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Ausgabe:

1927 Nr. 11

Spalte:

263-264

Autor/Hrsg.:

Wust, Peter

Titel/Untertitel:

Naivität und Pietät 1927

Rezensent:

Adolph, Heinrich

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Seite 1

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263

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 11.

264

Praxis. Eine Philosophie und Theologie für letzteren
muß deshalb von jenen Entscheidungen geduldet
werden.

Berlin. Leonhard Fendt.

Zeichen geistiger Reife liege. Wust selbst ist in seinem Buche von
jeder konfessionellen Engherzigkeit frei. Sein Blick umfaßt das
Geistesleben in seiner ganzen Fülle, und das Menschliche schlechthin
ist ihm interessant. So haben seine Ideen denn auch eine
allgemeine, über den Rahmen des Katholizismus hinausgreifende,
wahrhaft „philosophische" Bedeutung. Nur ab und zu zeigen sich auch
in seinem von edler Humanität beseelten Werke kleine Spuren von

Wust, Peter; Naivität und Pietät. Tübingen; J C. B. Mohr 1925. Fanatismus. So scheint er gegen den Kantianismus einen wahren

(XV, 238 S.) gr. 8°. Rm. 8—; geb. 11

Haß zu empfinden, wenn er Sätze wie folgenden schreiben kann:

Dieses Buch hält mehr als es verspricht. Man glaubt eine i .....und daher ist auch der Kantianismus, im Gegensatz zu dem

psychologische oder phänomenologische Analyse zweier Begriffe vor- , heute uns fast unverständlich gewordenen Objektivismus der Antike

zufinden und erhält eine ganze Metaphysik. Die zwei Seinslagen [ uncj des Mittelalters, fast so etwas wie das Kainszeichen unseres-

„Naivität" und „Pietät" stellen die beiden äußersten Pole dar, zwi- gesamten Zeitalters, das luziferische Merkmal unserer gesamten vor

sehen denen sich der menschliche Geist auf seiner -irdischen Bahn j der Natur pietätlos gewordenen Kultur" (S. 142/43.). Auch die etwas

bewegt. Der Zustand der Naivität bildet jene erste Stufe kindlicher [ feindselige Psychologie der „Reformatoren" (S. 188/89) klingt prote-

Einfalt, auf der der Mensch noch mit festen Banden an den göttlichen ; stantischen Ohren verdächtig.

Liebesuntergrund gebunden und der ewigen Ordnung der Dinge orga- [ |m übrigen bildet das vorliegende Werk nur die erste Tafel
nisch eingefügt ist. Aus dieser frühesten Seligkeit treibt ihn jedoch die eines „Triptychons", das außerdem noch „Die Dialektik des Geistes"
ihm verliehene Gabe der Freiheit heraus, durch deren bewußte An- und „Die Philosophie des Diabolischen" darstellen soll. Die erstere
Wendung er erst wahrhaft „Geist" werden und zu sich selbst kommen w;rd die eigentümlich paradoxe Oszillationsbahn des Geistes, die letzsoll
. Diese mittlere Epoche ist voll äußerster Gefahren der Hybris, , tere das „erschütternde Phänomen der negativen Mystik" behandeln,
der „autonomen" Abkehr vom tragenden Wesenszusammenhang, der Das hier besprochene Buch bildet somit nur den ersten doch wohl entdämonischen
Selbstverhärtung. Sie können nur überwunden werden durch scheidenden Teil einer dreifach entfalteten Metaphysik des Geistes,
die Liebeshinwendung des Geschöpfes zum Schöpfer, durch das be- j Gießen. H. Adolph,
wußte Ja zum Objektiven, durch den wesensgewissen Rückgang auf

die synthetische Grundkraft der Seele. Gelingt diese Einordnung, dann Rehmke, Johannes: Grundwissenschaftliche Kernfragen aus

wird der Zustand der Pietät erreicht, in dem die ruhevolle Harmonie der Philosophie. Ausgew. u. mit e. Einführung u. Anmerkgn.

der Naivität auf dem höheren Niveau verklärter Geistigkeit wieder- j vers. v. Joseph Weidmann. Paderborn: F. Schöningh. (127 S.)

gewonnen ist. — Wie der Verf. diese knapp skizzierten Gedanken | kl. 8°. = F. Schüninghs Sammlung philos. Lesestoffe, 4. Bdchn.

durchführt, von den verschiedensten Seiten her beleuchtet und philosophisch
unterbaut, verdient ehrliche Anerkennung.

Wust, der durch seine in der „Kölnischen Volkszeitung"
erschienenen Angriffe gegen Scheler weiteren Kreisen bekannt
geworden ist, gehört zu jenen Vertretern der katholischen (thomisti

kart. Rm. 1.80.

