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Ausgabe:

1926 Nr. 3

Spalte:

65-66

Autor/Hrsg.:

Braun, Karl

Titel/Untertitel:

Nürnberg und die Versuche zur Wiederherstellung der alten Kirche im Zeitalter der Gegenreformation (1555 - 1648) 1926

Rezensent:

Schornbaum, Karl

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65

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 3.

66

Braun, Stud.-Rat Dr. phil. Karl: Nürnberg und die Versuche
zur Wiederherstellung der alten Kirche im Zeitalter der
Gegenreformation (1555- 1648). Nürnberg: Selbstverlag d.
Vereins f. bayr. Kirchengesch.; in Komm, bei L. Spindler, Burgstr. 6
(XI, 134 S.) gr. 8°. Einzelarbeiten aus der Kirchengesch.
Bayerns, Bd. 1. Rm. 2—.

Die vorliegende Arbeit ist aus verschiedenen Gründen
zu begrüßen. Wieviele Perioden der Geschichte der
alten Reichsstadt Nürnberg, insbesondere was ihre Haltung
in politischen und religiösen Fragen anbetrifft, sind

noch völlig ungeklärt. Darum hat sich der Verfasser ein teUti&tmen l^^^S^Sa^yw -"ein Zeichen

noch Kurfürst Maximilian gesellte, dem die Oberpfalz
zugefallen war, geschickt zu benützen. Sie sind der
Hintergrund zu den im vorliegenden Werk dargestellten
politischen Aktionen. Da derselbe in keiner Weise berührt
wird, ist es Pflicht des Rezensenten darauf hinzuweisen
.

Der Verfasser beklagt sich darüber, daß so wenig
Material in den Archiven sich findet. Dies ist leicht erklärlich
. Über die Richtlinien ihrer Politik waren sich
die kath. Stände im klaren; sie brauchten darüber keine

Verdienst erworben, wenn er eine bisher ganz unbeachtet
gebliebene Episode ihrer Vergangenheit aufgehellt hat.
Um so bedeutsamer aber ist es in diesem Falle, weil
klar vor Augen tritt, wie die großen politischen Fragen
des Reiches in den Geschicken der einzelnen Territorien
ihre Auswirkung fanden, diese aber wiederum nicht ohne
Rückwirkung auf jene blieben.

Mit dem Konzil von Trient sammelte die kath.
Kirche ihre Kräfte, nicht nur um dem neuen Glauben ein
Halt zuzurufen, sondern auch, um schon verlorenes Land
wieder zu gewinnen. Wie im ganzen Reiche, merkte das
auch bald die Reichsstadt Nürnberg. Um 1560 begannen
die Versuche, nicht nur die ev. Nürnberger Untertanen
in fremden Gebieten zu rekatholisieren, sondern auch auf
dem Umwege über die Klöster im geschlossenen Gebiet
der Reichsstadt, ja in der Stadt selbst Eingang zu gewinnen
. Die anfangs schüchternen Versuche wurden, je
mehr sich die Lage des Gesamtprotestantismus im Reiche
verschlechterte, immer entschiedener; als der kath.
Gegenreformation alles offen zu liegen schien, träumte
man im alten Diözesansitz Bamberg bereits von einer
neuen Blüte der römisch-katholischen Kirche in Nürnberg
. Und es waren nicht nur Ideen des Bamberger | _ ,, , . . „ , ,
Weihbischofs Forner; in kaiserlichen Kreisen erwog Be"d e 1 * Hemncn ^ gs Joannes Herbinius. Em Oelehrten-

__■ ., ... , ' . ,, , .. „ ix /- ± leben aus dem XVII. Jahrhundert. Bern: E. Bircher 1624. (VI,

man bereits ernstlich ein Vorgehen mit Gewalt. Gustav i 132 s) 8° Rm 440.

Adolf wurde auch für Nürnberg der Retter der evange- j _ ' . u. . ... ,. R . . c M uJuJwJ

tischen S h r Schaffhauser Historiker stieß auf den Schlesier Herbinius,

_ • weil von ihm die erste eingehende Beschreibung des Rheinfalls

Die Reichsstadt Nürnberg war in einer schwierigen j stammt, die die Geschichte kennt. Er schildert das wechselvolle

Lage; obwohl nür auf einer Seite geschlossenes kath. Leben dieses Mannes, das ihn in verschiedene Länder führte, aber

geistliches Gebiet, das Fürstbistum Bamberg, angrenzte, ' nirgends zu einer festen Stellung kommen ließ, und innerhalb desselben

hatte Sie nie verstanden, mit den angrenzenden ev Gebieten 1 besonders seine Schrift über die Katarakte, deren Erforschung sich

in ein friedliches Verhältnis zu kommen, das seine Rück- I fieser Theolo«e.«■" ™" vr* Ma"le kjwidmet hat. Ober die bis-

„.;,i.,,„„ o,,„n : j- 1- -Olli . ; herigen unzuverlässigen Berichte über des Herbinius Leben kommt

Vi *ng a u agC" gCWlß gChabt attC- Rendcl durch die Auswertung des reichen biographischen Gehalts

mir Brandenburg war man seit 1528 zerfallen; man j sciner 3 Hauptschriften (Famosae de solis vel telluris motu contro-

natte die vom Markgraf Georg gebotene Hand schroff , versiae examen theologicxz-phdlosophicum, 1655; Dissertationes de ad-

