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Ausgabe:

1927 Nr. 12

Spalte:

285-286

Autor/Hrsg.:

Kremer, Josef

Titel/Untertitel:

Kritik der Vernunftkritik 1927

Rezensent:

Knittermeyer, Hinrich

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285

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 12.

286

denzen hätte zuverlässiger unterrichten können. Außer- erstreckt hat. Denn er hat es gelernt, mit Kant zu philo-
dem benutzte er im Ragguaglio stellenweise die sog. sophieren. Auch die Sonderfrage erhält ihre Beant-
Quaestio iugata, d. h. ein wahrscheinlich von den Prager wortung immer im Hinblick auf das Ganze der Kan-
Jesuiten herrührendes Gutachten, ob gemäß dem Wun- tischen Philosophie. Die leitende Gesamtauffassung ersehe
des Kurfürsten von Sachsen die Ausweisung der 1 gibt sich ihm aus dem Verhältnis zum Rationalismus,
lutherischen Prediger auf einen allgemeinen Reichs- oder dessen Überwindung er als den tiefsten Sinn der abend-
Fürstentag verschoben werden sollte oder nicht. Endlich ländischen Geschichte der Philosophie bezeichnet. Leibhat
Kollmann als Quelle Carafas die berühmte Denk- niz hat in dieser Richtung mit der Trennung der geo-
schrift Minuccis für Sixtus V. nachgewiesen. ! metrischen und moralischen Notwendigkeit den ersten
Nach diesen Forschungsergebnissen Kollmanns wird Schritt getan. Kant hätte zum Vollender der Aufgabe
Carafas Methode nicht gerade als gründliche Arbeit an- der Philosophie werden können, wenn er nicht doch
gesehen werden können und KolTmann selbst urteilt, i „sensualistischen und nominalistischen Anwandlungen"
daß der Nuntius sich mehr bei den Adressaten einschmei- nachgegeben und den exakter: Wissenschaften ein zu
cheln als ein unbefangenes Bild entrollen wollte. tiefgehendes Interesse bekundet hätte. Trotzdem hat
Freiburg i. Br. Gustav Wolf. ; Kant das Hauptproblem seiner Philosophie, das in der

Frage nach der „Reinheit der Vernunfterkenntnis" be-

Ghose, Präs. J. C: Positive Religion. Deutsche Ausgabe im g^ht, unbeirrt festgehalten. Nur hat er den ontischen
Auftrag d. Verfassers von Otto S t r a u ß. München: E. Rem- und ob]ektivcn Sinn der Idee verfehlt. Er hat die Ver-
hardt 1926. (VII, 452 S.) gr. 8«. Rm. 13-; geb. 16-. £f ^ z iffen ta Verstandes bewahrt, aber
Ghose's „Positive Religion" ist von mir Theo!. LH. Ze.tg. 1922 : die verständige Kritik selbst belastet doch die Ideenlehre
XX Sp. 434 ff. besprochen. Für den sachlicher. Inhalt Buch. . ^ . , ^ationa,jsm als daß sje ■„ der schöpfe.
darf ich also einfach auf die Darlegungen dort verweisen. Auch dies, . , -u u u • z • j
daß es nur als Dokument der Einwirkung europäischen Denkens auf , nschen Intuition" ihrer wahren Heimat mne zu werden
die indische Geisteslage, aber nicht als eigne wissenschaftliche Leistung I vermochte. Die „Lehre vom Ideal" erscheint dem Verf.
von Interesse ist, ergibt sich schon aus dem dort Gesagten, braucht daher begreiflicherweise als das Erbteil der Kantischen
darum jetzt, wo es als deutsches Buch erscheint, nur kurz in Er- Lehre, an das anzuknüpfen sein wird. Alle Erfahrung
innerung gebracht zu werden. j muß der Idee dienen, und ihr höchster Sinn ist, „alle
Bleibt die Beurteilung der Übersetzung. Sie ist z. T. frei; : Dinge in Gott zu schauen". Hinter Kant wird von
Ghose s. 13 ichare and leaming wird z. B. s. 13 mit beschauliche i neuem Augustin sichtbar. Der wirkliche Wert der Unter-
Ruhe" s. 20 racial S.15 mit „stammhaft" wiedergegeben; an bc ! such ^ t aber doch nicht in diesem jhrem d
stimmthen hat das Buch etwas verloren. Sie hat ferner an den (zum .. .» m. , . . ., . , _, "
Glück wenigen) Stellen, wo Ghose auf deutsche Denker kommt, nach ! ^"^^
eigener Einsicht übersetzt, statt auf die eigentümlichen Wendungen
der Betreffenden zurückzugreifen; so ist S. 239 ( = Ghose S. 413) bei
Schleiermacher absolute Abhängigkeit st. schiechthinnige Abhängigkeit
gesetzt. Doch werden diese Belanglosigkeiten durch das

meist schöne reine Deutsch des Obersetzers so gut wie aufgewogen. , . . ,

ir, „ „ j u • . uj „ . . . „, , b. . Re hgion d. Gocthezeit u. ihrer gegenwart. Bedeutung. Gotha: L.

Etwas andres hingegen ist zu bedauern. Bei den Zitaten Ghose's sind JTq * IY ,7 „. a0 pm 9_

die Quellenangaben gestrichen — nach dem Vorwort deshalb, weil Kl0,z iyi0' UA> 5' *■* 8 ' . '

sie sich meist auf englische Bücher beziehen und deshalb für deutsche Die Inbrunst, mit der Bornhausen immer von Neuem

Leser kein Interesse haben. Ob der Obersetzer sich klar gewesen ist, 1 das religiöse Zeugnis des deutschen Idealismus VCrkÜn-

daß er damit aussprach, Gelehrte würden unter den deutschen Lesern ! det, hat etwas Erschütterndes. Je entschiedener man die

des Buchs nicht sein? Im übrigen gehört zu der so behandelten idealistische Illusion zu durchschauen beginnt, um so

Literatur auch - d.e Bibel; auch erstreckt sich die Weglassung : leidenschaftlicher kämpft er für den in der Dichtung und

auf einen Teil der Anmerkungen. - - - ........

keit, mit der die Kantischen Probleme in ihr heraustreten.

