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Ausgabe: | 1927 Nr. 10 |
Spalte: | 228 |
Autor/Hrsg.: | Bräutigam, Ernst |
Titel/Untertitel: | Benedikt von Nursia und sein Orden 1927 |
Rezensent: | Lempp, Eduard |
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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 10.
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zur Bergpredigt fügt Fiebig jetzt eine Sammlung rabbinischen
Materials zum „Erzählungsstil" der Evangelien.
Der Titel führt freilich irre; denn das Buch handelt vom
Stil der Erzählung nur in dem Abschnitt (C) über das
„Vorkommnis" (HB^D), während die beiden ersten Abschnitte
über den 7>TO handeln (A: Aussprüche, B: Gleichnisse
) und der letzte (D) über das Gebet (n^DD)- Die
Materialsammlung will nicht und kann der Natur der
Sache nach nicht vollständig sein, aber sie liefert ein
gutes Illustrationsmaterial und ist deshalb für Exegese
wie für formgeschichtliche Untersuchungen willkommen.
Dem Verf. liegt sowohl daran, Sprache und Terminologie
der synoptischen Texte aus dem Semitischen,
speziell dem Rabbinischen zu verstehen, als auch daran,
ihre literarischen Formen aus der rabbinischen Tradition
zu illustrieren und durch beide die Ursprünglichkeit der
Überlieferung zu erweisen. Dem ersten Interesse dient
er dadurch, daß er zu den jeweils besprochenen synoptischen
Stücken die hebräische Übersetzung von Delitzsch
stellt (was man als pädagogisches Mittel anerkennen
muß), und daß er einzelne Termini und Redewendungen
aus dem rabbinischen Sprachgebrauch erläutert (z. B.
diuQov, 7CQoacpeQeiv, das charakteristische „wenn aber
nicht", die Umschreibung des Gottesnamens). Dafür
wird freilich oft kein Parallelenmaterial beigebracht, sondern
z. B. einfach auf Strack-Billerbeck verwiesen, sodaß
das Buch in dieser Hinsicht zwar kein selbständiger
Beitrag zur Forschung, aber eine praktische Anleitung
für Studierende ist.
Die formgeschichtlichen Beiträge bestehen
in erläuternden Bemerkungen zu den zitierten Texten.
Wir werden auf den Parallelismus, auf Zwei- und
Dreigliedrigkeit aufmerksam gemacht, auf die Gegenüberstellung
von positiver und negativer Aussage und
dergl. Außerdem ist das Material in den einzelnen Abschnitten
nach formalen Gesichtspunkten gegliedert. Dabei
bleibt aber die „formgeschichtliche" Betrachtung meist
sehr an der Oberfläche. Die Frage nach dem „Sitz im
Leben" müßte energischer gestellt werden, d. h. die
Frage nach dem wirklich geschichtlichen Charakter der
betr. Form nach dem Zusammenhang -zwischen Form
und Inhalt. Denn der Verf. weiß doch, daß formale
Klassifikation noch keine Formgeschichte ist. So sagt
er selbst, daß die Form der unter A 1—3 zusammengestellten
„Bedingungssprüche" „ihren Sitz in der juristischen
und moralischen Kasuistik" hat. Aber wie in
solcher rabbinischen Kasuistik die Motive des Gesetzes
bzw. Rechts und die Motive der Erziehung konkurrieren,
bleibt unerörtert. Wenn solche „Bedingungssprüche"
bald imperativische, bald indikativische Nachsätze haben,
so lohnte es sich z. B. zu fragen, wie solcher Unterschied
zu begreifen sei; ob nicht die indikativische
Form die eigentliche Form des Rechtsspruchs (des
Mispat) sei, während der Imperativ aus der Thora bzw.
der Paränese stammt. Wo sich Imperative in der Gesetzessprache
finden, wäre das dann entweder ein Hinweis
darauf, daß das Recht von der Erziehung beeinflußt
ist, oder darauf, daß sich ein reines Recht als selbständiges
Kulturphänomen überhaupt noch nicht entwickelt
hat. In jedem Falle ist die Form ein charakteristisches
Symptom für die Verbindung von Recht und Erziehung
in der rabbinischen Sphäre. Ebenso müßten die unter
A 4—6 gesammelten Imperative auf ihren eigentümlichen
Ursprung und Charakter befragt werden. Dann wäre
z. B. der Fehler vermieden worden, S. 15 den parallelen
Imperativen Mt. 7,7—11 die parallelen Imperative Pirqe
Aboth I 1 und 6 an die Seite zu stellen, die ja einen
völlig andern Charakter haben. In Mt. 7,7—11 liegt
die poetische Form der „Weisheit" vor, während die
Zusammenstellung der (sachlich gar nicht parallelen)
Imperative in den Pirq. Ab. der Form des „Katechismus"
entspricht. Die Partizipialsprüche A 7 unterscheiden sich
von den „Sei-Sprüchen" A 8 wie die Sprache des Rechts
von der der Erziehung, wobei zu beachten ist, daß der
rabbinische Stil der Erziehung z. T. aus der „Weisheit"
I stammt. Für die „Fragenden Sprüche" A 10 wird, wie
auch sonst gelegentlich das „orientalische Naturell" in
I Anspruch genommen, was gar keine historische Kategorie
ist. Vielmehr beruht diese Form auf dem argumentierenden
Charakter der rabbinischen Belehrung, den
sie mit der „Weisheit" gemein hat. Aus dieser ist auch
das gelegentlich sich findende „Ich" der Rabbinen (A
13) zu verstehen, das zu Mt. 5,17 schlechterdings keine
Parallele bildet; vgl. vielmehr z. B. Prov. 4,3f.; 7,6;
24,30; Ps. 37,25 und den entwickelten Ich-Stil des
Qohelet. Was am Schluß in A 16 über Spruchsammlungen
gesagt ist, ist reichlich dürftig.
