Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1927 Nr. 13

Spalte:

310-311

Autor/Hrsg.:

Litt, Theodor

Titel/Untertitel:

Individuum und Gemeinschaft. Grundlegung der Kulturphilosophie. 3., abermals durchgearb. u. erw. Aufl 1927

Rezensent:

Wehrung, Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

309

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 13.

310

einleitet, daß, es mögen die Bekenntnisschriften strenger L,tt> Theodor: individuum und Gemeinschaft. Grundlegung d.
Oder milder gedeutet werden, die PtllCht des 1 rarrers Kulturphilosophie. 3., abermals durchgearb. u. erw. Aufl. Leipzig:
ist, sie zu kennen, scheint mir wie die sich daran anschhe- b. q. Teubner iq-26. (xu, 416 S.) 8». Rm. ll—; geb. 13—.
ßende Betrachtung über die Bekenntnisverpflichtung der Wenn der Verfasser im Vorwort dieser 3. Auflage
schwierigen Frage nicht gerecht zu werden Man yer- erklärt< daß die Neubearbeitung Grundlinien und Kernmißt
überhaupt im ganzen Buch eine klare Disposition, , geha)t der voraufgehenden Darstellung unangetastet
eine scharfe Herausarbeitung des Charakters des morgen- , lassC) aDer siqh bemühe) die Grundanschauung allsei-
landischen, römisch-katholischen und evangelischen Cnn- tiger m entfaiten und klarer zu entwickeln, so kann un-
stentums, von dem aus Lehre, Verfassung, Kultus und sere Anzeige auf Grund einer vergleichenden Durchsicht
Leben in den einzelnen Kirchen verstandlich werden, j das nur bestätigen. Erweitert im angegebenen Sinn sind
Aber diese Ausstellungen vermögen doch den Dank ^ VQr aUem die methodische Einleitung und etwa die
nicht zu mindern für das reiche Tatsachenmaterial, das j erste Hälfte des Buches, also vor allem die grundlegender
Verfasser in seinem Buch verarbeitet hat. Durch seine 1 den Tei)e) wahrend die zweite Hälfte stärker mit dem
umfassenden und zuverlässigen statistischen Angaben aiteren Entwurf übereingeht. Von Anfang an zeigt sich
über den gegenwärtigen Stand der Kirchen »st es für : Verf bestrebt, über die zuvor schon gehandhabte dia-
Studenten und Pfarrer ein unentbehrliches Hilfsmittel j ^tische Methode seiner Phänomenologie genauer Aus-
zum Studium, das wir warm empfehlen mochten. | kunft zu geben (S. 17 f., 21, 37, 42, 49, 59, 74, 107,

Münster i/W. G. Grützmacher.

Tal co, Prof. Mario: Introduzione allo studio del „Codex iuris
canonici". Turino: Fratelli Bocca 1925. (XIX, 326 S.) gr. 8°. =
Nuova Collezione di Opere Giuridiche Nr. 230. L. 36—.

1918 hat Ulrich Stutz unter dem Titel „Der Geist j Strukturprinzipien der kulturellen Lebenswirklichkeit nur

120, 152 etc.). Es ist die Methode, die der mechanistischen
Scheidung und jeweiligen einseitigen Verabsolutierung
der Momente eines polar strukturierten Ganzen die
Einsicht in ihre dialektische Wechselbedingtheit entgegensetzt
(S. 364 = 2. A. 221), die Einsicht, „daß die

