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Ausgabe: | 1927 Nr. 12 |
Spalte: | 276-277 |
Autor/Hrsg.: | Bergh van Eysinga, G.-A. van den |
Titel/Untertitel: | La littérature chrétienne primitive 1927 |
Rezensent: | Krüger, Gerhard |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 12.
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vor Damaskus geschehen. Weil es der Oottesglaube Jesu war, der
ihn bezwungen, konnte Paulus fortan nicht mehr an Gott denken
ohne Jesus. Und weil es ein gelebter Gottesglaube war, forderte er
sofort wieder des Überwundenen ganzes Leben. Von Dobschütz selbst
verweist sehr fein auf II. Kor. 5,18, IQ, wo die unmittelbare Beziehung
des Apostelamtes auf die Versöhnungstat Gottes stark zum
Ausdruck gebracht ist (S. 59 Anm. 60).
Damit ist bereits das Wesentliche auch über den
3. Abschnitt des Buches gesagt, der den Untertitel des
Ganzen aufgreift: Die weltgeschichtliche Bedeutung des
Apostels. In geradezu spannender Weise führt der Verf.
in knappen Schilderungen die bisherigen Auffassungen
über die Frage, worin die eigentliche Bedeutung des
Paulus liegt, vor, um sie alle als falsch oder wenigstens
als einseitig abzulehnen: Den Apostelbegriff der alten
Kirche, weil er der persönlichen Bedeutung des Paulus
nicht gerecht wird; (wozu anzumerken ist, daß Paulus
in der Frühzeit doch nicht so völlig hinter Petrus zurücktritt
wie der Verf. es darstellt; in der altchristlichen
Kunst hat Paulus lange Zeit den Ehrenplatz vor Petrus;
vgl. Stuhlfaut, die apokryphen Petrusgeschichten S. 42,
Anm. 3). Er verwirft die Anschauung, welche in Paulus
in erster Linie den Theologen sieht, ebenso wie die,
welche sein missionarisches und organisatorisches Wirken
in den Vordergrund stellt. Aber auch das lehnt
von Dobschütz ab, in dem Herausstellen irgend eines
Begriffes das entscheidend Neue zu sehen, sei es nun
die Freiheit (wie es die Tübinger taten), die Kindschaft
(Weizsäcker), das Leben (Kabisch; Karl; Sokolowski),
ja auch die Rechtfertigung. Auch gegen die neueren
Versuche bringt er sehr treffende Gegengründe vor (S.
40 ff.), bei Paulus mit Karl Barth den Gedanken der
göttlichen Gnadenwahl und die Eschatologie in den
Vordergrund zu rücken, oder ihn unter Abschwächung
der „Begriffsschärfe" und der „ethischen Abzielung
aller Gedanken" als Mystiker zu verstehen, wie es in
verschiedener Weise Deißmann und seine Schule einerseits
, Reitzenstein andererseits, tun. Dagegen setzt von
Dobschütz seine Anschauung. Er sieht die Weltbedeutung
des Apostels in etwas dreifachem (S. 45): 1. darin,
daß Paulus erkannte, daß in dem Evangelium Jesu etwas
schlechthin Neues gegeben sei, daß er „der kongenialste
Interpret Jesu" gewesen ist; 2. darin, daß der Apostel
folgerichtig Christus zum Gegenstand des Evangeliums
gemacht hat; 3. darin, daß er das Christentum als Weltreligion
nicht nur im Gedanken erfaßt, sondern die Verbindung
dieses Gedankens. mit dem Werk der Mission
vollzogen hat. Diese drei Dinge umschließen in der Tat
das Entscheidende. Es erscheint mir von höchster Bedeutung
, daß, nachdem man so lange Jesus und Paulus gegeneinander
gestellt hat, jetzt so gleichmäßig kritische Theologen
wie Holl, von Dobschütz und Emanuel Hirsch
die — gerade im Licht der Geschichte des Christentums
unlösliche — Zusammengehörigkeit des Herrn und seines
größten Apostels betonen. Der knappe, freilich darum
gerade sehr wirkungsvolle Aufriß, den von Dobschütz
gibt, muß wohl nur noch nach zwei Seiten ergänzt werden
: Einmal muß, wie ich es bei der Besprechung des
2. Kapitels anzudeuten versuchte, die Beziehung der
drei vom Verf. genannten Dinge auf den Gottesbegriff
und damit auf den Inhalt des Neuen stärker heraus-
estellt werden, so daß ihre innere Zusammengehörigem
noch deutlicher wird und ferner muß — was eine
neue Aufgabe darstellt — gezeigt werden, in wiefern
dies Neue eben seinem Inhalte nach eine wirkliche Antwort
auf die Fragen der Zeit war. Dann dürften wir in
dem Bemühen, die weltgeschichtliche Bedeutung des Paulus
zu verstehen, der Wahrheit sehr nahe gekommen sein.
Greifswald. Hermann Wolfgang Beyer.
Feiten, Prof. Dr. Joseph: Neutestamentliche Zeitgeschichte
oder Judentum und Heidentum zur Zeit Christi und der Apostel.
2. u. 3. Aufl. 2 Bde. Regensburg: Verl.-Anst. vorm. G. J. Manz
1925. (VIII, 643 u. IV, 646 S.) gr. 8°. Rm. 40—; geb. 45—.
