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Ausgabe:

1926 Nr. 6

Spalte:

129-130

Autor/Hrsg.:

Bonwetsch, G. Nathanael

Titel/Untertitel:

Die Theologie des Irenäus 1926

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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129 Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 6. 180

movimento Franccscano' (S. 239—255) versteht es Buo-
naiuti, aus dessen Feder auf dem Umschlag des Heftes
ein ,profilo' von Jesus Christus und eines vom
seraphischen Heiligen angekündigt ist, die bisher beobachteten
conformitates zwischen der urchristlichen und
der franziskanischen Bewegung und ihrem Widerschein
in der Jesus-Forschnng und der Franziskus-Forschung
zu vertiefen und um einige Züge zu bereichern. Beide
Bewegungen haben ihren Platz zwischen zwei starken
Entladungen apokalyptischer Hochspannungen: die
evangelische zwischen den eschatologischen Gesichten,
die seit der Hasmonäerzeit das volkstümliche jüdische
Schrifttum beseelten, und der asketischen und enderwar-
tenden Predigt des Täufers; die franziskanische zwischen
den von Joachim von Floris ausgestreuten Gedanken
und dem Traum ihrer Verwirklichung bei Gherardo da
Borgo San Donnio. Beidemal lautet die sittliche Mahnung
: Bekehrung, Selbstverleugnung und Milde! Und
als Frucht wird verheißen: Freude! Beide Bewegungen
sind zwei Versuchungen ausgesetzt: einerseits der des
sittlichen Sichgehenlassens und anderseits der des Rückfalls
in die Formen bisheriger Gesetzlichkeit; jene
kommt von den eigenen Brüdern, diese von außen, von
der Obrigkeit. Wie die Kurie den evangelischen Gedanken
des Armen von Assisi in Mönchsregeln gezwängt
hat, so hat umgekehrt Franziskus den politischen
und kriegerischen Kreüzzugsplan der Kurie in den einer
friedlichen Bekehrungsarbeit umgeschaffen. — Ein kleiner
Artikel von R. Pfeiffer handelt von Magie und
Religion in den assyrischen und babylonischen Briefen
des Britischen Museums (S. 256—261). — Niccoli
wendet sich in seinem Aufsatz ,Docetismo e Soteriologia
nel „De Trinitate" di Mario' (S. 262—274) gegen Raven,
der in seinem Buche über den Apollinarismus (Cambridge
1923) die Christologie des Hilarius von Poi-
tiers für ausgemacht doketisch und gnostisch erklärt
und anderslautende Stellen in De Trinitate als Einschübe
betrachtet. Was das letztere betrifft, so findet auch
N. in De Trinit. IX, 75 einen Einschob, der mit IX, 73 in
handgreiflichem Widerspruch stehe, und ebenso in X, 9.
Dagegen legt er im übrigen dar, daß Hilarius zwar die j
Empfindung des Schmerzes und der Leiden bei Chri- ■
stus verneine, da er seine Seele unmittelbar von Gott
herleite, ihre geschichtliche und objektive Wirklichkeit
aber bejahe, wie ja auch der Realismus seiner Erlösungs-
lehre eine realistische Christologie verlange. Das stimmt,
aber — ,es steht doch immer schief darum'. Denn wo
ein Schmerz gar nicht empfunden werden kann, ist
auch kein wirkliches Leiden vorhanden. Daß des Hilarius
' Anschauung mit dem späteren Chalcedonense nicht
im Einklang stehe, sagt N. selber. (S. 266 Z. 1 heißt es
durch einen lapsus: ,che la Vergine fu coneepita dallo !
Spirito' statt: ,ebbe coneepito'). — S. 275—280 antwortet
Liizzarini auf die gegen seine Ausführungen erhobenen
Einwände. Im ,Bolletino' (S. 281—290) berichtet
Poggioli über neuere religionsgeschichtliche
Veröffentlichungen.

Weitere Hefte sind bis jetzt nicht eingegangen. Die
vorliegenden drei aber erweisen die neuen ,Ricerche
religiosi' als gut geleitete und reichhaltige Zeitschrift.
München. Hugo Koch.

Bonwetsch, G. Nathanael: Die Theologie des Irenäus.

Gütersloh: C. Bertelsmann 1925. (VII, 162 S.) gr. 8°. = Beiträge
/.Förderung christl. Theologie, 2. Reihe, 9. Bd. geh. Rm. 5—.

