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Ausgabe:

1927

Spalte:

12-13

Autor/Hrsg.:

Haebler, Konrad

Titel/Untertitel:

Handbuch der Inkunabelkunde 1927

Rezensent:

Clemen, Otto

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L2

auch durch die Abweichungen vom cyprianischen Bibeltext nicht geboten
erscheint. Besonders reizvoll ist die gegen die Macrobius-
Hypothese Morias und Harnacks gerichtete kritische Erörterung
von De singularitate clericorum (Kap. 12, S. 426—472). Harnack
selbst hat uns inzwischen (Mission, 4. Aufl., 498 f.) wissen lassen,
daß er seine Hypothese erschüttert fühle. Sie ist in der Tat nicht
aufrecht zu halten. Koch räumt die angeblichen Gründe für die Abfassung
in einer Sonderkirchc hinweg (vor allem die Folgerungen aus
den contemptores in cp. 34) und zeigt, daß ein zwingender Grund,
die Schrift ins 4. Jahrhundert zu rücken, nicht vorhanden ist. Lehrreich
ist, daß er gegenüber Harnacks zuversichtlicher Behauptung, daß
in sing. Cyprian nicht benutzt sei, an der Hand ausführlich dargelegter i
Parallelen den Nachweis des Gegenteils antritt und sogar sagen zu
dürfen glaubt, daß s:ng. von cyprianischen Gedanken durchtränkt
sei. Lehrreich deshalb, weil sich dabei wieder die Notwendigkeit
einer bis in's einzelnste gehenden Beschäftigung mit dem Sprachgebrauch
aufdrängt, ehe man zur litcrarkritischen Hypothese greifen
darf. Man hat bei Koch, wie ich schon eingangs andeutete, das
wohltuende Gefühl, sich in dieser Beziehung geborgen zu wissen. |

Ich habe oben die Besprechung des 6. Abschnittes j
(S. 211—285) ausgeschieden, um die Erörterung der
literarkritischen Fragen nicht zu unterbrechen. In diesem
Abschnitt wird „die Bußfrage bei Cyprian" noch einmal
zur Diskussion gestellt. Es handelt sich um Fortführung
der schönen Studie Kochs über Kallist und |
Tertullian in den Heidelberger Sitzungsberichten von I
1919. Wie er hier der Ansicht, daß es sich bei dem I
„Edikt" Kallists (er muß der „Editor" sein) um eine I
Neuerung handelt, nach meiner Meinung zum Siege ver- j
half, so scheinen mir die entsprechenden Darlegungen
bezüglich der Wiederaufnahme der Lapsi nach der de- j
cischen Verfolgung zu dem gleichen Ergebnis zu führen, i
Gerade hier bewährt sich Kochs vorurteilsfreie Methode
. Überzeugend werden die Wandlungen in Cyprians
eigener Stellung aufgezeigt. Man könnte als unvoreingenommener
Leser den Eindruck gewinnen, daß Koch j
dabei offne Türen einrenne, wüßte man nicht, mit welcher
Hartnäckigkeit dogmatische Befangenheit diese
Türen geschlossen hält. So wird man ihm für diese
Studie besonders dankbar sein müssen. Es ist schon so j
gewesen, wie er es fein formuliert (S. 263): „Während
Tertullian sich der kirchlichen Entwicklung trotzig entgegenstemmt
und der nachgiebigen Kirche zornig den
Kücken gekehrt hatte und so an seinen Grundsätzen —
kirchlich gesprochen — zugrunde gegangen war, machte j
Cyprian die kirchliche Entwicklung mit und gab im j
Verein mit der Kirche Grundsätze auf, an denen die
Kirche zugrunde gegangen wäre."

Der Verfasser hat sein Buch „Karl Holl zum 60. !
Geburtstage" gewidmet, dem großen Forscher, mit dem
ihn „seit 25 Jahren wissenscnaftliche und persönliche
Beziehungen verbinden". Nun muß es „verbanden"
heißen. Der Referent, bei dem diese Beziehungen bis
in die Zeit vor 40 Jahren zurückreichen, kann jenes j
Wort nur mit Wehmut niederschreiben.

Gießen. G. Krüger.

Kaiinka, F.: Die älteste erhaltene Abschrift des Verzeich- J
ntsses der Werke Augustiiis. Wien: Hölder-Pichler-Tempsky
1925. (34 S.) gr. 8°. = Akad. d. Wissensch. in Wien. Philos.-
fabter. KL, Sitzgs.-Ber., Bd. 203, 1. Abhdlg. Rm. 1.20.

Die berühmte Handschrift in Verona XXII 20 mit Hieronymus-
Gennadius, de viris illustribus enthält am Sehluße der Vita Augustins
das von Possidius angefertigte Verzeichnis seiner Schriften Da die
Handschrift (Halbunciale) der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts angehört,
«D haben wir es zu tun mit der ältesten Abschrift des Verzeichnisses
und schon deswegen ist die genaue Kollation, die Kalinka vorlegt, von
Bedeutung. Selbstverständlich verzeichnet K. die verbessernden Nachträge
einer späteren Zeit und löst die tironischen Zeichen , in denen
die Mehrzahl dieser Verbesserungen gegeben sind, auf. Er setzt diese
durchgreifende Verbesserung in die Zeit um 900. Die Hauptsache
ist aber doch, daß er aus dem Charakter des ursprünglichen
Textes glaubt schließen zu können, daß wir in ihm wahrscheinlich die
ursprüngliche Gestalt des Schriftenverzeichnisses vor uns haben, was
um so wichtiger ist, als uns das Verzeichnis nahezu 200 Schriften
nennt, die nicht erhalten geblieben sind. Möchte uns bald im Wiener
Korpus die in Aussicht genommene Ausgabe des Schriftenverzeichnisses
auf Grund aller Handschriften geboten werden.

