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Ausgabe:

1926

Spalte:

68-69

Autor/Hrsg.:

Rüther, Josef

Titel/Untertitel:

Der katholische Staatsgedanke 1926

Rezensent:

Fendt, Leonhard

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Einzelzügen durch die kurz davor erschienenen Untersuchungen
von Jecht (vgl. die Besprechung in 1925, Nr. 8),
von deren Vorbereitung der Verf. allerdings rechtzeitig
Kenntnis haben mußte, zu berichtigen ist. Die Angaben
über Dr. Balt. Walther, über den Familienstand
, das Berufsleben, den Tod Böhmes und die dazu
gehörigen Ratsprotokolle (so die falsche Datierung auf
den 18. Nov. S. 144) bedürfen der Änderung. Außerdem
gibt die gelegentlich etwas unvorsichtige Behandlung
der Quellen einzelne Anstöße. So erscheinen mir
z. B. die beiden dem Verf. am Herzen liegenden Vermutungen
, daß Böhme den zweiten Zusammenstoß mit
dem Primarius Richter durch allzu seltenen Kirchenbesuch
hervorgerufen habe (S. 120 ff.) und daß er nach
Dresden gereist sei, um sich beim Kurfürsten sein Recht
zu schaffen (S. 131 ff.), weder in P.s Buch noch sonst
in den Quellen genügend begründet. Mit dem neu gewonnenen
Stoff wäre dem Verf. zugleich ein noch
größerer Reichtum der Zeichnung, der das Hauptanliegen
seines Buches ist, möglich gewesen. Aber das sind unbedeutende
Einzelheiten, die es nicht aufwiegen können,
daß der Verf. mit dem bisher zugänglichen Material
namentlich dank reicher Auszüge aus den Schriften und
aus Frankenbergs Lebensbeschreibung Böhmes ein reizvolles
Bild von Böhmes Art und Schicksal entworfen hat.

Die innere Geschichte, die in diesem engen, kleinen
Handwerkerleben doch im Grunde das einzig Dar-
stellenswerte ist, kommt freilich auch bei P. nicht auf
ihre Rechnung. Es ist seltsam, daß man an keiner
Stelle, weder im Querschnitt noch entwicklungsgeschichtlich
, ein ausreichendes Bild von Böhmes Gedankenwelt
bekommt. Es bleibt, wie der Verf. gelegentlich auch
selbst eingesteht, bei skizzenhaften Ansätzen, mit denen
er hinter den Ergebnissen der ihm schon vorliegenden
Literatur zurücksteht. Eine ganz exakte in einer Gesamtauffassung
wurzelnde Darstellung von Böhmes Entwicklung
bleibt nach wie vor die Forderung an
eine Böhmebiographie, die ihrer Aufgabe gerecht wird.
Was P. gefesselt hat, sind die geschichtlichen Beziehungen
. Wenn er hier auch an keinem Punkt ein befriedigendes
Ganzes gibt — die unglücklichen Gesamtbilder
von Paracelsus, Schwenckfeld und Weigel (S. 56.
71. 73) zeigen, wie zufällig seine Studien hier doch sind
— so ist andererseits in den ausführlichen Anmerkungen
namentlich für Paracelsus ein dankenswertes Material
dargeboten. Auch die Untersuchungen zu den beiden
für Böhme wichtigsten alchemistischen Schriften, dem
„Wasserstein der Weisen" und der „Aurora consurgens"
bilden ein bequemes Hilfsmittel. Leider stehen
mit dem Geschmack der äußeren Ausstattung zahlreiche
Geschmacklosigkeiten der Darstellung in peinlichem
Widerspruch. Ob jemand in einer Böhmebiographie fade
Witze wie S. 141, Belehrungen darüber, daß die Predigt :
der evangelischen Kirche noch heute „geistiger Götzendienst
" sei (S. 21), oder die Kritik des Verf. an der
Frömmigkeit seiner Großmutter (S. 21) zu erfahren
wünscht, darf billig bezweifelt werden.

Das Heftchen von E. Ludowika gibt eine kleine, geschickte
Auswahl aus Böhme, bei der das Interesse für
Geheimlehren voransteht. Bei einer Neuauflage wäre die
Angabe der Quellenstellen wünschenswert.

Tübingen. Heinrich B o r n k a m m.

'Eni<!tr[uovixl Lntiw'n xtfi toaXoyiutfi tf^oXtfi ro3 A&i)yr)oi
navtmazt^iuv. Tu iiu£ A. nvx"i l$dt A&m>aiS 1924. 200 S. gr. 8°.
Auch im Gebiet der orthodoxen Kirche ist im letzten
Jahrzehnt manche Zeitschrift eingegangen. Es ist daher
das Erscheinen einer neuen zu begrüßen, wenn tüchtige
Kräfte sie tragen. Und das ist hier der Fall, soweit
man aus eine m Hefte erkennen kann. Sie will
das gesamte Gebiet der Theologie umfassen, Grenzgebiete
eingerechnet. Dabei scheint ihr Standpunkt der
kirchliche zu sein. Die Reihe der Autoren eröffnet der
höchste Geistliche des Landes Chrysostomos Papadopu-
los, Erzbischof von Athen und ganz Hellas. Mit einem

