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Ausgabe:

1927 Nr. 9

Spalte:

197-200

Autor/Hrsg.:

Windisch, Hans

Titel/Untertitel:

Johannes und die Synoptiker. Wollte der vierte Evangelist die älteren Evangelien ergänzen oder ersetzen? 1927

Rezensent:

Bultmann, Rudolf

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Theologische Literaturzeitung 1927 Nr. 9.

198

essential and equally central in the sacrijice oj Christ" j
(S. 141). So schließt sich mit Christi Tod seine Auferstehung
und Himmelfahrt, durch die er in das himmlische
Heiligtum eingeht, wie der Hohepriester zum
Zweck der Blutdarbringung am Versöhnungstage das ;
Allerheiligste betrat, zur Einheit seines Opfers zusammen. |
Auf diese Verbindung von Tod und Auferstehungsleben
deutet von vornherein der Umstand, that sacrijice con-
sists not merely in killing something, but in the ofjering
of a lije that has passed through death, i. e. a risen lije" i
(S. 1; vgl. 68.117.119. 124.144.170), und O. legt
Gewicht darauf, daß in dieser Ansicht Theologen, die
sonst weit auseinandergingen, übereinstimmten (S. 1).
Nun aber ist das Opfer Christi von dem seiner Kirche
nicht zu trennen (S. 134), und damit kommt der Verfasser
zu einer Betonung des sacrifiziellen Charakters
des Abendmahles (S. 172), den Gray gerade abgelehnt
hatte (s. o.). Dabei nimmt er übrigens wieder eine j
Verschiedenheit der Bedeutung von Leib und Blut an:
.,In the gijt oj the Sacred Body we receive His Perjected
Sinlesss Human Nature and all that belongs to it, its
attributes and virtues; in the Sacred Blood, the perjected
Risen Ufe which vivij es His Body" (S. 165 Anm.).

Nicht jedem ist es gegeben, dem Vf. in dieser ganzen
typologischen Deutung zu folgen. Wer es nicht
kann, der mag wenigstens die Geschlossenheit ihrer
Konstruktion anerkennen.

Auch zu Einzelnem freilich bleibt manches Fragezeichen. So
soll der atl. Religion das Menschenopfer fremd sein (S. 16). — Den
Brauch der Bestreichung der Türpfosten mit Blut möchte G. unter
den Gesichtspunkt der communio gestellt wissen (S. 40); er ist
aber doch einfach dynamistischer Abwehrritus. — Ober die Berechtigung
, ausschließlich von einem Passahlamm zu sprechen (S. 44.

51), s. o. — nnil2p soll nur sacrifiziell gebraucht sein S.79);

dagegen aber s. Prov. 27,9; Ex. 30,37. Im Übrigen sieht G. im
Weihrauch das Symbol des „Schleiers" des Gebetes, der zwischen dem
Sünder und der göttlichen Gegenwart aufsteigt (S. 89). — Am wenigsten
dürfte Glauben finden, daß das Bestreichen der Hörner des
Altars in ihrer größem Nähe beim Himmel (als der göttlichen Wohnstätte
) seinen Grund gehabt habe (S. 76).

Göttingen. Alfred Bert holet.

D ornseiff, Priv.-Doz. Franz: Das Alphabet in Mystik und Magie.

2. Aufl. Leipzig: B. G. Teubner 1925. (VI, 195 S.) gr. 8°. =
Stoc^aa, Stud. z. Gesch. d. antiken Weltbildes u. d. griech.
Wissenschaft, H. 7. Rm. 8—; geb. 10—.

Von dem in Jahrgang 1923, Sp. 295 besprochenen
Buche mußte nach wenigen Jahren eine zweite Auflage
ausgegeben werden. Freilich ist die Bezeichnung
„zweite Auflage" cum grano salis zu nehmen. Von der
ersten wurde ein mechanischer Neudruck hergestellt und
hinten Nachträge und Berichtigungen angefügt. Dies
hätte gesagt werden müssen, damit der Leser, der in
drucktechnischen Dingen nicht Bescheid weiß, verstehe,
warum selbst offensichtliche Druckfehler der ersten
Auflage stehen geblieben sind. Aus dem unerschöpflichen
Gebiete konnte vieles nachgetragen werden. Von
den Fehlern in den orientalischen Zitaten sind die meisten
unberichtigt geblieben.

Göttingen. Mark Lidzbarski.

Windisch, Prof. D. Dr. Hans: Johannes und die Synoptiker.

Wollte der vierte Evangelist die älteren Evangelien ergänzen oder
ersetzen? Leipzig: J. C. Hinrichs 1926. (VIII, 189 S.) gr. 8°. =
Untersuchungen z. N. T., H. 12. Rm. 8.25; geb. 10.25.