Die Sammlung von Gleichnissen (B) wird
i man dankbar begrüßen, auch wenn die Bemerkungen
; dazu nicht durchweg befriedigen. Warum z. B. der S.
53 mitgeteilte rabbinische Vortrag, in dem ein Maschal
in der typischen Form des Rätsels (vgl. z. B. Prov. 25,
! 14; 30,15. 24—28) variiert wird, als Allegorie bezeichnet
wird, verstehe ich nicht. Die S. 58 angeführte
angebliche Analogie zur Form von Mk. 4,26—29 ist
gar keine; denn das angeführte rabbinische Gleichnis
dient ja der Exegese eines bestimmten Textwortes.
j Lk. 18,9—14 ist weder „erzählende Bildrede" (S. 65),
I noch „Gleichnis in erzählender Form" (S. 67,1); denn
verglichen wird hier nichts. Die Methaphern aus Pirq.
Ab. II 15f. (S. 71) sind keine Analogie zu Mk. 2, 19f.,
I denn Jesu Worte hier sind ja eine Gegenfrage in Gleich-
j nisform.
Am wertvollsten ist die Sammlung der „Vorkommnisse
" (C), weil m. W. eine ähnliche Materialsammlung
nicht existiert. Freilich F.'s Neigung, in
| oder hinter solchen „Vorkommnissen" wirkliche ge-
| schichtliche Ereignisse zu finden, teile ich nicht. Es
ist zwar sehr richtig, daß die Stereotypie der literarischen
Formen einer Stereotypie der Lebensformen entspricht
. Aber deshalb im Einzelfall aus der stereotypen
Form einer Erzählung auf ihre Geschichtlichkeit zu
i schließen, ist allzu bescheiden. Sachlich enthalten die
j mitgeteilten „Vorkommnisse" Erzählungen, die ich
| Apophthegmata nennen würde, die in einem erzählenden
Rahmen das pointierte Wort eines Rabbi oder die poin-
j tierte Diskussion einer Frage mitteilen. Das vorgelegte
Material illustriert gut die Art rabbinischer und synop-
! tischer Gespräche (Schul- und Streitgespräche) und die
I Art der Gesprächsführung (Frage, Gegenfrage, Argu-
| mentation durch ein Gleichnis etc.). Auch die Art des
Tradierens wird durch gelegentliche Nebeneinanderstellung
von Varianten anschaulich gemacht. Ich bedaure,
J daß der Verf. nicht auf ein anderes verzichtet hat, um
ein noch reichlicheres Material von solchen „Vorkommnissen
" zu bieten.
Der letzte Teil über die Gebete enthält nütz-
j liches Material und treffende Einzelbemerkungen. Der
j Schluß betont mit Recht die Bodenständigkeit der synoptischen
Überlieferung in polemischer Auseinandersetzung
] mit A. Drews.
Marburg. R.Bult mann.
j Bräutigam, Stud.-Rat Ernst: Benedikt von Nursia und sein
Orden. Leipzig: Quelle & Meyer 1926. (54 S. m. e. Grundriß.)
kl. 8°. = Religionskundliche Quellenbücherei. Rm. —70.
Diese für den Religionsunterricht wohl brauchbare
Quellenausgabe ermöglicht einen Einblick in das Wesen
des Benediktinerordens. Soweit Stücke aus dem Lateinischen
genommen sind, werden sie in gut lesbarer
Übersetzung dargeboten. Daß die Ordensregel nicht
vollständig, sondern nur im Auszug wiedergegeben ist,
hätte wohl angemerkt werden dürfen. Der an sich will-
| kommene Grundriß des Klosters S. Gallen hätte mit
weniger Zahlen übersichtlicher gestaltet werden sollen.
Stuttgart. Ed. Lcmpp.