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1927 Nr. 14

Spalte:

323-326

Titel/Untertitel:

Recherches de Science Religieuse. Tome XVI, 1 - 6 1927

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 14.

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stolische Amt besitzenden Bischöfe, ohne ihn zu nennen,
zu.

S. 16: „Darf ich es paradox ausdrücken, so möchte ich sagen:
das Evangelium war in seinem letzten Kerne, d. h. in seiner geschichtlichen
Wirklichkeit, nicht ein neuer Mythus neben andern, sondern der
erfüllte Mythus". Damit scheint mir die geschichtliche Betrachtung
zu Gunsten des Glaubens verlassen zu sein. Rein geschichtlich gesehen
erscheint eben das Christentum als der letzte, siegreiche Mythus
der antiken Welt. Freilich ist dieser Mythus in der Neuzeit, gerade
durch die Stöße der geschichtlichen Forschung, zusammengebrochen,
aber die Veranstaltung, die er ins Leben gerufen, d. h. die Kirche in
ihren verschiedenen Formen, besteht weiter. „Daß es sich im Christentum
um die unzerstörbare Wirklichkeit eines Erlösers handelt", steht
nicht, dem Historiker, sondern nur dem Gläubigen, dem die Erlösung
Erlebenden fest. Der Historiker muß feststellen, daß der geschichtliche
Beweis für die Erlösung und den Erlöser aus dem typologisch
und allegorisch umgedeuteten A. T„ d. h. mit einem falschen Schlüssel
geführt wurde. — Wenn die Geburt aus einer Jungfrau und ebenso
Niederfahrt in die Totenwelt und Aufstieg in den Himmel aus alt-
testamentlichen Stellen hervorgingen (S. 47 f.), so könnten doch wohl
auch die Auferstehungserlebnisse (S. 46) durch Bibelstellen veranlaßt
worden sein, die wirksam wurden, als man über den Anstoß des
Kreuzestodes hinweggekommen war (Luk. 24,25 ff.). Die vollkommene
Überraschung, mit welcher das Ostererlebnis bei den Zwölfen „auftaucht
", kann apologetische Zuspitzung sein: Paulus weiß nichts
von einer solchen Überraschung. „Künstlicher" als bei den genannten
Lehrstücken ist der alttestamentliche Schriftbeweis für die Auferstehung
auch nicht. — „Theologen" hat das Judenchrisientum allerdings
keine hervorgebracht (S. 55), aber doch den Ansatz zu einer
Theologie: er liegt in der Pfingstpredigt Petri Act. 2,36 vor und
unterscheidet sich von der S. 76 an erster Stelle angeführten
Anschauung nur durch das Fehlen der Jungfrauengeburt. —
Durch ein Versehen ist S. 17 als Holls Todesjahr 1025 angegeben
statt 1026.

München. Hugo Koch.

Recherches de Science Religieuse. Tome XVI. Paris VII (Place
du President Mithouard 5) 1926. (576 S.) gr. 8°. fr. 25—.

Vorweggenommen sei der Bandwurmartikel von J.
C a le s über die Psalmen Asaphs, der sich aus
dem Jahrgang 1925 (siehe diese Ztg. 1926, Sp.340ff.)
in den von 1926 herüberzieht (in den „Notes et Melan-
ges"), ohne hier ganz zu Ende zu kommen.

Ein zweiter von ähnlicher Länge ist der Aufsatz
von L. Cerfaux über die Simonianische Gno-
sis (1925, H. 6. 1926, H. 1, 3/4, 6). Zunächst wird
die Untersuchung über die Quellen fortgesetzt (S. 5
bis 20). Bei den Clementinen findet er, im Unterschied
von Waitz, dem er sonst (wie Harnack) bezüglich der
aus den Hegcodoi Tlirgov und den Krjgvy/.iaTa llevgov
hervorgegangenen Grundschrift zustimmt, an einer bezeichnenden
Stelle die ältere Fassung nicht in den Homi-
lien (II, 23), sondern in den Recognitionen (II, 8).
Ebenso zeigen Recogn. II, 12 und Horn. II, 25, daß die
ürundschrift von den Reisen Simons mit der Luna-
Selene erzählte, nicht mit Helene, wie der Name in den
Horn, lautet. Auch Justin hat in seinem Syntagma vermutlich
von Selene gesprochen, wenn nicht Irenäus, bei
dem die in zahlreichen Handschriften sich findende Variante
Selene nicht wohl aus den Recogn. eingedrungen
ist, selber noch aus den Quellen Justins geschöpft hat.
Die Verschiedenheit des Justin'schen Berichtes von dem
der Klementinen neben der Ähnlichkeit erklärt sich wohl
aus dem Zusammenschluß von zwei Schriften oder Schriftenreihen
, die im Umkreis der palästinischen Küstenstädte
umliefen und von denen die eine den Mythus mit
Selene-Helene nicht enthielt, wie er auch in der kanonischen
Apostelgeschichte fehlt. Von der angeblich von
Simon stammenden 4/c6(paoig iieyälrj besitzen wie wahrscheinlich
(bei Hippolyt) nur zwei wichtige Bruchstücke
und eine oder zwei abgerissene Wendungen. Nach diesem
quellenprüfenden Teil behandelt C. (S. 265 bis
285, 481—503) Kult und Lehren der Simonianer und
kommt dabei zu andern Gedanken, als sie jetzt fast allgemein
angenommen sind. Es ist die heidnische Bevölkerung
Samariens, auf deren Boden sich der älteste
Simonianismus entfaltete. Simon wird ein Zauberer

