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Ausgabe:

1927 Nr. 9

Spalte:

214

Autor/Hrsg.:

Strauch, Max

Titel/Untertitel:

Die Theologie Karl Barth‘s. 2. Aufl 1927

Rezensent:

Lüttge, Willy

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213

Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 9.

214

fochten. Diese ist beherrscht vom negativen Erlösungsgedanken
und pendelt zwischen Pantheismus und Atheismus
— warum sie es muß, wird überzeugend dargelegt
—, jenes spendet Erlösung und schöpferisches Leben
zugleich, beweist damit also sowohl die größere „Problematik
" als auch die größere „Spannungsweite" (zwei
Lieblingsausdrücke des Verf.s, deren man schließlich etwas
überdrüssig wird). Der zweite mehr kulturphilosophische
Teil nimmt Frontstellung gegen eine positivistische
und materialistische Kulturphilosophie, zeigt,
daß alle Kulturbereiche ihre verborgenen Hintergründe
haben, Selbständigkeit geistigen Lebens voraussetzen und
darum zu ihrem Verständnis Metaphysik erfordern, daß
aber letzte Einheit, Kraft und Größe der Kultur nur dann
gesichert ist, wenn auch Religion, und zwar die christliche
, nicht nur als besondere Komponente, sondern auch
als Seele des Ganzen zur Geltung kommt. Die grundsätzliche
Unabhängigkeit der Religion gegenüber der
Kultur wird gegen Spengler gut durch den Hinweis
darauf verteidigt, daß das Christentum sich doch sowohl
mit der antiken wie mit der modernen Kultur verbunden
hat, ohne deswegen seine innere Einheit einzubüßen.
Die Verhältnisbestimmung von Metaphysik und Religion
auf S. 136 ff. scheint mir nicht zu genügen. Ist m. E.
der Grundtendenz des Verf.s, die, nebenbei bemerkt,
nicht nur zur Mystik, sondern auch zur neuesten dialektischen
Theologie in Widerspruch steht, beizupflichten

— obschon er wohl allzu „spannungs"freudig ist und
kaum genügend bedenkt, daß einige der liebend zusammengefaßten
Gegensätze, zumal die Allwirksamkeit
Gottes und menschliche Verantwortung, auch nach der
Synthese, nicht aufhören, auf Tod und Leben mit einander
zu ringen — so muß doch bedauert werden, daß
er in seinem Stil, ich möchte sagen zu hoch gegriffen
hat. Das Genus grande eines Fichte, Nietzsche, oder
auch K. Barth liegt nicht einem jeden. Nach der Lektüre
dieses Buches sehnt man sich recht nach einer schlichten,
nüchternen, schrittweise weiterrückenden, nicht Probleme
wälzenden, sondern sie klar herausarbeitenden
und eins nach dem andern erledigenden Darstellung.

Iburg. W. Thimme.

Leese, Pfr. Lic. theol. Kurt: Die Kulturkrisis der Gegenwart

und die Kirche. Berlin: Furche-Verlag 1924. (32 S.) 8°.

Rm. 3.60; geb. 4.80.

Ich muß gestehen, daß mich dies Büchlein enttäuscht hat. Und
zwar nicht so sehr deshalb, weil Einzelheiten zu beanstanden sind

— als solche wären etwa hervorzuheben die oberflächliche Ausführung
auf S. 9, inwiefern die Religion Kultur bejahe, die allzuschroffc Hinstellung
von Troeltschs vorsichtig verklausulierter These, daß in kultureller
Hinsicht die Reformation ein Stück Mittelalter sei, der augenscheinliche
Widerspruch in Darlegung des Wesens der Aufklärung

losigkeit des Individuums gegenüber der Idee, verkörpert wird. Beide
Betrachtungsweisen schließen einander nicht aus, der Prozeß der Geschlechter
soll das vornehmste Nachbild jenes tragischen metaphysischen
Urgegensatzes sein.