Mit ebensoviel Umsicht, Scharfsinn und Gelehrsamkeit
wie mit Breite und vielfachen Wiederholungen
wird die These verfochten, daß Jon. ein „autonomes und
suffizientes" Evangelium ist, das nicht die Synoptiker
ergänzen oder interpretieren, sondern sie ersetzen und
verdrängen will als das eine wahre, das xatvw evay-
yeuov. Vor allem wird dabei die alte und auch heute j
(Th. Zahn) noch vertretene Ergänzungstheorie bekämpft <
U- i!"' gründlich widerlegt. Kurz behandelt und !
gleichfalls abgewiesen wird die Unabhängigkeitstheorie
, d. h. die Meinung, daß Joh. die Synoptiker gar nicht
gekannt habe. Eingehender wird die Interpretationstheorie
widerlegt, nach der Joh. gleichsam einen
Kommentar zu den Synoptikern habe liefern wollen. Sie
widerspricht der souveränen Art, mit der Joh. die Synoptiker
behandelt, seinem Bewußtsein der Autonomie und
Suffizienz. Das Äußerste, was sich sagen ließe, wäre,
daß Joh. seine Vorgänger „toleriert, daß er sie aber
mit seiner Darstellung der Heilsgeschichte überbieten
, in den Schatten stellen, zurückdrängen
, ihren Einfluß paralysieren will".
Aber am besten verständlich werde das Evangelium
von der radikalen Verdrängungstheorie aus.

C. 1 gibt eine Übersicht über die geschichtliche
Entwicklung des Problems, die des Interessanten viel enthält
, aber der Gefahr der Mikrologie nicht entgangen
ist. C. 2 fixiert die literarischen und literarkritischen
Voraussetzungen (Joh. kennt die Synoptiker; er ist für
die vorliegende Frage als Einheit zu nehmen). C. 3
widerlegt die Ergänzungstheorie auf Grund der Komposition
des Evangeliums. Die cc. 4—6 vervollständigen
den Beweis durch Untersuchung der synoptischen Peri-
kopen des Joh., der angeblichen Anspielungen auf synoptische
Geschichten und der Auslassung solcher durch
Joh. Nachdem c. 7 die Ergänzungsabsicht aus Joh.
20,30 f. und 21,25 widerlegt hat, zieht c. 8 das Ergebnis
, und c. 9 versucht sodann die Verdrängungsabsicht
des Evangelisten psychologisch zu verstehen, während
c. 10 verwandte literarische Prozesse im AT, im Judentum
und im Urchristentum nachweist.

Die negative Seite der These halte ich, wie angedeutet
, für gesichert. Daß Joh. nicht als ein Supple-
mentum zu den Synoptikern gelesen werden will, scheint
mir bes. aus der Komposition des Evangeliums gut erwiesen
zu sein (c. 3); die künstliche und deutlich apologetisch
motivierte Art der Exegese etwa Zahns ist sehr
deutlich gemacht. Ich meine sogar: die Beweislast wäre
umgekehrt von der Ergänzungstheorie zu tragen. Denn
wie der Verf. mehrfach betont: seinem Sinne nach beansprucht
jedes Evangelium autonom und suffizient zu
sein und ist von seinen Lesern zunächst auch so aufgefaßt
worden. Wer ein neues Evangelium schrieb,
wollte damit ältere ersetzen. Das Nebeneinander mehrerer
Evangelien wurde für die alte Kirche zum Problem;
denn zunächst herrscht das Ein-Evangelien-Prinzip, wie
es dann in ihrer Weise Tatian wie Marcion wieder
durchzuführen suchen. Vgl. in dieser Hinsicht die wichtigen
Ausführungen S. 43f.; S. 129—132; S. 163—177.
Auch die Parallelen auf anderen Gebieten sind dafür sehr
instruktiv (S. 151 — 163).

Der positive Sinn der These des Verf. muß jedoch,
wie mir scheint, modifiziert werden. Zunächst wundere
ich mich, daß der Nachweis der Bekanntschaft des
Joh. mit den Synoptikern so leicht genommen wird
(c. 2). Durch bloße Aufzählung von gleichlautenden
Wendungen und einzelnen sachlichen Berührungen ist
der Beweis kaum sicher zu führen. Die einzelnen Fälle
wiegen ganz verschieden schwer und können ganz verschieden
beurteilt werden. Der Verf. nimmt ja z. B. (wie
andere und auch ich) an, daß der Evangelist eine
orjuela-Quelle benutzt hat. Wissen wir denn, wieviel in
ihr stand, und wie ihr Verhältnis zu den Synoptikern
war? Durch sie könnte doch manches „Synoptische"
vermittelt sein! Jedenfalls halte ich es für keineswegs
sicher, daß Joh. einen oder mehrere der Synoptiker gekannt
hat. Und hat er sie nicht gekannt, so hat er sie
auch nicht verdrängen wollen.

Freilich bliebe dann das Problem ein ähnliches.
Denn gekannt hat Joh. ja auf alle Fälle eine reiche evangelische
Tradition, die z. T. der synoptischen verwandt
ist. Aber so hätte m. E. die Frage von vornherein gestellt
werden sollen: Joh. und die hinter ihm liegende
evangelische Tradition. Dann wird m. E. noch klarer daß
die Frage nicht auf ein unbedingtes Entweder — Öder
gestellt werden darf. Ich betone freilich noch einmal: