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Ausgabe:

1926

Spalte:

79

Autor/Hrsg.:

Viteau, Joseph

Titel/Untertitel:

Un probléme littéraire: La fin de S. Jean Baptiste dans les évangiles 1926

Rezensent:

Dibelius, Martin

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Seite 1

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7!»

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 4.

80

lieferten Gebeten von Rabbinen nach. Aberglaube und
Glaube im Zusammenhang mit dem Zerbrechen eines
Glases- bei Trauungen erörtert J. S. Lauterbach,
S. 351 ff., das Verhältnis des Naturgesetzes zur Bibel
bei Hugo Grotius J. Husik, S. 381 ff. Briefe von
Isaac M. Wise, Abraham Geiger, Ludwig Philipson und
K. Kohler, veröffentlicht D. Philipson (S. 419ff.)
als Beiträge zur Geschichte des Reformjudentums.
Greifswald. G. Da Im an.

V i t e a u, Abbe J.: Une Enigme historique: Le röle de Saint Jean.

Auxcrre: Imprimerie Moderne 1923. (11 S.) 8°. fr. —50.

Ders.: Un probleme litteraire: La fin de S. Jean Baptiste dans

les evangiles. Le Puy: Imprimerie Peyriller, Rouchon et Gamon

1923. (24 S.) gr. 8°.
Ders.: Sur deux versets de S. Matthieu. Paris: Selbstverlag. (16 S.)

gr. 8».

Von den vorliegenden drei kleinen Abhandlungen
enthalten die beiden erstgenannten eigentlich nur Problemstellungen
, keine Lösungen. Der Verfasser nennt in
der Broschüre über Johannes und seine historische Rolle
alle Punkte, die das Nachdenken eines kritischen Lesers
anregen können, wohlgemerkt, wenn er die „Echtheit"
des vierten Evangeliums und die Augenzeugenschaft
seines Verfassers wenigstens in der Leidensgeschichte
voraussetzt. Er geht dabei, und nach meinem Empfinden
für die Lieblingsjünger-Frage mit Recht, von der Hohepriester
-Szene aus: wie kam Johannes zu Beziehungen im
hohepriesterlichen Palast — Johannes und nicht Petrus,
aber auch nicht Jakobus? Er verschiebt das Problem
nun aber gleich wieder, wenn er von Beziehungen nicht
nur zur Dienerschaft, sondern auch zum Hohenpriester
selbst redet und sie aus dem Wissen des Evangelisten
d. h. des Johannes über den Hohenpriester erschließt.
Und von solcher Voraussetzung aus erhebt sich ihm eine
wichtige geschichtliche Frage: bei dem Verhör hat sich
Jesus nach Joh. 18, 21 auf seine Hörer berufen; wenn
einer von diesen zugegen und überdies dem Hohenpriester
bekannt war, wie kommt es dann, daß er nicht
vernommen, daß nicht durch sein Zeugnis Jesu messia-
nischer Anspruch bestätigt und eine sichere Grundlage
für das verdammende Urteil beschafft wurde? Ich
brauche nicht erst zu sagen, daß sich bei anderer literarischer
Beurteilung der Verhörsszene die Sache wesentlich
anders darstellt.

In der Abhandlung über Johannes den Täufer trägt
V. Bedenken vor, die zwar größtenteils bekannt sind, aber
immer wieder der Erwägung bedürfen. Es handelt sich
um das Schweigen des Lukas vom Ende des Täufers, um
die Einzigartigkeit des betreffenden Berichts im Markusevangelium
, um seine Einbettung in den Zusammenhang
bei Matthäus, um die kunstvolle Art der Erzählung bei
Markus und um ihre sachlichen Beziehungen zum Lukasevangelium
. Von all diesen Fragen verdient die nach der
Art jener Todeserzählung' bei Markus die meiste Aufmerksamkeit
; das Stück ist in der Tat einzigartig, aber
nicht nur wegen seiner Darstellungskunst; V. hat leider
das Wesentliche unerörtert gelassen, den eminent weltlichen
Charakter des Stückes. Im übrigen bleibt es auch
hier bei dem Ausdruck des Erstaunens, und wenn auch
gewiß alle Wissenschaft mit dem Wundern anfängt, so
dürfte sie bei solchen Problemen schon ein wenig weiterkommen
.

Lösungen bietet allein die dritte Abhandlung. V.
verteidigt bei Mt. 28, 1 Sipe de 'aaßßäzcjv die Übersetzung
,nach dem Sabbat' und nimmt bei Mt. 28, 17 ol
de idiazaaav — auch hier nicht ohne Vorgänger —
als Subjekt die vorhergenannten Jünger an. Beides läßt
sich mit guten Gründen verteidigen; aber die zweite
Behauptung rechnet denn doch zu sehr mit einem logisch
durchgearbeiteten Text und wird so der Erzählung Mt.
28, 16 ff. nicht gerecht.

