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Ausgabe:

1926 Nr. 4

Spalte:

83

Autor/Hrsg.:

Kraft, Benedikt

Titel/Untertitel:

Die Evangelienzitate des heiligen Irenäus 1926

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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83

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 4.

84

Anhang „Der diaßolos und die magischen Elemente
im N.T." (S. 59—61). Er gibt, vor allem aus den
Zauberpapyri, ein lehrreiches Bild von der Rolle, die in
den ägyptisch-griechischen magischen Gebeten die „Verleumdung
", die Anschwärzung der Gottheit bei ihrem
Feinde, um ihren Zorn zu erregen, gespielt hat, offenbar
unter orientalischem Einfluß. Von ihr Verbindungslinien
zu dem dictßoXog der LXX und des N.T. zu ziehen, erscheint
zwar verlockend, setzt aber eine viel gründlichere
vergleichende Erforschung der religiösen Terminologie
der LXX voraus, als wir bis jetzt besitzen. Möchten die
Symbolae Osloenses auch fernerhin ein Symbol fruchtbarer
Zusammenarbeit von urchristlicher und hellenistischer
Religionswissenschaft sein!

Göttingen. J. Behm.

Kraft, Bischöfl. Archivar u. Bibliothekar Dr. theol. Benedikt: Die
Evangelienzitate des heiligen Irenäus. Nach Ueberlieferung
u. Textart unters. Freiburg i. Br.: Herder & Co. 1924. (III, XVI
u. 116 S.) gr. 8°. = Biblische Studien, XXI. Bd., 4. Heft.

Rm. 4—.

Diese gründliche und sorgfältige Schrift befolgt
richtige Grundsätze in der Wiederherstellung oder Erhebung
des ursprünglichen Wortlautes des Textes der
Evangelien, wie ihn Irenaeus vor sich gehabt hat. Sie
macht mit vollem Rechte auf die Güte der alten lateinischen
und armenischen Übersetzung aufmerksam, als
zweier ausgezeichneter Hilfsmittel. Die Einwirkung der
alten lateinischen Bibeltexte auf den lateinischen Übersetzer
wird nicht gerade geleugnet, aber erheblich beschränkt
. Als Entstehungszeit der lateinischen Übersetzung
wird zirka 200, oder Ende des 4. Jahrhunderts
abgelehnt, dagegen zirka 300 wahrscheinlich gefunden.
Aus zahlreichen Listen der handschriftlichen und gedruckten
Lesarten werden in häufiger Auseinandersetzung
mit Sanday-Turner-Souter, Novum Testamentum
S. Irenaei, Oxford 1923 (vgl. diese Zeitung 1923, Nr. 25)
die Ergebnisse gewonnen. Danach stellt der Text des
Irenaeus einen selbständigen und äußerst wertvollen Vertreter
der Textgruppe dar, die am stärksten beeinflußt
ist durch das in griechischer Sprache schon um die
Mitte des 2. Jahrhunderts zu Rom vorhandene und gebrauchte
Diatessaron. Der Evangelientext des Irenaeus
ist, so darf wohl mit Sicherheit angenommen werden,
aus Rom bezogen: mit Rücksicht auf seine römische Herkunft
und infolge seiner Übereinstimmung mit einer
großen Zahl anderer zunächst im Abendlande umlaufender
Texte nicht nur für .Südgallien, sondern auch für
den italisch-afrikanischen Kreis der damaligen Christenheit
als Typus zu betrachten. Durch das „wohl mit
Sicherheit" hat der Verf. ja schon selber ausgesprochen,
daß er seine Hypothesen noch nicht für gesichert hält.

Mir scheint ein Grundfehler dieser Arbeit zu sein,
daß sie ihre Untersuchung nicht über die Zitate aus dem
Alten Testamente ausgedehnt hat. — Störend wirkt der
immer wiederkehrende Fehler: der dem Irenaeus vorge-
legeire Text oder ähnlich. S. 31, Z. 1 v. o. lies Gallasius
für Gallius.

Kiel. G. Ficker.

(Finke-Festschrift] Abhandlungen aus dem Gebiete der
mittleren und neueren Geschichte und ihrer Hilfswissenschaften
. Eine Festgabe, zum siebzigsten Geburtstag Geh. Rat
Prof. Dr. Heinrich Finke gewidmet von Schülern und Verehrern
des In- und Auslandes, R. d'Alös-Moner, Hermann
Baier, Mercedes Gaibrois de Ballesteros u. a. Mit e.
Lichtbild Heinrich Finkes u. 3 Kunstdruckbeilagen. Münster i. W,:
Aschendorff 1925. (XI, 517 S.) gr. 8°. «= Vorreformationsgeschichtl.
Forschgn., Supplementband. Rm. 21 — ; geb. 25—.

