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Ausgabe:

1927 Nr. 12

Spalte:

267-268

Autor/Hrsg.:

Causse, A.

Titel/Untertitel:

Les plus vieux chants de la Bible 1927

Rezensent:

Steuernagel, Carl

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267

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 12.

268

Jensen, Peter: Der aramäische Beschwörungstext in spät-
babyionischer Keilschrift. Textes cuneiformes VI Nr. 58. Umschrift
u. Obers. Vorlauf. Mitteilg. Marburg: A. Ebel in Komm.
1926. (7 S.) gr. 8°. Rm. —50.

In den Tablettes d'Uruk PI. 58 veröffentlichte Thu-
reau-Dangin einen spätbabylonischen Keilschrifttext, der
wie der Editor selbst schon bemerkte, zwar in Keilschrift
geschrieben, aber augensichtlich in aramäischer Sprache
abgefaßt ist. Ebeling erkannte als erster, daß es sich in
der Inschrift um eine Bechwörung handelte und legte
auch die erste Bearbeitung derselben vor. Sodann wagte
sich Driver, unterstützt von Cowley, an diese Beschwörung
heran und förderte das Verhältnis nicht unwesentlich
, zumal ihm Thureau-Dangin mehrere unsichere
Stellen kollationierte. Als dritter legt uns J. nun eine
Umschrift und Übersetzung des Textes vor, die uns
wieder ein gutes Stück weiter bringt, ja zum ersten
Male den Sinn der Inschrift richtig erfaßt. Alle Schwierigkeiten
sind natürlich noch nictit überwunden; aber
viele von ihnen sind doch schon weggeräumt. Sehr
wünschenswert wäre es gewesen, wenn J. seiner Arbeit
einen Kommentar beigegeben hätte, da manche seiner
Aufstellungen erst dadurch richtig verständlich geworden
wären. Da J. die Beziehungen unseres Textes zu einigen
Stellen des NT., z. B. dem Mondsüchtigen (Matth. 17,
14 ff.), den Schweinen, in die die Dämonen hineingefahren
sind (Matth. 8,31 ff.) und dem Ausdrucke
Racha (Matth. 5, 22), behandeln will, wird er dabei gewiß
auch die Gelegenheit finden, seine Übersetzungen
durch einen Kommentar zu erläutern.

Zeuthen i. M. Bruno Meissner.

Causse, Prof. A.: Les plus vieux chants de la Bible. Paris:
F. Alcan 1926. (175 S.) 4°. = Etudes d'Histoire et de Philosophie
Religieuses, Nr. 14. fr. 15—

Der Verf. liefert uns in diesem Buche eine Geschichte
der altisraelitischen Poesie bis etwa zum 8.
Jahrhdt., d. h. bis zu der Zeit des aufkommenden Individualismus
. Ein solches Unternehmen ist nur dadurch
möglich geworden, daß er die einzelnen Dichtungen
nicht als Elemente der literarischen Werke, in deren
Rahmen sie uns überliefert sind, hinnimmt, sondern sie
aus diesem Rahmen herauslöst und sie zu der aus den
verschiedensten Quellen erschlossenen Entwicklung der
geistigen Kultur Israels (nicht aber zu bestimmten Ereignissen
der äußeren Geschichte) in Beziehung setzt
und danach einem jeden seinen bestimmten Platz anzuweisen
versteht. Eine eingehende Analyse der Gedichte
dient jedesmal zur Rechtfertigung dieses Ansatzes.
Reichliche Anmerkungen erörtern Probleme der vorausgesetzten
geistigen und kulturellen Entwicklung, ziehen
Parallelerscheinungen aus anderen Literaturgebieten heran
und dienen der Auseinandersetzung mit anderen An-
setzungen oder Auslegungen. In weitgehendem Maße
schließt sich der Verf. den Ergebnissen der gattungsgeschichtlichen
Forschung Gunkels u. a., insbesondere
aber denen Mowinckels an; doch bleibt er in seinem
Urteil und in seiner Begründung immer selbständig.
Eine wichtige Rolle spielt bei ihm der Gesichtspunkt,
daß besonders im Kultus altes Material immer aufs neue
reproduziert wird, freilich oft in Verbindung mit anderem,
jüngeren Materialien und in leichter Variation (Muster:
Ps. 68 mit seiner Verwertung von Num. 10,35 und Jud.
5,4 f.). So ist uns in den Psalmen der späteren Zeit
sehr viel uraltes Gut erhalten, z. T. noch aus dem Kultus
der Richterzeit (z. B. Ps. 24,7—10, der jetzt ein Stück
der Liturgie der Feier der Thronbesteigung Jahwes
bildet, die übrigens nicht an ein bestimmtes Fest gebunden
ist). Dies alte Material gilt es nun durch geistesgeschichtliche
Analyse herauszufinden.

