, „diesen Reichtum
zu ordnen". Auch mit diesem Wunsche ist Bornkamm
kein Neuling und er beschäftigt sich in seinem
Vortrag mit den wichtigsten früheren Ordnungsver-
suchen. Aber seine scharfe Zergliederung der Ansichten
i von Troeltsch, Dilthey und neuerdings von Joh. Kühn
i belehrte ihn nicht bloß über die Unzulänglichkeit ihrer
Bemühungen, sondern auch über die Unmöglichkeit,
', trotz seiner eignen eingehenden Spezialstudien das Ver-
; langen einer strafferen Systematisierung zu erfüllen. So
, setzte er sich in seinem Vortrag eine bescheidenere Auf-
; gäbe. Er suchte vorläufig nur einige Zusammenhänge
I heraus, die sich ihm aus seinen Einzelbeobachtungen aufdrängten
, und stellte dem, was er selbst geforscht oder
I der bisherigen Literatur entnommen hatte, andere Gebiete
gegenüber, welche nach seiner Überzeugung noch
bebaut werden müssen und auf deren Pflege er einen
besonderen Wert legt. So enthält Bornkamms Vortrag
neben kritisch gesichteten Forschungsergebnissen wert-
i volle neue Anregungen.

Freiburg i. Br. Gustav Wolf.

; Klemperer, Victor: Die französische Literatur von Napoleon
bis zur Gegenwart. Teil 1 tt. 2. Leipzig: B. G. Teubner 1925
U. 1926. (VII, 288 u. V, 247 S. m. je 2. Bildn. in Kupfertiefdruck
.) gr. 8". = Geschichte d. französ. Literatur, Bd. 5.

je Rm. 10—; geb. 12—.
Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, wenn heute, wo um-
j fassende Gesamtdarstellungen nationaler Literaturgeschichten i. a.
' nur durch die Zusammenarbeit mehrerer zustandezukommen scheinen,
ein einzelner Gelehrter es wagt, die ganze Entwicklung des französischen
Schrifttums aus Eigenem zu bestreiten. Von Klemperers auf fünf
Bände berechnetem Werke sind bisher nur die beiden ersten Teile des
j Schlußbandes erschienen, welche die französische Literatur im Zeitalter
; der Romantik und des Positivismus behandeln. Diese reiche Probe
! genügt um die innere Berechtigung und die ausgeprägte Eigenart des
| Unternehmens zu erweisen und uns auf die Fortsetzung wie auf den
, großen Unterbau des bisher Gegebenen mit Spannung warten zu
lassen. Klemperer, der mit allen Methoden der heute so verzweifelt