ZUrUCKgewieSen; Pfalz-Neuburg-Sulzbach Und Kurpfalz, ! mirandis mundi cataractis, 1678; Religiosae Kijovienscs cryptae,
die andern Angrenzer, hatten nie vergessen, daß Sie 1675.) hinaus. Da ihm aber die übrigen Schriften des Herbinius unzu-

1504 einen großen Teil ihres Gebietes: „die neue Land- gänglich blieben und archivalisches Material nur ab und zu verschaff
hatten der Reichsstadt abtreten müssen. Ge- wertet w,ird' ist d:c, ***** .erschöpfend. Bendel bringt
rade aus diesen Verwicklungen wurde manche Waffe ra! ^T'^ ^f^^ohiMUch interessante Material vor und

erfaßt mit Verständnis den charakteristischen Zwiespalt zwischen des

seines Niedergangs— nie in der Lage, aggressiv vorzugehen
; es blieb auf die Verteidigung beschränkt und
auch diese konnte nie aktiv geführt werden. Darum so
wenig Akten über diese Frage. Aber das eingesehene
Material würde eine vielseitige Ergänzung erfahren haben
, wenn z. B. die Protokolle des Landpflegamts Nürnberg
, dessen Briefbücher und die Akten über die einzelnen
Ortschaften gemustert worden wären. Das Bild
wäre allerdings nicht wesentlich verändert worden, es
hätte aber sattere Farben bekommen. Die Politik des
Staates wäre wohl aus den stattlichen Bänden der Nürnberger
Reichstagsakten noch näher zu beleuchten gewesen
. Doch sollen diese Erklärungen den Wert der
fleißigen Arbeit, die wirklich Neuland bearbeitet hat,
nicht mindern. Meine Studie über die Geschichte der
Pfarrei Alfeld (1922. Leipzig) ist dem Verfasser leider
zu spät in die Hand gekommen; sie zeigt an einem
Beispiel, den wichtigen Verhandlungen 1648/60, nicht nur
im Einzelnen das zähe Ringen der Gegner, sondern auch
den Lagerort so mancher Quellen.

Roth. Karl S c h o r n b a u m.

gegen sie später geschmiedet. Die Verbindung, die man
zum Schutz dagegen mit Bayern z. B. im Landsberger
Bund gesucht hatte, rächte sich. Zu dem äußeren Gegensatz
kam ein innerer. Weihbischof Forner hatte mit
dem „Calvinismus" der Reichsstadt doch nicht so ganz
unrecht; (S. 111) Nürnberg hatte nie die Konkordien-
formel angenommen, sondern sein philippistisches corpus
doctrinae 1573 bis 1806 beibehalten. Auch die
Rechtslage war für die Reichsstadt höchst ungünstig.
Viele Nürnberger Untertanen wohnten in fremden Gebieten
Es war von vorneherein aussichtslos, den Kampf
um Erhaltung ihres ev. Glaubens zu führen. Denn der
Reichstagsbeschluß 1555 sanktionierte die Hoheit des
Landesherrn auch in Religionssachen. Die Konstruktion
uer Nürnberger Rechtsgelehrten „in" territorio aber nicht
j.ae territorio konnte gegenüber andern Juristen nicht
t~ e% ^recht erhalten werden. Besser war die Lage
Tur die Reichsstadt in dem ihr selbst unmittelbar ge-
norigen rerritorium. Aber hier verwickelten sich die
Nürnberger selbst in Widersprüche; da sie die hohe
Tiaischhche Obrigkeit, jus vitae necisque, oft nicht iden-

lscn mit der »hohen landesfürstlichen Obrigkeit" sein Stellung von Peuckert, insofern sie sich schon im Augenassen
wollten. Alle diese Schwächen wußten die Geg- blick ihres Erscheinens nicht mehr auf dem neuesten
ner, Bamberg und Eichstätt zumal, wozu sich 1621 ! Stande der Forschung befindet, sondern in zahlreichen

Herbinius Forschungsdrang und Naturbeobachtung und seiner streng
gebundenen orthodox-lutherischen Theologie. Höchst charakteristisch ist
z. B., daß Herbinius die kopernikanische Lehre, der sein Forschergeist
zuneigte, um der Bibel willen ablehnte, da ihm deren Urndeutungen
durch die Kopernikaner und die Akkomodationstheorie gegen
das Gewissen ging, daß er aber dann doch den merkwürdigen Kompromiß
ins Auge faßte, sie als Theorie im Kämmerlein für möglich zu
erklären, aber ihre öffentliche Verwertung zur Bibelerklärung zu bekämpfen
. Leider behandelt Bendel, dessen Hauptinteresse bei des
Herbinius Schrift über die Katarakte liegt, diese Dinge nicht eingehend
genug, um uns tiefer in die Problematik dieser interessanten
Übergangserscheinung hineinschauen zu lassen.

Bern. Heinrich Hoffmann.

Peuckert, Will-Erich: Das Leben Jakob Böhmes. 1. u. 2.

Tausend. Mit Porträt. Jena: E. Diederichs 1924. (II, 187 S.) 8°.

Rm. 5—; geb. 7.50.

L u d o w i k a, E.: Jakob Böhme, der Görlitzer Mystiker. Sein
Leben, seine Lehre nach Auszügen aus seinen Werken. 2. Aufl.
Bad Schmiedeberg: „Zum Lichf-Verlag. (35 S.) gr. 8°. = „Zum
Lichf-Drucke, H. 2. Rm. 1—.

Es steht ein gewisser Unstern über der Böhme-Dar-