Die erste Auflage dieses Werkes, die 1910 erschien,
hat O. Holtzmann in dieser Zeitschr. (1911, Nr. 6)
richtig als eine Zusammenfassung der protestantischen
theologischen und altphilologischen Arbeit für das katholische
Verständnis des N.T.s gewürdigt. Inzwischen
hat die katholische Mitarbeit auch auf diesem Gebiet
etwas stärker eingesetzt, was sich in manchen Anmerkungen
der neuen Bearbeitung geltend macht. Im allgemeinen
ist das Werk ein wenig veränderter Neudruck
der ersten Ausgabe, also eine vom katholischen Standpunkt
aus geschriebene, sehr einfache Darstellung der
Geschichte, theologischen Entwicklung des Spätjudentums
und des hellenistisch-römischen Kultus in der
Kaiserzeit. In der Anlage ist nicht viel verändert. Das
Kapitel über das Gesetz und das Leben eröffnet jetzt
den Abschnitt über die theologischen Anschauungen
der Juden. Die neuere Literatur ist, soweit sie der Verf.
überhaupt berücksichtigt hat, in den gelehrten Anmerkungen
oder in neuen Exkursen verarbeitet.
An neuen Stücken seien folgende erwähnt: in I ein Exkurs über
die Topografie Jerusalems, besonders das Zion-Problein; (S. 63 bis
66); eine exegetische Ausführung über Lc 2,2 (S. 155 f.); F. übersetzt
„diese erste Schätzung geschah, bevor Qu. Statthaher von
S. war" (m. E. ganz unmöglich); Mitteilungen über neuere Erklärungen
des „15. Jahres des Tiberius" Lc 3,1 (S. 188 f.); ein gröberer
Abschnitt über die rechtliche Lage der Juden in der Diaspora
S. 290—298, nach Schiirer und dem in Deutschland noch viel zu
wenig bekannten Werk von J. Juster, les Juifs dans 1' Empire
Romain 1914; ein Anhang über die Gemeinde des Neuen Bundes (im
Lande Damaskus) S. 419—426 (F. bezieht, Lagrange folgend, den
Mann der Lüge auf Barkochba und datiert die Schrift auf frühestens
200!); eine kritische Auseinandersetzung mit Hölscher und Sigwalt
über das Datum der Himmelfahrt Moses (S. 576f.); Mitteilungen
über das Gebet Manasse's und III Esr.; in Bd. II fand ich nur eine
kurze Auseinandersetzung mit Birt über die Herculestragödie von
Seneca (S. 53Sf.) und einen Exkurs über die Hermetische Literatur
(543—546) bemerkenswert.
Das ganze Werk hat gewiß seine Verdienste, vor
allem orientiert es über katholische Forschung und über
die katholischen Anschauungen auf dem Gebiet der
neutest. Zeitgeschichte. Eine Förderung der Wissenschaft
ist es nicht. Und die neue Auflage hat doch manches
wichtigere Buch und Problem ganz unberücksichtigt
gelassen. Mir fiel auf, daß das Werk von (Strack-) Biller- 1
beck, soviel ich sehen konnte, noch nirgends verwertet
war, garnicht oder zu wenig Ed. Meyer's Ursprung und
Anfänge des Christentums. In dem Abschnitt über die
Lehre vom h. Geist hätten die Bücher von H. Leise-
gang herangezogen werden müssen. Über Apollonius
von Tyana hätte, namentlich im Blick auf Ed. Norden
Agnostos Theos, viel mehr geboten werden müssen. Endlich
möchte ich den Verf. wie andere deutsche Mitforscher
auf den zu wenig beachteten Aufsatz von B.
D. Eerdmans über „Farizeen en Sadöuceen" (Theolog.
Tijdschrift 1914) hinweisen.
Leiden. H. Windisch.
van den Ber gh van Ey s i nga, G.-G.: La litterature chretlenne
primitive. Paris: F. Rieder et Cie. 1926. (234 S.) 8°. =
Christianisme 18.
Vor genau 40 Jahren veröffentlichte Harnack in dieser Zeitung
(1887, Nr. 16, Sp. 377 f.) eine Anzeige jenes wunderlichen Buches,
in dem ein anonym gebliebener englischer Gelehrter im Gefolge von
Bauer, Havet, Lomann u. A. unter dem Titel „Antiqua mater" eine
Darstellung des Urchristentums gegeben hatte, die sich auf radikaler
Umwertung aller traditionellen Ansätze bezüglich der Literarischen
Quellen aufbaute. Diese Anzeige kam mir wieder ins Gedächtnis,
als ich in dem Buche van den Bergh van Eysingas las, das
mir durch die Güte des Verfassers in diesen Tagen zugekommen ist.
Man möchte fast wörtlich wiederholen, was Harnack damals zur
Charakteristik solcher Umwertungsversuche gesagt hat. Dabei bleibt
die Zähigkeit zu bewundern, mit der sie sich immer von neuem herandrängen
, trotzdem sich die ernsthafte Forschung einer ganzen Welt
ihnen entgegenstellt. Van den Bergh eröffnet sein Vorwort mit dem
Satz: le momeni semblc venu d'introduire en France l'etude de la
litterature chretienne primitive selon les vues radicales. Ich kann
mir zwar nicht vorstellen, daß auch dieser neue Versuch, die soliden
Grundmauern eines festgefügten Baues einzurennen, mit etwas anderem
als hoffnungsloser Niederlage endigen wird. Aber zu denken gibt
es doch, daß ein so angesehener Gelehrter wie van den Bergh
diese Festung für ein Phantom zu halten scheint, das er nur anzu-