Die Verf. schließt selbst eine der schönsten und vollkommensten
Dichtungen Hebbels, die Agnes Bernauer, von dieser Betrachtungsweise
völlig aus. Aber auch für die anderen Tragödien hat sie m. E.
ihre These nicht zu beweisen vermocht, wenngleich sie überzeugend
dartut, daß dies Judith-Thema auch in ihnen stärker nachklingt,
als man bisher herausgehört hat. Aber der Wert der Schrift hängt von
dem Maß der voll geglückten Beweisführung nicht ab. Die Verf.
hat von ihrem Gesichtspunkt aus Hebbels Dichtungen mit eindringendem
Ernst durchleuchtet und damit einen wertvollen Beitrag zum
Hebbelverständnis geliefert, den kein Freund des Dichters sich entgehen
lassen sollte.

Hannover-Kleefeld. H. Schuster.

Strauch , Max: Die Theologie Karl Barth's. 2. Aufl., 2.-5.Tsd

München: Chr. Kaiser. (60 S.) 8°. . Rm. 1.30.

Es ist ein Zeugnis begeisterter Verehrung. Als Bekenntnis will
es gewertet sein. So wird es charakteristisch für die Wirkung und
— in gewissem Sinne — für das Wesen des Mannes, dessen Verkündigung
diese Begeisterung geweckt hat. Es wird wichtig bleiben
zu erkennen, wie die Jünger ihren Lehrer gesehen haben. So hilft es
die Bewegung verstehen, die von der Theologie eines K. Barth ausgeht
. Historische (oder historisch-kritische) Wertung liegt hier fern.

Es ist schade, daß der Gegensatz und Widerspruch gegen die
Theologie K. Barth's, da dies nun einmal hier auch erörtert wird,
nicht sachlich in seinen Impulsen und Ideen dargestellt ist. Sind doch
auch die „Gegner" nur Weggenossen im Kampf um Wesen und
Wahrheit des Christentums. Selbst eine so ernste und um das Tiefste
sich ehrlich mühende Studie wie die von P. Althaus wird in rasch
aburteilenden Worten abgetan. Das gute Recht eines Bekenntnisses,
über das sich freuen kann, auch wer anders denkt, sollte nicht durch
solche „Abwehr" getrübt werden.

Heidelberg. Willy Lüttge.

Guardini, Romano: Gottes Werkleute. Briefe über Selbstbildung
. Erste Reihe. Der Buchausg. 1. Aufl., der Gesamtausg.
10.—18. Tausend. Burg Rothenfels a. M.: Deutsches Quickbornhaus
1925. (193 S.) 8°. geb. Rm. 3.60.
In diesen an den Quickborn gerichteten Briefen bespricht G.
allerlei Fragen, die zur jugendlichen Selbsterziehung gehören: wie das
Herz froh werden und bleiben kann, wie Gemeinschaft erhalten bleibt,
wie man beten soll, wie die Seele gepflegt werden will, und dergl.
mehr. Überall merkt man den geborenen Erzieher heraus, der ganz
genau mit allen Nöten der Jugend, zumal auch der „bewegten" vertraut
ist. Durch das Buch geht ein gut christlicher Geist, dessen katholische
Ausprägung nicht sehr oft hervortritt. Für jeden, der mit
Jugend berufsmäßig zu tun hat, bietet sich hier eine Fülle von Stoff
zu Ansprachen und von Anregungen für ihre Behandlung und Leitung.
Marburg. F. Niebergall.

Eger, Karl: Die Botschaf: Jesu von der Herrschaft Gottes.

Worte Jesu aus d. Bergpred., f. d. Gegenwart ausgelegt. Berlin :
Furche-Verl. 1925. (159 S.) gr. 8». Rm. 4-; geb. 5-.