Bremen. H. K n i 11 e r m ey e r.

Bornhausen, Karl: Wir heißen's fromm sein. Ein Beitr. z.

Göttingen. E. Hirsch.

Philosophie der idealistischen Zeit lebendigen „deutschen
Christenglauben.'' Man muß wohl Widerspruch
erheben, wenn Luther als „Gestalt und Symbol unserer
Rintelen, Dr. phil. Fritz-Joachim v.: Pessimistische Reiigions- ach so fernen schier knabenhaften Jugend" bezeichnet
Philosophie der Gegenwart. Untersuchung z. religionsphilos ; . d Man muß so skh entsetzen, wenn man liest:
Problemstellung bei Eduard von Hartmann u. ihre erkennt- : ' ah.-- 6 ... , ,, ,. , r^t. ■ ,
nistheoret. metaphys. Grundlagen. München: Dr. f. A. Pfeiffer < »An unseren Altaren ertont allsonntaghch Chnstenan-
8t Co 1924 (xvi m S) gr. 8°. Rm 6— j betung in Griechenberedsamkeit. Luther hat gewiß sehr
Das Buch beruht auf einer gründlichen Kenntnis der Hart'- oft dit SPraCAhue deS «'-llbens ZU vollendetem Deutsch
mann'schen Philosophie. Schon äußerlich beweist die weitgetriebene i gemeistert. Aber erst der große deutsche Idealismus
Gliederung eine tiefgehende Durchdringung des Stoffs. Wir erhalten schafft die lins eigene deutsche Sprachgewalt, ZUr Ver-
jedoch nicht nur eine systematische Darstellung der pessimistischen ehrting des Höchsten wahrhaft würdig." Denn es han-
Religionsphilosophie, diese wird vielmehr in den breiten Strom des delt Sich doch Um Offenbarung, und nicht Um Sprachneuzeitlichen
Denkens hineingestellt und von den verschiedensten j meisterschaft, wenn wir am Sonntag Morgen uns unter
Seiten her beleuchtet. Damit verbindet sich eine fortlaufende Stellung- i das Oerkht Und die Gnade des Wortes Gottes gestellt
nähme des Verfs. So setzt sich das Werk aus drei eng miteinander ! fjnden

verknüpften Linien zusammen: Stoffdarbietung, Auseinandersetzung 'uor ,„0„„ a- i/v:*m ...^ ot» ir-^^a a uli

mit anderweitigen Auffassungen, Kritik. Auf diese Art kommt ab und t u u^a ^u^' u ii **** ^zu f*^

zu doch etwas Unübersichtliches in die Darstellung hinein. Vielleicht lst> Rechenschaft darüber geben soll was sie an der

wäre es angebracht, bei gleicher Stoffbeherrschung und Gelehrsam- : Arbeit erfahren hat, ZU der Sie Stellung nimmt, dann

keit künftighin den Reichtum der Gesichtspunkte etwas einzuschränken wird sie trotzdem gerade in einer Zeit, die nun VOll dem

und straffer zu organisieren. Sachlich können wir uns mit der Auf- Idealismus nichts mehr glaubt lernen ZU können, Bom-

fassung des Verfs., der das Wertvolle beim Gegner anerkennt und frucht- hausen danken, und von ihm sich Sagen lassen, Was

bar zu machen sucht, aber doch sehr bestimmt den christlichen Klassik und Romantik einem ihnen ganz Ergebenen be-

versfanHe p» t'S!", M~as vertritt, weitgehend ein- zeugen. Chronos, Pncuma und Eros sind die drei Sym-

erstanden erklaren. Das Buch, das C . Baeumker gewidmet ist, berück- i_ 1 .,„i„ j ' „ „Au„ u r~ ■■ • 1 ü u J ,

sichtigt sehr stark die katholische Literatur, die" synthetisch einord- '■ ^! ^»^T f goethescher Frömmigkeit begvern^U

"ende katholische Methode, das kirchliche ideal der traditionell- ' Spiel und Rhythmus, Sinn und Klang bringen den bchritt

organischen Weiterbildung des Geisteslebens, überhaupt den katho- dei" Zeit ln ihrem Verhältnis ZU Tod Und Ewigkeit in

'■sehen Standpunkt. „Schwager Kronos" und „Wanderers Sturmlied", im

Gießen. Heinrich Adolph. Fragment „Prometheus" und in „Der Zauberflöte zwei-

~------ tem Teil" tief zum Ausdruck, und die deutsche Musik

Kremer> Josef. Kritik der Vernunftkritik. Neun Abhdign. z. ^ hat das ihre getan, um im Rhythmus der Zeit die Ueber-

ioo-'schfn Philosophie. Mit e. Wörterverzeichnis. Erfurt: K. Stenger ! windung der Zeit zu feiern. Ein größeres „Lebens-

m 194 s) gr' rm' 9_; geb' 10_- symbol" aber ersteht im Geist. Aus den „Geheimnissen"

. Man glaubt es dem Verfasser dieser Schrift, daß läßt sich vernehmen, daß „Sozialgeist" und nicht das

seine Arbeit an Kant sich über einen langen Zeitraum | Dogma Kirche und Gemeinschaft baut. „Diese Ge-