Diese letzte Schrift des verdienten Kirchenhistorikers
(f 18. Juli 1925) sollte ein Teil einer zusammenfassenden
Arbeit über die abendländische Theologie
um 200 sein, in der außer der Theologie des Irenaeus
1 ertullian und Hippolytus von Rom behandelt werden
sollten. Ein kurzes Nachwort sagt uns, daß dem Irenaeus
, „wohl aus einer inneren Wesensverwandtschaft
heraus", immer Bonwetschs besondere Liebe gehört hat,
und so ist es wohl selbstverständlich, daß er tief in die
christliche Gedankenwelt dieses Mannes eingedrungen

ist und ein einigermaßen vollständiges und richtiges
Bild von ihr gegeben hat. Es kommt ihm darauf an
nachzuweisen, daß sein christliches Bewußtsein ein ein-
I heitliches und geschlossenes gewesen ist, obwohl sein
; Inhalt verschiedenen Quellen entstammt und eine schärfere
Bestimmtheit vermissen läßt (dem Ausdruck nach
auch direkte Widersprüche nicht fehlen). Nach seiner
eigenen Angabe (S. 21) trifft das Ergebnis seiner Untersuchung
in weitem Umfange zusammen mit der Darstellung
, die Seeberg in seiner Dogmengeschichte ge-
I geben hat. Alle Vorzüge der Arbeitsweise Bonwetschs
I machen sich in der vorliegenden Arbeit bemerkbar:
die ausgebreitete, solide Gelehrsamkeit, die Berücksich-
! tigung und milde Beurteilung auch gegenteiliger An-
; sichten, das Bestreben, die Anschauungen auf ihren Ur-
j sprnng zurückzuführen, vor allem aber, die eigenen Gedanken
des behandelten Autors scharf und richtig wiederzugeben
.

In der Einleitung (S. 3—31) wird zuerst kurz über
die Schriften des Irenaeus, ihre Erhaltung und ihre Ausgaben
berichtet; dann werden die Bearbeitungen seiner
Theologie insbesondere in der neueren Zeit, seit dem
19. Jahrhundert, ziemlich ausführlich charakterisiert und
! analysiert. Leider ist der Frage nach der Einwirkung
J seiner Theologie in der alten und neueren Zeit nur wenig
; Beachtung geschenkt. Ich wenigstens hätte gern etwas
; über ihren Einfluß auf Michael Server, der ihn häufig
I zitiert, und auch auf neuere Dogmatiker erfahren. Der
j Stoff selbst wird dann (S. 31 — 157) in folgenden Ab-
I schnitten vorgelegt: 1. die christliche Wahrheit und
I die Quellen ihrer Erkenntnis; 2. die Lehre von Gott;
| 3. der Mensch; 4. die Erlösung durch den Gottmenschen;
I 5. die Kirche; 6. das Leben des Christen; 7. die Heilsvollendung
. Es ist keine Frage, daß in diesem Rahmen
die Möglichkeit gegeben ist, die Gedankenwelt des Irenaeus
, die eigene sowohl wie die übernommene, gut
: unterzubringen, und daß Bonwetsch seiner Aufgabe treu
und sorgsam gerecht geworden ist, braucht nicht erst
hervorgehoben zu werden. Man kann bemerken, daß
■ der kritische Maßstab zur Beurteilung seines großen
| Hauptwerkes, den uns die Epideixis gegeben hat, nicht
genügend zur Anwendung gehracht worden ist; aber
| man wird die letzte Gabe des besonders um die alte
Kirchengeschichte so verdienten Verfassers, der wirklich
„in den Sielen" gestorben ist, mit Ehrerbietung und
Dankbarkeit anerkennen.

Kiel. G. Ficker.

Origenes Werke, Bd. VIII: Homilien zu Samuel I., zum
Hohelied und zu den Propheten, Kommentar zum Hohelied
in Rufins und Hieronymus' Übersetzungen. Hrsg. im
Auftr. d. Kirclienväter-Commission d. Preuß. Akad. d. Wissenschaften
v. W. A. Baehnens. Leipzig: J.C. Hinrichs 1925.
(LVIII, 509S.) gr.8°. = Die Griech. Christi. Schriftsteller d. ersten
drei Jahrh., Bd. 33. Rm. 28.80; geb. 32—.

Die große kritische Ausgabe der in lateinischer
Übersetzung erhaltenen Schriften des Origenes zum
A.T. ist mit dem vorliegenden dritten Teile vollendet.
Die Arbeit war im Frühjahr 1913 (Bd. I S. XXXII)
begonnen worden; über zwei Jahre waren den Bibliotheksarbeiten
gewidmet, deren Ergebnisse 1916 in den
TU 42, 1 veröffentlicht worden sind, und die drei
Bände konnten 1920, 1921 und 1925 erscheinen. Dem
Herausgeber W. A. Baehrens für sein bedeutendes und
mühevolles Werk aufrichtig zu danken, ist die Pflicht
jedes Benutzers seiner drei Bände. Unser Dank gebührt
aber auch dem J. C. Hinrichs'schen Verlag, der
stets um die Förderung der Wissenschaft bemüht,
auch unter schwierigen Verhältnissen diesen dritten
Band in der alten schönen Ausstattung herausgebracht
hat. Im März 1921 war das Erscheinen
desselben noch in Frage gestellt (Or. VII S. XXXIV),
um so mehr dürfen wir uns der Erfüllung des von
dem Ref. in der ThLZ. 1923 Nr. 4 Sp. 84 ausgesprochenen
Wunsches jetzt freuen. Der dritte Teil
zeigt dieselben Vorzüge wie die beiden ersten: der