Dem auch um die Kirchengeschichte hochverdienten
Freiburger Historiker werden in diesem stattlichen Bande
31 Abhandlungen in deutscher, spanischer, katatonischer
und italienischer Sprache von seinen Schülern und Verehrern
dargebracht. Mehrere unter diesen Arbeiten bieten
auch der kirchengeschichtlichen Forschung wertvolle
Resultate oder Anregungen dar. Auf Einzelheiten kann

hier nicht eingegangen werden. Aber ich möchte wenigstens
die wichtigsten für die Kirchengeschichte in Betracht
kommenden Abhandlungen hervorheben. A. Ei-
t e 1 gibt einen lehrreichen Überblick über die spanische
Kirchenverfassung vor der germanischen Zeit. V a 1 s -
T a b e n e r berichtet über die Sammlungen der Canones
in Katalonien von 872—1162. Puiz i Cadafalch handelt
von dem besonderem Kirchbaustil der iglesia coberta
amb fusta im 10. und 11. Jahrhundert in Spanien und den
angrenzenden Gebieten. Gaibrois de Ballesteros
behandelt die Geschichte des Munio de Zamora, des
späteren Dominikanergenerals und seine Absetzung
durch Nikolaus IV. (1291). d'AlosMoner teilt einen
katatonischen Text der Informatio Beguinorum des Arnold
von Villanova mit. Mehrere Abhandlungen sind
der Geschichte des kirchlichen Lebens des Mittelalters
gewidmet. So gibt S c h m i d 1 i n einen Überblick über
die Missionsarbeit des ausgehenden Mittelalters. Landmann
stellt die Predigten und Predigtwerke zusammen,
welche im 15. Jahrh. nachweislich in den Händen der
Wiener Geistlichkeit sich befanden. Rest berichtet über
die illuminierten Ablaßurkunden aus Rom und Avignon
aus der Zeit 1282—1364. Brettl e schreibt über den
Traktat des Königs Robert von Neapel De evangelica
paupertate in der Zeit des theoretischen Armutsstreites.
Von dem König sind übrigens auch 289 Predigtentwürfe
erhalten. G ö 11 e r bespricht den Ämterverkauf an der
Kurie und die Reformversuche Hadrians VI. Höchst
interessant ist das Kulturbild, das A. v. Martin im Anschluß
an die Viten des Vespasiano da Bisticci von dem
Quattrocento zeichnet. Dem Konstanzer Konzil sind zwei
Abhandlungen gewidmet. Mulder zeigt, wie der Dominikanergeneral
Leonardus Statius der konziliaristischen
Strömung allmählich erliegt. Hollnsteiner legt in
einem senr anregenden Aufsatz die Entstehung der Geschäftsordnung
auf dem Konstanzer Konzil dar und
j gibt seiner Darstellung mit Recht den Untertitel „ein
i Beitrag zur Geschichte des Parlamentarismus und der
| Demokratie". Diese kurzen Bemerkungen mögen genügen
, um dem Leserkreis dieser Zeitung eine Vor-
i Stellung von dem reichen und vielseitigen Inhalt dieser
i Festschrift zu geben.

Bcrlin-Halensee. R. Sceberg.

Kaerst, Julius: Weltgeschichte. Antike und deutsches Volkstum
Leipzig: Th. Weicher 1925. (91 S.) gr. 8°. Rm. 2-; geb. 3—.

Dieses gedanken- und inhaltreiche Buch bestimmt in
beständiger Auseinandersetzung mit neueren Ausführungen
, namentlich auch denen von Spengler und
Troeltsch, den Anteil, den die Antike an dem geschichtlichen
Leben unseres Volkes gehabt hat und noch hat,
bekennt sich also rückhaltlos zu dem Gedanken von
der historischen Kontinuität unserer Kultur. Das ist aber
nicht die Hauptsache. Die Hauptsache ist, daß der Verfasser
zeigt, wie trotz aller universalhistorischen Bedingtheit
unseres eigenen Wesens wir das Recht und die
Pflicht haben, unser eigenes Leben zu führen, unsere
eigene Kultur zu entwickeln, besondere Bildungen hervorzubringen
, wie sie einem starken, ursprünglichen Volkstum
entsprechen. Um die Ideen der Einheit und der Freiheit
gruppieren sich die Ausführungen des Verfassers. Neben
der antiken Idee der Einheit der Oekumene behält die
Idee der Freiheit ihr gutes Recht, wie sie wesentlich
durch den deutschen Geist und die deutsche Geschichte
ausgebildet ist. Die mehr als zweitausendjährige Geschichte
unseres Volkes liefert den schlüssigen Beweis
dafür. Wir finden in ihrem bisherigen Verlauf ein deutliches
Streben vom Universalismus zum eigenen Wesen,
von der Einheit zur Freiheit. In beständiger Auseinandersetzung
mit den anderen Elementen eines großen
historischen Gesamtlebens, teilweise in fruchtbarer Berührung
mit ihnen, zum Teil aber auch in bewußtem
Gegensatze gegen fremde Kräfte und Ziele, reift die
innere Selbständigkeit deutscher Geschichte heran. Wenn
der deutsche Staat des Mittelalters unter dem unmittel-