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Ausgabe:

1927 Nr. 14

Spalte:

328-329

Autor/Hrsg.:

Gillmann, Franz

Titel/Untertitel:

Einteilung und System des Gratianischen Dekrets nach den alten Dekretglossatoren bis Johannes Teutonikus einschließlich 1927

Rezensent:

Schmidt, Kurt Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 14.

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daß ersterer sich in seinem Briefe überhaupt nicht mit
Paulus auseinandersetzt, vielmehr mit Judenchristen ,,d'
une certaine paresse morale pretendant se legitimer par
la possession de la vraie foi".

Der mittelalterlichen Kirchengeschichte
gehören folgende Aufsätze an: E de Moreau: La '
plus ancienne Biographie de S. Amand, setzt sich mit
Krusch (Mon. Germ., script. rer. Merov. V) auseinander, j
der jene Biographie erst der Karolingerzeit zuwies; nach |
de M. wäre sie in der ersten Hälfte des 8. Jhrh.s ge- |
schrieben, von einem Kleriker der Diözese Noyon, der
als clerc consciencieux nicht en bloc als unglaubwürdig
abgetan werden darf. — Die Untersuchung von C. B a- j
lic: Quelques precisions fournies par la tradition manus-
crite sur la vie, les oeuvres et l'attitude doctrinale de
Jean Duns Scot ist auf der Prüfung handschriftlichen
Materials aufgebaut und stellt fest: 1. ob Guillaume de
Ware der Lehrer von Duns Scotus war, bleibt vorläufig
unentschieden. 2. Duns Scotus verfaßte in Paris einen
Kommentar zu Dist. 1—17 des 3. Buches der Sentenzen, i
wahrscheinlich noch einen Kommentar zum ganzen dritten
Buche.

Der neueren Kirchengeschichte gehört an (
M.Dubruel: Les congregations des Affaires de France j
sous le pape Innocent XL Es handelt sich um die Bekämpfung
der königlicherseits beanspruchten Regalie
über alle französischen Bistümer; der Papst errichtete
1678 une congregation speciale pour l'affaire de la Re- '
gale, deren bedeutendstes Mitglied der künftige Alexander
VIII., Kardinal Pietro Ottoboni, war. Hier unterstützte
man die Opposition der Bischöfe von Alet und j
Pamiers; die Einzelheiten der Verhandlungen werden
geschildert. — J. Carreyre: Le jansenisme pendant
les premiers mois de la Regence. Les negociations avec
Rome, janvier-decembre 1716. Es geht um die Anerkennung
der Bulle Unigenitus, der vom Parlamente und den
Bischöfen, besonders Noailles und Bossuet, Widerstand
entgegengesetzt und behauptet wird trotz päpstlicher Missionen
und Breven. Die Darstellung ist sehr eingehend.

Die den Heften beigegebene Bibliographie ist von
bekannter hervorragender Güte. Nicht minder dankenswert
sind die gut unterrichtenden Notizen über Neuerscheinungen
und Personalien in den einzelnen Ländern
sowie die zumeist ausführlichen Bücherbesprechungen.
Die Zeitschrift steht auf der Höhe ihrer Aufgabe.
Zürich. W. Köhler.

Cu endet, Dr. Georges: L'imperatif dans le texte grec et dans
les versions gotique, armenienne et vieux slave des
Evangiles. Paris: P. Geuthner 1924. (167 S.) gr. 8°.

fr. 30—.

In der neutestamentlichen Sprachforschung ist es
heute selbstverständlich, daß sich die „Tempusstämme"
im Griechischen des N. T.s sogut wie früher bei Homer
oder im Attischen und wie noch heute im Neugriechischen
nach „Aktionsarten" unterscheiden, daß also die Exegese
und die Übersetzung diesen Unterschied aufs genaueste
beachten muß. Allerdings machen die Aktionsarten beim
Übersetzen in unsre abendländischen Kultursprachen beträchtliche
Schwierigkeiten, da die germanischen und die
romanischen Sprachen abgesehen vom Indikativ der
Vergangenheit nicht wie das Griechische Formbildungselemente
haben, um diese Unterschiede auszudrücken,
also zu Umschreibungen, Zusätzen oder Wortstammwechsel
ihre Zuflucht nehmen müssen, wenn sie die
besondere Färbung überhaupt ausdrücken wollen. Anders
die slavischen Sprachen: diese pflegen beim Verbum
den Unterschied zwischen Verlauf und Vollendung einer
Handlung, was im Wesentlichen dem zwischen Präsensund
Aoriststamm im Griechischen entspricht, regelmäßig
zu berücksichtigen. So ist es für uns lehrreich zu beobachten
, wie die Slaven griechische Texte übersetzen, j
Cuendet hat sich den Imperativ im N.T., d. h. alles, was
irgendwie den Sinn einer Willensäußerung hat (also
auch Konj., Opt., Inf., Fut.) ausgewählt und zieht neben

der ältesten slavischen auch die gotische und armenische
Übersetzung heran.