Kiel. G. F i c k e r.

Kehr, Paul: Papsturkunden in Spanien. Vorarbeiten zur Hispania
Pontificia. I: Katalanien. i: Archivberichte; 2: Urkunden und Re-
gesten. Berlin: Weidmann 1926. (586 S.) 4°. = Abhandlungen d.
Gesellsch. d. Wissensch. zu Göttingen. Philolog.-histor. Klasse,
N. F. Bd. 18, 2. Rm. 18—,

Der Zweck dieser Berichte ist, in erster Linie den
deutschen Historikern eine Übersicht zu geben über die
Archive und über die historische Literatur Spaniens, zunächst
Katalaniens, und ihnen die dort erhaltenen Papsturkunden
bis zum J. 1198 zugänglich zu machen. Es ist
erstaunlich, wie reich die Ausbeute gewesen ist, die
Kehr und seine unter seiner Leitung arbeitenden getreuen
Mitarbeiter bei der Erforschung der spanischen Archive
nach ihren Beständen an Rapstuirkunden gemacht haben.
Die Arbeit war nicht leicht und nicht einfach. Denn es
galt nicht nur die spanischen Archive im Einzelnen und
das spanische Archivwesen im Allgemeinen gründlich
kennen zu lernen, sondern auch die gesamte spanische
historische Literatur, die in Deutschland naturgemäß
wenig verbreitet und wenig bekannt ist, durchzuarbeiten
und auch sie zu untersuchen auf ihre Bestände an
Papsturkunden bis zum Jahre 1198 hin. Denn auch die
Jaffcschen Regesten in ihrer zweiten Auflage sind, was
die spanischen und die in der spanischen historischen
Literatur veröffentlichten Papsturkunden betrifft, sehr
unvollständig. Darum ist es besonders erfreulich, daß
Kehr sämtliche nicht bei Jaffe-Löwenfeld verzeichneten
Urkunden und Briefe als Inedita aufgenommen und gedruckt
hat, um den deutschen Benutzern das Suchen und
das umständliche Nachschlagen in der uns bisher fast
unzugänglichen spanischen Literatur zu ersparen. Es
ist also ungewöhnlich viel Neues, was hier der historischen
Forschung zugeführt wird, und es ist nicht nur
für die lokale Kirchengeschichte von Wichtigkeit; es
werden reichlich universale kirchliche Gesichtspunkte
berührt. In den Bemerkungen zu den einzelnen Stücken
hat Kehr immer das Nötige und Wichtige mit seiner
umfassenden Sachkenntnis hervorgehoben. Er hat auch
in einer eindrucksvollen Abhandlung die für die große
Geschichte wichtigsten Ergebnisse seiner neuen Funde
und Forschungen vorgelegt: Das Papsttum und der
katalanische Prinzipat bis zur Vereinigung mit Aragon.
Aus den Abhandlungen der preußischen Akademie "der
Wissenschaften. Jahrgang 1926. Phil.-bist. Klasse. Nr. 1.
91 S. 4°. Wichtiger und lehrreicher aber noch als der
2. Band des vorliegenden Werkes, der die auf Katalanien
bezüglichen neuen Urkunden und Regesten (im Ganzen
275 Nummern) enthält, scheint mir der erste Band zu
sein, der nicht nur die in betracht kommenden Archive
und ihre Bestände im Einzelnen beschreibt, sondern
über das spanische Archivwesen im Allgemeinen berichtet
und eine Einführung in die historische Arbeit und
die historische Literatur Spaniens ist. So ist also ein
fester Grund gelegt für die Hispania pontificia, und es
ist zu hoffen, daß Kehr, der diese große Arbeit durch
seine unermüdliche Tatkraft bezwungen hat, auch die
weitere noch zu Ende führen kann. Es ist ferner zu
hoffen, daß die deutsche Forschung sich noch eingehender
als bisher der Kirchengeschichte Spaniens zuwendet;
auch für die Zeit von 1198 an bietet das vorliegende
Werk eine brauchbare Grundlage.

Kiel. O Fickcr.

Haebler, Konrad: Handbuch der Inkunabelkunde. Leipzig:
K. W. Hiersemann 1925. (VIII, 187 S.) gT. 8°. Rm. 12—; geb. 14—.
Wenn der Verfasser am Schlüsse des Vorworts,
in dem er über die Entstehung dieses Handbuchs berichtet
, der Hoffnung Ausdruck gibt, „daß es seinen
Zweck, über diesen besonderen Zweig der Bücherkunde
einleitend zu orientieren, nicht ganz verfehlen wird",
so kann er versichert sein, daß er diesen Zweck vollkommen
erreicht hat. Er unterrichtet uns auf Grund genauester
Kenntnis über Begriff und Abgrenzung der Tn-
kunabcldruckzeit, über die Geschichte und Literatur der
Inkunabelforschung, über die Geschichte des Frühdrucks,