des C. J. C." eine Art allgemeiner Einführung in den , durch ein Denkverfahren erfaßt werden können, das in
neuen Codex der katholischen Kirche vorgelegt. Wie | Begriffen von ideierender Allgemeinheit Gegensätze aus-
Stutz ausdrücklich betont, kam es ihm dabei aber nicht | spricht, um sie in ebensolchen Begriffen synthetisch zu
auf Vollständigkeit an; er wollte nur in den „Geist" : überwinden" (S. 378 = 2. A. 233). Aufgabe dieser Me-
des neuen Gesetzbuches einführen. Außerdem ist sein ! thode ist, die alles geistige Leben durchziehenden struk-
Buch inzwischen längst vergriffen. So ist es zu begrüßen, j turellen Grundmotive herauszuklären. Wenn davon die
daß Falco jetzt eine neue Einführung in den Codex Frage nach dem Gehalt, nach der inhaltlichen Erfüllung
veröffentlicht, die zum ersten Mal versucht, Vollstän- ! unterschieden wird (S. 34, 217, 371), so möchte ich zu
digkeit zu erreichen, soweit das für eine Einführung mög- j bedenken geben, ob von Litt mit Recht Struktur und
lieh ist. F. behandelt zunächst die allgemeinen Quellen | Wesen ohne weiteres gleichgesetzt sind (z.B. S. 137), ob
des Kirchenrechts und die Beweggründe, die zur neuen nicht die spezifische Wesensfrage, die sich jenseits der
Kodifikation geführt haben, die Kodifikationsarbeit ; Strukturfrage erhebt, erst den endgiltigen Zugang zu
selbst, den Stoff, die Technik und das System des : einer Metaphysik des Welterlebens eröffnet. Gewiß
Codex sowie das Verhältnis des Codex als ganzem zum , würde die Beantwortung dieser Wesensfrage vollends
alten KR. Nachdem dann die verschiedenen Größen | auf, obschon sachlich begründete, persönliche Entschei-
besprochen sind, die nach dem Codex Rechtsquellen bil- dung zu stellen sein; es wäre dabei auch die Frage der
den können, wird an den wichtigsten Punkten im ein- I Vorordnung eines Sinngebietes nicht so schnell abgetan,
zelnen anzuführen gesucht, welche Neuerungen der Co- j als es hier geschieht (S. 372 f.), sie würde auch als sach-
dex gegenüber dem alten Recht gebracht hat, z.B. im lieh notwendig und bedeutsam erkannt werden. Eine
Verhältnis von Klerus und Laien, in den kirchlichen weitere Emanzipation von Husserl, als sie von Litt schon
Ämtern, in Bezug auf die Ehe, auf das kirchliche Straf- i vollzogen ist, würde der Sache selbst vielleicht zu gute
recht und das kirchliche Prozeßverfahren. Daraus er- j kommen. Wie dem nun sei: Methode und Ausführung
gibt sich F., wie er im Schlußkapitel feststellt, daß ! sind hochbedeutsam und vielverheißend. Überwunden
die Bedeutung des Codex nicht in dem liegt, was er an : wird hier ebensosehr eine mechanisierende logische Abmateriellen
Neuerungen gebracht hat, sondern in der straktionsmethode als aller Naturalismus, dem Verf. mit
Kodifikation als solcher. j Nachdruck in alle Schlupfwinkel nachgeht. Hier bahnt

Obwohl ich die Bedeutung des Codex für das kirch- sich ein neuer Idealismus an, der im Unterschied zu un-
liche Leben auch in materieller Hinsicht für größer serem klassischen Idealismus sicherer imstand ist, die
halte, als F. es tut (ich erinnere nur an die Machtver- Aufklärungsmomente hinter sich zu lassen. Nicht ein in
ringerung der Pfarrer zugunsten der Bischöfe), stehe ; transzendentaler Abstraktion von allem Konkreten mög-
ich nicht an, F.s Arbeit als sehr brauchbar zu bezeichnen. ; liehst befreites Ich bildet den Ausgang, sondern ein ganz
Einmal kommt ihm, etwa gegenüber Stutz, natürlich zu ' in seiner konkreten Situation und Lebenserfülltheit er-
gut, daß er schon eine reiche Literatur über den Codex faßtes Ich, das wirkliche Ich mithin, dessen strukturelle
verarbeiten konnte. Zudem steht er dem neuen kirch- Bedingtheiten dialektisch ermittelt werden. Der deutsche
liehen Gesetzbuch durchaus unbefangen gegen- | Idealismus teilte dagegen mit der Aufklärung weithin
über, wie die Fülle von kritischen Äußerungen über die noch die Hochschätzung der inhaltsfreien Form; er suchte
materielle wie über die legislative Seite des Codex be- , von der abstrakten Form zum konkreten Leben hinzuweist
, die das Buch durchzieht. Darüber, daß die Be- ' gelangen, was nie ohne Gewaltsamkeit möglich war, viel-
merkungen im zweiten Teil zu summarisch sind, als daß mehr dazu führte, einem dünnen Begriffsgerüst eine
sie das Einzelstudium ersetzen könnten, wird sich F. ja große Last aufzubürden. — Beim Lesen des Buches ist
selbst klar sein. Er hat ja auch nur eine „Einführung" mir von neuem aufgefallen, wie sehr sich Verbindungs-
zu geben beabsichtigt. Die gibt er aber auch in der Tat. fäden zum jungen Schleiermacher hin ziehen lassen, der
So ist es bedauerlich, daß die Sprache in Deutschland eben selbst in seinen romantischen Jahren fruchtbare
viele abhalten wird, das, was diese Einführung bietet, Ansätze zur Überwindung des Aufklärerischen im Idealissich
anzueignen, ehe sie mit dem Studium des Codex ; mus zeigte. Litt weist selbst nunmehr auf diese Berüh-
selbst beginnen. Eine gewisse Kenntnis des KR. setzt ' rung hin. Seine Ausführungen über die symbolisierende
freilich auch Falco schon voraus, besonders für seinen Tendenz des Lebens erinnert jeden Theologen auch so-
zweiten Teil — vielleicht für eine Einführung schon zu- j fort an den späteren Schleiermacher, bei dem offenbar

viel

Der Druck läßt zu wünschen übrig.
Güttingen. Kurt Dietrich Schmidt

immer noch neben manchem Veralteten Lebendiges zu
finden ist. Merkwürdig ist mir von neuem, daß diese
Phänomenologie Litts kein Bewußtsein davon zeigt, wie
sehr sie Class in wichtigen Gesichtspunkten nahekommt,