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Ausgabe:

1926 Nr. 6

Spalte:

137-140

Autor/Hrsg.:

Mausbach, Joseph

Titel/Untertitel:

Thomas von Aquin als Meister christlicher Sittenlehre 1926

Rezensent:

Betzendörfer, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 6.

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die Übersicht über Gregors Gedanken, die Verf. gibt,
kann, obwohl sie gegenüber dem Heterodoxen nicht
vollständig ist, auch der Forschung nützen. Denn gleich
sorgfältig, wie der Verfasser einer Monographie, kann
ein Bearbeiter der ganzen Dogmengeschichte oder eines
größeren Ausschnitts aus ihr, wie ihn W e i g 1 behandelt,
mit dem Nyssener sich nicht beschäftigen. Aber der
Wert einer bloß referierenden Arbeit ist doch, auch abgesehen
von der Frage der Vollständigkeit des Referats,
ein beschränkter. Denn zu jeder Größe der Vergangenheit
gehört ihre Stellung in der Entwicklung, in der
sie stand. — Daß Verf. an der damit gestellten Aufgabe
vorbeigegangen ist, mag dennoch seinem Buche zu gute
gekommen sein. Denn seine oberflächliche Polemik
gegen eine Unterscheidung der „Jungnicäner" und „Altni-
cäner" (S. 37) und (S. 94) seine Besprechung von H o 1 l's
These, Gregor sehe in dem von Maria Geborenen zunächst
nur den Menschen (Amphilochius, S. 230 f.), zeigt,
daß Verf. Wichtiges nicht sehen kann. Freilich haben
auch Cavallera (Le schisme d'Antioche, 1905, S.
109f.), Tixeront (Histoire des dogmes II, 1909,
S. 76-89), Bardenhewer (III, 1912, S. 158f.)
u. a. die 1866 durch Th. Zahns Marcellus (vgl. S. 87)
angeregte und jetzt auf protestantischer Seite mit Recht
zur Herrschaft gekommene Beurteilung der Jungnicäner
kritisiert — Tixeront so verständig, daß man ihn von
Cavallera und Bardenhewer abrücken muß —;
und soweit diese Kritiker dabei an der Formulierung sich
stoßen, das ofioovOiog der Jungnicäner sei nichts anderes
als das bftototaiog der Homoiusianer, kann man
sie allenfalls verstehen. Allerdings nur soweit. Lenz
aber hat für das, worauf es hier ankommt, gar kein
Verständnis. „Gregor vertritt (inbezug auf Gott, den
Vater, und den Logos) die numerische Einheit des
Wesens", so sagt er (S. 37); und, rechtverstanden, ist das
natürlich richtig. Aber L. nimmt (S. 39) keinen Anstoß
daran, daß Gregor das alte Bild von der Sonne und ihrem
Strahl in das Bild von zwei Sonnen korrigiert (c.
Eunom. 1, 532f„ ed. Jaeger 1,172)! Ebenso fehlt ihm
trotz des Zugeständnisses, daß Gregor „in dem bereits
schärfer gewordenen Gegensatz zwischen alexandri-
nischer und antiochenischer Christologie noch keine
Stellung nimmt" (S. 88), wenn nicht das Organ, so die
Neigung dafür, festzustellen, daß Gregor auch von
später verurteilten antiochenischen Traditionen erreicht
ist (vgl. W e i g 1, S. 70 f. und 78). Sonst würde er z. B.
auf das mehrfach vorkommende 0-eodoxog oagi ode
"vd-Qt07Cog (Holl, S. 231) hingewiesen haben — ich cr-r
innere mich wenigstens nicht solchem Hinweis bei ihm
begegnet zu sein —, würde auch nicht verkannt haben,
daß die Seltenheit des Ausdrucks &sormog bei Gregor
nicht Zufall ist. Der (seinem Deutsch nach unschöne)
Satz: „Mit klaren Worten nennt der Nyssener Maria
Gottesgebärerin, ein Ausdruck, der damals schon allgemein
gebräuchlich war" (S. 95), verschleiert den Tatbestand
. Und wenn gegenüber Holl, der, die Sicherheit
seiner Beobachtung vorsichtig einschränkend, meinte
das faorrfxos finde sich bei Gregor nur an einer
Stelle (ep. 3, MSG. 46, 1024 A), noch zwei ganze andre
aufgewiesen werden, so hat es zwar mit der einen
(de virg. 19, MSG. 46, 396 B), an der die Bezeichnung
im adjektivischen Sinne vorkommt (Aarons Schwester
Maria war ein Typus für ritv xteoToxovMctQiav) seine Richtigkeit
; aber die zweite (in Christi res. 2, MSG. 46,
633 A), an der i) Oeoröxog wie ein Eigenname gebraucht
wird, stammt nicht von Gregor ner, sondern
von dem — Monophysiten Severus (Bardenhewer
III, 207). ' 3

Halle a. S. Friedrich Loofs.

Mausbach, Joseph: Thomas von Aquin als Meister christlicher
Sittenlehre. Unter besond. Berücksichtigung seiner Willenslehre.
München: Theatiner-Verlag 1025. (IX, 162 S.) kl. 8°. = Der
kathol. Gedanke, Bd. 10. geb. Rm.3—.