Artikel: tb oi'ußoXov trtjjs (> oixov^tevixtjg ow/.öov berührt
er die Glaubensgrundlage der Kirche, die er durch die
Aufstellungen Horts und v. Harnacks gefährdet sieht.
Darum will er nachweisen, daß die zweite ökumenische
Synode (381) das Symbol der ersten (325) bestätigt und
erweitert als neues Bekenntnis herausgegeben habe. Die
Ansichten der Gegner sucht er namentlich durch Ver-
gleichung des Symbols mit den bei Epiphanios und
Kyrill v. Jerusalem dargebotenen Texten zu bestreiten.
Als zweiter tritt Balanos mit seiner Antrittsvorlesung
über Patrologie vom 28. 1. 1924 ein. Ihm fehlt es ja
nicht an der nötigen Sachkenntnis und er spricht mit der
ihm eigenen Gewandtheit. Dazu kommt eine wohltuende
Wärme, so daß man wohl sich vorstellen kann,
wie B. als Lehrer der Studenten großen Erfolg hat. Die
Antrittsvorlesung ist auch in Sonderdruck erschienen. Der
dritte Aufsatz bietet dem Professor der Dogmengeschichte
und Symbolik Dyobiiniotis Gelegenheit, die
bisher inedierte Grammatik des Volksgriechischen vom
bekannten Metrophanes Kritopulos herauszugeben. K.
hat sie als Priestermönch nach seiner Rückkehr aus dem
Westen (1627) verfaßt. Es ist übrigens mehr eine
Hervorhebung der Hauptunterschiede vom Altgriechischen
. Interessant ist die angeführte Übersetzung der
drei ersten Psalmen ins Volksgriechische und die von
berechtigtem Nationalstolz getragene Einleitung, die an
Joh. 12, 20 ff. anknüpft und den Herrn (fMlh^v nennt.
Das Original der Grammatik liegt im Staatsarchiv zu
Hannover. Noch mehr wird interessieren die kurze
griechische Chronik, deren Text derselbe Verf. aus einer
Handschrift des Athosklosters Suiron veröffentlicht. Sie
erstreckt sich über die Jahre 1438—1453 und enthält
namentlich die Hauptdaten des Konzils zu Florenz.
Offenbar hat sie ein uniert gesinnter Grieche geschrieben,
der die Reise mitgemacht. Verf. rät auf einen der beiden
Athosmönche, die zum Konzil entsandt wurden. Die
Daten werden mit den bisher bekannten zu vergleichen
sein. An letzter Stelle kommt der Exeget zum Wort,
Professor Bratiotis, der von den Gleichnissen des Herrn
handelt. Es ist wesentlich eine Auseinandersetzung mit
den Ansichten Jülichers.

Ich würde bedauern, wenn nicht die gesamten folgenden
Jahrgänge dieser Zeitschrift der Theol. Literaturzeitung
zur Besprechung zugingen. Nur so können die
Arbeiten der griechischen Theologen in Deutschland
näher bekannt werden. Eine solche Zeitschrift kann auch
zur Verbindung der Kirchen beitragen.

Hannover. Uli. Meyer.

Rüther, Studienrat Josef: Der katholische Staatsgedanke.

Eine Darstellung d. kirchl. Lehre von Wesen, Ziel IL Grenzen d.
Staatsgewalt u. von den Pflichten des Staatsbürgers. Berlin: Germania
A.-O. 1925. (112 S.) kl. 8°. Rm. 1.80.
Rüther stellt den katholischen Staatsgedanken dogmatisch dar,
wie er in den Schreiben der let/ten fünf Päpste (Pius IX., Leo XIII ,
Pius X., Benedikt XV., Pius XL) erscheint; dabei nimmt Rüther
zuhilfe den Thomas v. Aquin, Augustinus und Aristoteles. So ergibt
sich klar und übersichtlich das bekannte katholische Staatsideal: die
Menschen von Natur zum Staate angelegt, der Staat also auf grund des
Naturrechts, also des ewigen Gesetzes Gottes, nicht des contrat social;
diese gegenwärtigen Staaten aber nur indirekt, als Ausmün/ungen,
Gottes Wille; die Autorität der Staatsgewalt somit von Gott,das Recht
herzuleiten von der lex aeterna, die Gesetze getragen von der göttlichen
Autorität, nur wenn sie dem Naturrecht entsprechen; die Staatsgewalt,
ruhend auf dem göttlichen Willen, verliehen durch den Willen des
Volkes an die jeweiligen Träger, nach der Verleihung also nicht
Volkswillen, sondern Ootteswillen; der Zweck des Staates nicht
Egoismus der Staatshäupter, nicht Mittel zu Habsucht, Herrschsucht,
Militarismus, nicht Gelegenheit zu Experimenten liberaler , sozialistischer
, merkantilistischer Art, sondern das Wohl der Staatsbürger,
Ordnung, Friede, sittliche Kultur, katholisches Leben; Pflicht des
Staates zu besonderer Fürsorge für die Armen, Gedrückten, Entrechteten
, Front gegen den Kapitalismus, das Recht auf Eigentum nicht
absolut, sondern vom standesgemäßen Genügen ab weichend der
Pflicht für alle; die Staaten eine Staatenfamilie, Pflicht der Intervention
in Menschheitsnöten ,nicht Internationalismus, aber auch nicht
Chauvinismus; die Familie als Zelle auf Grund des Naturrechts vom
Staat zu fördern, nicht zu entrechten; die Kirche als direkte Gottes-