Der Verf. hat so ein reiches Material für die Rekonstruktion
der Geschichte der altisraelitischen Dichtkunst
gewonnen, das er in 4 Kapiteln vorführt: 1. Primitive
Volkspoesie, 2. nationale Lyrik der Richter- und
älteren Königszeit (Gen. 49 Dtn. 33 Jud. 5 Num. 21,
27 ff. Jos. 10, 12 f., die Trauerlieder Davids, die Bileam-

I spräche), 3. Anfänge der kultischen Poesie (besonders
Ps. 24,7—10 1. Reg. S, 12 ff. Ps. 29 Ex. 15, lff.; Ps.
80; 6 35,4 ff. 38; 60) und 4. Einfluß des Königtums

J auf die Dichtung (Ps. 45; 2. Sam. 23,1 ff. Ps. 20 18,
32ff. 2 110,72). Den Schluß macht ein Ausblick auf
den im Zusammenhang mit den nationalen Katastrophen

; aufkommenden Individualismus, auf Jeremia, die individuellen
Klagelieder der 'anäwira und ihre Aufnahme in
den Gebrauch der Gemeinde.

Die ruhige, sorgfältige Art der Ausführungen, die
Beschränkung auf große, charakteristische Entwick-
lungslinien und der Verzicht darauf, bestimmte Einzel-
theorien einem möglichst großen Teil der Psalmen aufzuzwingen
, bilden in Verbindung mit der klaren und
eleganten Form der Darstellung Vorzüge, die den Leser
anziehen, so daß er den Ausführungen des Verf.s gern
folgt. Daß man vielfach nur bis zu dem Urteil „möglich,
doch nicht beweisbar" kommt und bisweilen die Ergebnisse
des Verf.s auch wohl als unmöglich abzulehnen

| sich genötigt sieht, ist bei der Natur des Gegenstandes
und insbesondere bei einem ersten Versuch einer synthe-

I tischen Darstellung der Ergebnisse literaturgeschicht-

j licher Forschung nur natürlich. Der Verf. ist sich auch
des Gewagten seines etwas frühzeitigen Versuches be-

! wüßt (S. 5). Bedenken habe ich vor allem dagegen,
daß der Verf. viele Stücke allein darum für uralt hält,
weil sie Jahwe als in der Natur wirkenden Gott (z. B.
Ps. 29) oder als mit dem Nationalen verbundenen Gott
(z. B. Kriegsgott, Ps. 24, 7 ff.) darstellen, daß er überhaupt
gar zu oft die geistigen Höhenschichten chronologischen
Stufen gleichsetzt (z. B. S. 46: das Deboralied
ungefähr ein halbes Jahrnundert jünger als der Segen

j Jakobs und Moses, weil das Nationalbewußtsein hier

i schon stärker entwickelt ist).

Breslau. C. Steuernagel.

Mingana, A., D.D.: An ancient Syriac translation of the
Kur' an exhibiting new verses and variants; Reprinted with
Corrections and Additions from „The Bulletin of the John Rylands
Library", Vol. 9, Nr. 1, Jan. 1925. With Facsimiles. London:
Longmans, Green & Co. 1925. (50 S.) 8°. sh. 2/-.

Aus der polemischen Schrift des jakobitischen
Patriarchen Dionysius Barsalibl gegen den Islam veröffentlicht
Mingana die letzten Kapitel (25—30) mit
Text (in Faksimile), Übersetzung und Einleitung nach
den beiden Handschriften der John Rylands Library
j und des Harvad University Semitic Museum; eine dritte
Handschrift im Vatikan wurde nicht berücksichtigt (vgl.
Baumstark, Geschichte der syrischen Litt., S. 297).
Diese Kapitel enthalten nach bestimmten Gesichtspunkten
| geordnete Auszüge aus dem Koran in syrischer Über-
! Setzung. Mingana, der einer These Casanovas folgend
[ in der uns heute vorliegenden Koranrezension eine
Schöpfung des berüchtigten Omajjadenstatthalters AI-
Haggag sieht, glaubt, daß diese syrische Übersetzung
in das erste Jahrhundert d. H. zurückgehen könnte,
| und legt den Varianten und den Versen, die sich in der
osmanischen Ausgabe nicht finden, großes Gewicht für
die Textgeschichte des Koran bei.

Barsalibl verfaßte diese Polemik gegen den Islam
nach der Subscriptio als Metropolit von 'Amld, also
j zwischen 1166 und 1171 D. Die syrische Übersetzung
der Koranverse hat er aber bereits vorgefunden; unklar
ist nur, ob er eine vollständige Koranübersetzung
vor sich hatte, oder nur Auszüge aus dem Koran
in Übersetzung. Wie dem auch sei, diese syrische Über-
j Setzung des Koran stammt jedenfalls aus einer Zeit
vor der Mitte des XII. Jahrh. s. D. Die Zeit dieser Übersetzung
näher zu bestimmen, scheint nicht möglich zu
sein, wohl aber die Gegend, in der sie angefertigt
! wurde. In Sure LH, 20 wird pirjawätä durch das per-
j sische Wort (in syrischer Transkription): takihä = tahthw
| erklärt. Dies deutet m. E. darauf hin, daß die Übersetzung
im Osten des Kalifenreiches angefertigt worden
[ ist, wo das Persische die zweite Sprache der Christen