Die Auswahl von Stellen aus Rehmkes „Philosophie als Grundwissenschaft
" ist recht geschickt. Trotz aller erforderlichen Auslassungen
und Kürzungen ist ein Text geboten, den man im Zusammenhang
lesen kann, in dem man kaum eine Lücke spürt, und der

sehen) Philosophie, die auf Grund der heutigen Goisteslage an eine J vollauf gc"g*. die eigentümliche Methode und die wichtigsten ErRenaissance
des Katholizismus glauben und sich gerade der neusten gebnisse der Rehmke'sehen Grundwissenschaft kennen zu lernen.
Denkmittel zu bedienen suchen, um die alte Wahrheit neu zu er- ^ Ist charakteristisch, daß in dieser von dem bekannten katho-
härten. Man fühlt übrigens, nebenbei bemerkt, heraus, wie auch die 'sehen Verlage herausgegebenen Sammlung philosophischer Lesestoffe
oben dargelegten Gedankengänge von kirchlichen „Praktikern" dahin unter den neueren Philosophen Rehmke als erster behandelt worden ist.
gewandt werden könnten, daß in der pietätvollen Eingliederung in die Nach ,h'n werden Lotze und Trendelenburg an die Reihe kommen,
kirchliche Ordnung der Weisheit letzter Schluß und das sicherste Iburg. , W. Thimme.

THEOLOGISCHE BLATTER

Herausgegeben von PROF. D. KARL LUDWIG SCHMIDT, Jena

6. Jahrgang 1927. Jährlich 12 Nummern. Preis der einzelnen Nummer 75 Pf.,
vierteljährlich M. 2.— zuzgl. 10 Pf. Inlands- bezw. 15 Pf. Auslands-Porto.
Inhalt der soeben erschienenen Mai-Nummer:

BRITISCH - DEUTSCHE THEOLOGENKONFERENZ IN CANTERBURY vom 2. bis 9. April 1927:
Das Wesen des Reiches Gottes und seine Beziehung zur menschlichen Gesellschaft.

BEGRÜSSUNGS- SCHREIBEN von Randall Thomas Davidson, D. D„ Lord-Erzbischof von Can-

terbury, und Prof. D. Adolf Deißmann, Berlin.

EINZELVORTRÄGE von Rev. Sir Edwyn C. Hoskyns, Bart., M. A., Cambridge / Prof. D. Karl
Ludwig Schmidt, Jena Prof. C. H. Dodd, M. A., Oxford / Prof. D. Gerhard Kittel, Tübingen / Rev. A.
E. J. Rawlinson, D. D., Oxford, Prof. Lic. Dr. Wilhelm Vollrath, Erlangen / Rev. J. K. Mozley, D. D.,
Reading / Prof. D. Dr. Heinrich Frick, Gießen / Rev. E. G. Selwyn, D. D., Havant / Prof. D. Paul Althaus
, Erlangen Prof. D. Dr. Wilhelm Stählin, Münster.

AUS DEM VORWORT von G. K. A. Bell, D. D., Dean von Canterbury: Die in der vorliegenden Nummer der
Theol. Bl. gedruckten Vorträge wurden im Voraus für eine Konferenz von sechs englischen und sechs
deutschen Theologen vorbereitet, die in der Deanery von Canterbury vom 2. bis 9. April stattfand. Diese
Konferenz hatte ihren Ursprung in der Weltkonferenz für praktisches Christentum zu Stockholm im Jahre
1925. Von dort her war eine Gelegenheit für jene enge persönliche Zusammenkunft und Diskussion gegeben
worden, die Stockholm zwischen Gelehrten verschiedener christlicher Gemeinschaften und Nationen
empfohlen hatte, wie sie in verschiedenen Ländern zusammenkommen sollten. Aber Canterbury war mit
Stockholm auch in einer anderen Beziehung verbunden. Auf der Weltkonferenz waren die Fragen solche
des „praktischen Christentums". Doch hinter diesen Fragen lag nach der Ansicht vieler die tiefere theologische
Frage nach dem Wesen des Reiches Gottes und seiner Beziehung zur menschlichen Gesellschaft.
Das war die besondere Frage, über die sich die zwölf Theologen aussprachen.

Einzelpreis der Mai-(Doppel-)Nummer M. 1.50

VERLAG DER J. C HINRICHS'SCHEN BUCHHANDLUNG, LEIPZIG

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 11. Juni 1927.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Bauratgerberstr. 19.
Verlag der J. C. Hinrichs'schen Buchhandlung in Leipzig C. 1, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.