genannt, und in der Tat gab es da und dort geheime
Verbindungen, die nach Art der Mysterien die Heilige
Hochzeit ihres Hauptes mit der Mondgöttin feierten.
Die Simonianer, bei denen die „Allegorien" alter Bestand
sind, scheinen mit dem Kult der Mondgöttin Erinnerungen
aus Homer u. Stesichorus verbunden zu haben:
so verwandelte sich Selene in Helena, die ihren Anhän-

j gern die göttliche Weisheit vermittelt. Das „verlorene
Schaf" muß nicht notwendig auf das evangelische
Gleichnis zurückgehen, sondern läßt sich auch als Nachhall
alter Kultmythen erklären. Simon hat sich die

| „große Kraft Gottes" genannt, ferner den fotü'ig, womit
ebenfalls eine göttliche Eigenschaft, nämlich die Unver-
gänglichkeit, ausgedrückt ist. Daß er sich auch „Sohn
Gottes" genannt hätte, ist nicht zu erweisen. Jene beiden
Bezeichnungen belassen ihn in Unterordnung unter den
Höchsten Gott. Erst später wurde er in der Überlieferung
unter gnostischem Einfluß mit diesem ineinsgesetzt.
Von Haus aus aber gehörte Simons Religion nicht zum

j „Gnostizismus", sondern sie war eine auf heidnischen
Mythen und Magie beruhende Gnosis.

Des Weitern vermehrt und verstärkt G. Bardy
in H. 1 (S. 21—28) die Gründe, die schon K. Holl
gegen die Mauriner, Garnier und Ceillier zu Gunsten
der Echtheit der Predigt des hl. Basilius A d -
versus eos qui per calumniam dicunt dici a nobis
deos tres (Mi. PG. 31, 1488—1496) vorgetragen hat;
nur der Schlußabschnitt unterliege einigen Bedenken.

j S. 40—42 will Pr. Schepens das xfarjtbg dicvorolog in
Rom. 1,1 und Cor. 1,1 als zwei Zusätze erklären:
berufen (zum Christentum), Apostel; ebenso dasxAjjrotc
ayioig Rom. 1,7 und 1. Cor. 1, 2. — S. 43—55 berichtet
A. Cond am in S. J. über Veröffentlichungen zur babylonischen
und assyrischen Religion, S. 56—96 bespricht
A. d'Ales die neuesten Werke über die Lehre der
Franziskaner und der Thomisten und zur Sakramentenlehre
.

In H. 2 beginnt J. de Blic (S. 97—119) einen
Aufsatz über „die Erbsünde nach dem hl. Augustinus
", der aber in diesem Jahrgang keine Fortsetzung
mehr findet. Was er zunächst bietet, ist noch
keine Darstellung der Lehre Augustins über diesen
Punkt, sondern ein Überblick über die Deutungen, die
sie seit dem 12. Jahrhundert bis in die Gegenwart gefunden
hat. — Hierauf behandelt P. Dudon das Exa-
| men secret et amiable de l'Explication des maximes des
Saints apres sa parution' (S. 120—141) d. h. die dem
offenen Streit über das anstößige Buch F e n e 1 o n s
vorausgehenden, sechs Monate währenden stillen und
freundschaftlichen Verhandlungen, die nach D.s Ansicht
bei größerer Zugänglichkeit Fenelons zu einer Verständigung
hätten führen können. Anlaß zur Darstellung dieser
weniger bekannten Vorgänge boten die kürzlich in der
„Revue de France" veröffentlichten Memoiren des damaligen
Pfarrers von Versailles, d'Hebert, dessen Angaben
aber in manchen Punkten berichtigt werden. —
S. 148—165 sucht Ch. Martin S. J. als wahrscheinlich
zu erweisen, daß eine unter dem Namen des Chrysosto-
mus überlieferte, von Savile unter den Spuria veröffentlichte
Predigt negl rov näaya (Mi. PG. 59,735—746)
von Hippolyt stamme und die von Eusebius hist.
eccl. VI 22 aufgeführte zweite Schrift ztsgl rrw itäaya
sei. Er kommt zu diesem Schlüsse durch einen Vergleich
der Predigt mit Bruchstücken jener Schrift in der Lukas-
katene des Niketas, in der Sammlung von Väterstellen
des Timotheus Ailurus und in den Akten des Laterankonzils
v. J. 649, sowie durch innere Gründe (Terminologie
, Gedankenähnlichkeiten). Zum Schluß spricht
er die Vermutung aus, daß von den acht Predigten
rcegi xov uaoya , von denen die genannte die sechste
ist, die sechs mittleren von demselben Verfasser herrühren
und in der Karwoche und am Ostertage gehalten