Das Buch, eine Frucht des Thomasjubiläums, enthält
3 Vorträge bei Thomasfeiern in Münster und Köln,
außerdem einen Vortrag auf dem Eucharistischen Kongreß
in Amsterdam, endlich 2 Abhandlungen über die
Willenslehre des Aquinaten.

Der Vortrag: „Über Geist und Methode
der Ethik des hl. Thomas" bildet gewissermaßen
die Einleitung des Büches.-, Nach einer kurzen Übersicht
über Thomas Leben und Werk stellt der Verf. das
Wesen der thomistischen Ethik in ihren Gründzügen
i unter beziehendem Vergleiche mit Kant dar. Den
j Unterschied der thomist. Ethik von der kantischen erblickt
er zunächst in der religiösen Begründung (S. 11),
i sodann darin, daß .sie eine teleologische Ethik der Güter
i und Ziele ist im Gegensatz zu der formalistischen
Ethik Kants. Wenn Mausbach von der Ethik Kants
sagt: Es „verlor bei ihm der Begriff des Guten . . .
völlig den alten Sinn des Anziehenden, Liebenswerten",
so kann man das auch vom evangelischen Standpunkt
; aus unterschreiben. — Bei Thomas ist Gott Grundlage
und Ziel der Sittlichkeit, die Spitze der ethischen Werte,
I das summum bonum. Der Wille ist es, der das Sollen
i in Wollen verwandelt (S. 16). Er ist realiter frei; doch
bedeutet Freiheit nicht schrankenlose Indifferenz; der
: Wille besitzt vielmehr eine notwendige Richtung auf das
j Gute, kann aber unter den Einzelgütern frei wählen. Er
ist einerseits eine gefühlsmäßige, für Werteindrücke
empfängliche Kraft. Sein Grundaffekt
ist die Liebe, das Wohlgefallen am Guten im allge-
I meinen, in erhöhter Form am „sittlich Schönen und
Heiligen" (S. 17). Andererseits ist der Wille die ge-
j bietende Kraftdes Handelns. — In der Sozial-
I ethik vertritt Th. den Grundsatz: Das Wohl der Allge-
i meinheit geht dem des Einzelnen vor. (Die betr. Stelle
findet sich übr. nicht: S. Th. 1 II, q. 31, a. 3, sondern
2 II, q. 39, a. 2!) Die Seele des sozialen Organismus
besteht in der Zielstrebigkeit aller Teile auf das Ganze
hin. Je vollkommener die höchsten Gemeinschaften
(Staat und Kirche) sind, desto mannigfaltiger sind sie
gegliedert. Das wichtigste Glied besitzt die Regierungsgewalt
. Auch die staatliche Gewalt im allg. gründet sich
i auf Gottes Anordnung (S. 21).

Der 2. Abschnitt „Natur und Ü b e r n a t u r"
sucht zu zeigen, in welcher Weise sich Th. das Zusammenwirken
von Natur und Gnade denkt. Die Welt
ist für ihn eine große Einheit, wo alles von Gott ausgeht
und wieder zu ihm zurückstrebt, wo das Niederste
und das Höchste organisch verknüpft ist, wo das höhere
Sein, wenn es zum niederen hinzutritt, dieses nicht aufhebt
, sondern erhebt und bereichert. Der Mensch
mit seinem leiblich-sinnlichen Wesen ist „wie der Baum
in die Erde verwurzelt; aber mit dem Wipfel und der
Krone strebt er der Sonne entgegen, dem göttlichen Ur-
bilde". Zu der natürlichen Verbindung tritt, sie bei
weitem überragend, ergänzend, erhöhend und vollendend,
die übernatürliche Gnade Gottes, deren Zentralwunder
in der Inkarnation des Gottessohnes besteht (S. 36).

Anschließend gibt M. Einzelbeispiele für die org. Verbindung
von Natur und Onade im System des Aquinaten, im Gebiete
des Denkens und des Wollens. Er zeigt, wie nach Th. das natürliche
Denken dem Glaubensakt des Einzelnen vorarbeitet, wie dieser
selbst aber nur durch göttl. Gnadenwirkung möglich wird, und wie
der Mensch auf Grund des Glaubens zu vollerem Verständnis auch
der göttl. Geheimnisse gelangt (S. 45). Er führt aus, wie auch im
Gebiete des Wollens Natürliches und Übernatürliches, menschl.Wille
und göttl. Gnade zusammenwirken: so, daß man zwischen beiden
„nicht addieren und subtrahieren" kann (S. 47). Die gute Handlung
ist ganz Gottes und ganz des Menschen. Die Zuversicht auf Gott
entbindet den Menschen nicht davon, das Höchste von sich zu fordern.
Auch an den ehr. Tugenden, zuhöchst an der Liebe, zeigt sich diese
Ergänzung und Erhöhung der Natur durch die Obernatur. Während
die gegenseitige Liebe der Menschen nur eine psychologische
Einigung bewirkt, wird die Liebe im gegenseitigen Verhältnis
von Gott und Mensch zur ontologischen Einigung (S.49).
Auch hier wird das Natürliche (die auf Verwandtschaft etc. beruhende
Liebe) nicht aufgehoben, sondern zur Vollendung geführt.
Selbst in den Sakramenten ist das Übernatürliche mit dem Natürlichen
als dem Träger der Gnade harmonisch geeint. M. weist
dem Vorwurf des Magischen gegenüber darauf hin, wie Th. die sittl.