Heidelberg. Martin Dibelius.

I Blätter für christliche Archäologie und Kunst. Rundbrief der

„christlich-archüolog. Arbeitsgemeinschaft". Schriftl.: Oskar T h u 1 i n.
Jahrg. I, Heft 1 und 2. Halle a. S.: Buchh. d. Waisenhauses
1925. viertel]. Rin. 1.50.

Die Kunstwissenschaft macht zur Zeit in ihren verschiedenen
Zweigen eine innere Wandlung durch. Die
„Archäologie" hat sich mehr und mehr von ihrer ursprünglich
rein philologischen Einstellung befreit und,
ohne diese Grundlage preiszugeben, die ästhetischen
und formgeschichtlichen Fragen der antiken Kunst
methodisch in Angriff genommen. Sie versucht, die
Stufen der Entwicklung herauszustellen, welche von den
ältesten Bildwerken im Orient bis zu denen im zusammenbrechenden
Römerreich führen. Damit wird die
scharfe Abgrenzung hinfällig, die bisher zwischen ihr
und der „Kunstgeschichte" bestand, deren Arbeitsgebiet
etwa mit dem 9. Jahrhundert begann. Diese ist aber auch
ihrerseits dabei, ihre Forschungsmethode, die bisher ganz
auf das Formale, Stilgeschichtliche, auf die Erkenntnis
der optischen Wirkungen der Kunstwerke eingestellt war,
umzugestalten und zu erweitern. Sie beginnt, das Inhaltliche
stärker zu beachten und versucht, es zu
deuten; sie bemüht sich, die einheitliche Geisteshaltung
zu erkennen, die notwendigerweise hinter jedem „Stil"
stehen muß, die Kunst im Rahmen der Gesamtgeschichte,
der Kulturentwicklung zu sehen.

Zwischen der klassischen „Archäologie" und der
j „Kunstgeschichte" hat bisher die „christliche Archäo-
j logie" als eigenes Arbeitsgebiet gestanden und ist, was
I einen eigenartigen Zug in der Geschichte der Wissenschaften
bedeutet, im Rahmen der theologischen Fakultät
gepflegt worden. Ihr Ziel ist infolgedessen immer gewesen
, der Theologie, der Kirchengeschichte zu dienen
und sie hat ihre Arbeitsweise — zunächst ohne Rücksicht
auf die übrige Kunstwissenschaft — auf diese theologische
Absicht eingestellt.

Die Annäherung der Methoden auf den verschiedenen
Gebieten der Kunstforschung muß nun das Recht
einer solchen Sonderbehandlung der christlichen Denkmäler
der ersten 6 Jahrhunderte unserer Zeitrechnung
ernstlich in Frage stellen. Die Kunstwissenschaft muß
| danach streben, eine einheitliche zu werden, die alle bildnerischen
Werke von Menschenhand unter einheitlichen
j Gesichtspunkten zu ordnen und zu deuten sucht. Sie
i kann nicht umhin, gerade auch die Kunst der großen
Zeitenwende nach Christi Geburt als Ausklang der Antike
wie als Auftakt der ganzen Entwicklung im Mittelalter
eingehend zu durchforschen.

Damit bliebe der christlichen Archäologie als theologischer
Disziplin nur die Aufgabe, die durch die
Kunstwissenschaft formal und inhaltlich erklärten und
richtig eingeordneten Denkmäler auf ihren Quellenwert
für die Kirchengeschichte hin zu prüfen und diesen auszuschöpfen
, so wie das für Mittelalter und Neuzeit die —
freilich noch längst nicht ernsthaft genug in Angriff genommene
— Aufgabe der Religionsgeschichte ist. Die
groß angelegten Versuche der Profankunsthistoriker auf
dem Gebiete der frühchristlichen Kunst — und zwar so
grundverschieden angelegte wie die von Ludwig von

Sybel, von Josef Strzygowski und die von Max Dvorak
in gleicher Weise — haben aber gezeigt, daß eine richtige
Deutung der frühchristlichen Kunstwerke inmitten
der sie rings umgebenden Erzeugnisse der spätantiken
Welt nur möglich ist bei einer genauen Kenntnis der
frühchristlichen Theologie und — was bedeutsamer ist —
bei einem inneren Verhältnis zu der Sache, um die es
geht. So wird die christliche Archäologie notwendigerweise
ein Gegenstand theologischer Forschung bleiben,
ja unter diesem Gesichtspunkt gerade in der gegenwärtigen
Lage ernsthaft betrieben werden müssen, damit
sich die Theologie nicht erneut aus einem Arbeitsgebiet
verdrängen läßt, auf dem ihre Stimme den Anspruch
erheben darf, die entscheidende zu sein.

Den Anlaß zu dieser grundsätzlichen Erörterung
gibt mir das Erscheinen der „Blätter für christliche