Unter gut gewählten Überschriften wird in kurzen Abschnitten
auf S. 21 f. und 24f. — sondern vor allem, weil der Vortrag so auf- i der Luthertext fast der ganzen Bergpredigt geboten und in in sich gegebaut
ist, als ob eine Voraussetzung zu Recht bestünde, nämlich ] schlossenen Abschnitten erklärt. (Matth. 5, 27—32 ist dabei durch

Christentum einfach = Religion wäre, während es doch tatsächlich
eine höchst positive Religion von ganz besonderer Prägung ist.
Hätte L. das bedacht, könnte er sich unmöglich mit so abstrakten
und formalen Bestimmungen begnügt haben, daß Religion kulturdialektisch
ist und eine Verbindung von Theonomie und Autonomie

Marc. 10, 2—9 ersetzt.) Historisch-kritische Arbeit am Text wird
überall vorausgesetzt (S. 11), aber um der Abzweckung des Buches
willen, das gebildete Laien anleiten will, das an der Botschaft Jesu
zu erfassen, was uns die Gewalt und die Unbedingtheit des ewigen
Gottes zu erschließen vermag (S. 12), werden die Ergebnisse dieser

fordert (womit man keinen Hund hinterm Ofen hervorlockt). Er würde ' Arbeit absichtlich beiseite gelassen. Von den bei dieser Methode sich

gesehen haben, daß das Christentum ganz konrete Forderungen aufstellt ! so leicht einstellenden Schäden ist auch dieses Buch nicht frei. Es

und eine ganz bestimmte Richtung weist, daß es gewisse Kulturtendenzen i befindet sich in einer durchgehenden Ablehnung einer unmittelbaren

bekämpfend, andere aneignend, alles umbildend, als kulturkritische Anwendung von Worten der Bergpredigt auf soziale Fragen der Gegen-

und kulturschöpferische Macht gewürdigt werden muß — und zwar
unbeschadet jener nicht zu bestreitenden, vom Christentum aufgenommenen
allgemein religiösen „Kulturdialektik".

•bürg. W. Thimme.

Dosenheimer, Elise: Das zentrale Problem in der Tragödie
Friedrich Hebbels. Halle a. S.: M. Niemeyer 1925. (VII, 131 S.)
gr. 8°. = Deutsche Vierteljahrsschrift f. Literaturwissensch, u.

Geistesgesch., Buchreihe, Bd. 4. Rm. 6—; geb. 7.50. ' Ich sehr viel schwerer als sich zu allerlei schönen Grundsätzen der

wart, will vielmehr überall zeigen, daß Jesu Worte den viel tiefer
führenden Angriff auf Wesen und Willen des Einzelnen bedeuten.
„Jesus weiß ganz genau, warum er auf solche Allgemeinerwägungen
sich gar nicht einläßt und jeden für sich ganz persönlich unter den
Anspruch der Herrschaft Gottes stellt" (S. 60). Die Begründung
dieser doch sehr umstrittenen Einengung kann nur sehr kurz und andeutend
erfolgen, so daß nun polemische Abweisungen von ziemlicher
Schärfe störend wirken, z. B. S. 60 „. .das fällt unserm natürlichen

den

Mi "zwiscnen de" Geschlechtern anhängigen großen Prozeß" dargestellt
. Nur in der „Judith"? Die Verf. ist der Meinung, daß Hebbels
ganze tragische Dichtung von der „Judith" bis zu den „Nibelungen'

In seiner „Judith" hat Hebbel nach seinem eigenen Zeugnis Völker- und Klassenversöhnung zu bekennen und sich über die anderen

aufzuregen, die verstockt genug sind, nicht mit uns zu gehen". (Ahnlich
S. 25, 54, 72 f.). Die hier gemeinte Auffassung der Bergletzten
F"ä""'" ———a ■— — „juuiiu ui» i" „...ucuiigca predigt verlangt vor gebildeten Lesern ernster genommen zu werden
ist D ♦ mchts anderes als cine Darstellung dieses „Prozesses" Nach Erwähnung dieser Schwäche darf nun um so rückhaltloser

rzödie M SS S'e def ublicnen Deutung der Hebbelschen Tra- | gesagt werden, daß in dem Buch eine vorbildliche praktische Aus-
d i"d- ■.wldersPrecnen> daß in ihr nämlich der Dualismus zwischen j legung vorliegt. Jedes einzelne Wort der Bergpredigt wird erklärt
dem Individuum und dem Weltganzen, die tragische Schuld der Maß- | aus dem Ganzen der Person und Botschaft Jesu heraus, so wenn die