Für Cuendet liegt der Nachdruck auf der Untersuchung
der Art, wie sich die Übersetzer mit den griechischen
Formen abfinden. Es ergibt sich (was für die
Benutzung der Übersetzungen bei der Wiederherstellung
des ihnen zu Grunde liegenden Urtextes grundsätzlich
wichtig ist), daß alle 3 Übersetzungen möglichst getreu,
aber nicht sklavisch oder mechanisch sind: die Aktionsart
wird in der altslavischen methodisch wiedergegeben,
in den beiden andern sozusagen nie berücksichtigt; die
mannigfaltigen Modusfärbungen des Griechischen leiden
in allen 3 Übersetzungen schwer, schon weil diese
Sprachen alle weniger Modi haben. Wichtiger aber ist
für den Neutestamentier, daß Cuendet zum ersten Mal
alle in Betracht kommenden Stellen durchprüft, wobei
natürlich manche Einzelheit ins Licht gestellt wird, zumal
da Cuendet auch Varianten bespricht (besonders
S. 54—56). Hervorheben muß ich die Verteilung von
Präs und Aor bei der prohibitiven 2. Person auf die 4
Evangelien (S. 106f.): während bei Mt. die Zahlen für
Präs. und Aor. 11 und 30, bei Mk. 8 und 12 sind, hat
L. 27 und 19, J.gar 13 und 1. Cuendet erklärt das daraus
, daß die Reden, die L. mitteile, mehr Abmahnungen
vom Typus xkaiere „weint nicht so = hört auf zu
weinen!" (L. 8,52) enthielten als Warnungen vom Typus
uf) fcro^d-fjte „hütet euch davor, Angst zu bekommen!"
(21, 9). Zu dem noch auffälligem Verhalten des J. bemerkt
Cuendet nur, J. eliminiere systematisch den Konj.
Aor. Wenn das rein formal-stilistisch gemeint sein soll,
so bezweifle ich stark die Richtigkeit der Erklärung und
suche lieber in derselben Richtung wie bei L.: die bei
J. überaus häufigen Streitgespräche und Kampfworte
bedingen eine beständige Einstellung auf das „tut nicht
so, wie ihr tut!". Die einzige Stelle mit Aorist (3,7)
zeigt eigentlich dieselbe Sachlage; muß man etwa «f)
&avfiäajjQ erklären „laß dir nicht einfallen, (nochmals)
Erstaunen zu zeigen, daß ich dir gesagt habe (und jetzt
wiederhole) ...•*'?

Hier macht sich der Mangel geltend, der in der wegen des Altslavischen
nötigen Beschränkung auf die Evangelien liegt: die Untersuchung
müßte mindestens fürs ganze NT durchgeführt werden. Die
Möglichkeit, daß bei der Wahl der Aktionsarten neben der objektiven
Sachlage auch persönliche Vorliebe des Schriftstellers mitwirken kann,
will ich keineswegs leugnen: die „Aktionsarten" sind „Aspekte",
Anschauungsweisen, und manche Tatbestände lassen sich verschieden
„anschauen": Mt. 13,18 UKoimtt „nehmt ins Gehör auf!" = Mk.
4,3 axootte „hört zu!" Vgl. Cuendet S. 52—54.

Den hohen Wert der Arbeit für die germanische,
armenische und slavische Sprachwissenschaft darzulegen,
ist hier nicht der Ort. Leider ist die Verbindung von
Verständnis für das N.T. mit philologischer Kenntnis
der Übersetzungssprachen und Beherrschung der sprachwissenschaftlichen
Methode so selten, daß die Untersuchung
von Cuendet schon deswegen freudig begrüßt
werden muß.

Jena. A. Debrunner.

Gillmann, Professor Dr. Franz: Einteilung und System des
Gratianischen Dekrets nach den alten Dekretglossatoren bis
Johannes Teutonikus einschließlich. Unter besonderer Rücksicht
auf Rudolph Sohm: Das altkatholische Kirchenrecht u. das
Dekret Gratians. Mainz: Kirchheim & Co. 1926. (106 S.) 8°.

Rm. 4—.

Rudolph Sohm hat in seinem Buch „Das altkatholische
Kirchenrecht und das Dekret Gratians" versucht,
eine neue Einteilung des Dekrets zu begründen, als seit
Jahrhunderten üblich war. Es soll das letzte große Denkmal
des altkatholischen KR. sein und nichts anderes als
Sakramentsrecht enthalten: Das System der Sakramente
bildet zugleich die systematische Ordnung des Dekrets.
Als Beweis für diese These führt S. auch die ältere De-
kretistenschule an, die das Dekret genau so wie er verstanden
haben soll (Paucapalea, Rolandus Bandinellus,
Stephan v. Tournai). Diesem Beweis S.'s aus der älteren