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Ausgabe:

1926 Nr. 3

Spalte:

55-56

Autor/Hrsg.:

Hopfner, Theodor

Titel/Untertitel:

Orient und griechische Philosophie 1926

Rezensent:

Baumgartner, Walter

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 3.

56

Die verhältnismäßig breite Behandlung der Sinai-Inschriften,
deren „Entzifferung" hisher doch eher einem Rätselraten gleicht, hätte
einer solchen der neu gefundenen Ahiram-Inschrift von Byhlos Platz
machen sollen, die schrift- und sprachgeschichtlich für das A.T. ungleich
wertvoller ist. Die Schiuliausführungen über die israelitische
Religion mit einer an dieser Stelle wohl kaum wirksamen antivölkischen
Polemik sind auf zwei Seiten zusammengedrängt und bewegen
sich in ausgetretenen Pfaden; ihnen wünschte der Ref. eine
größere Breite und Tiefe.

Trotz der Mängel, die der zweite Teil des Büchleins
aufweist, sollte es weiteste Verbreitung finden, ist es ja
sein Hauptziel, zu einem Studium der altorientalischen
Kulturgeschichte anzuregen, das ein vertieftes Verständnis
des A. T. einbringen wird.

Berlin. Kurt Galling.

Hopfner, Theodor: Orient und griechische Philosophie.

Leipzig: J. C. Hinrichs 1925. (II, 90 S.) gr. 8°. = Beihefte z.
Alten Orient, Heft 4. Rm. 2.40.

Ein besonders interessantes Kapitel aus dem weit
verzweigten Problem der Einwirkung des Orients auf
die griechische Kultur ist die Frage nach der Abhängigkeit
der griechischen Philosophie, der Hopfner, bekannt
durch mehrere wertvolle Arbeiten aus den ägyptischgriechischen
Grenzgebieten, hier ein inhaltsreiches Heft
widmet, das trotz der halbpopulären Form der Sammlung
aller Beachtung wert ist.

H. stellt zunächst die griechisch-lateinischen Nachrichten
zusammen, nach denen fast alle bedeutenderen
Philosophen von Thaies bis zu Plato als direkte Schüler
der Ägypter, Babylonier oder Perser galten. Er zeigt
dann, daß weder die ältesten griechischen Philosophen
des 6., 5. und 4. Jahrh. selbst, noch ihre Zeitgenossen,
noch auch endlich die ernstzunehmenden Schriftsteller
des 4. Jahrh. irgend etwas über die Abstammung der
ältesten griechisenen Philosopheme aus dem Orient berichtet
haben, daß vielmehr diese Meinung sich frühestens
im 3. Jahrhundert festzusetzen begann, während die
erhaltenen Nachrichten sogar erst dem 1. Jahrhundert
n.Chr.und der Folgezeit angehören. Ferner schließt das
tatsächliche Verhältnis der Griechen des 6. und 5. Jahrhunderts
zu den Priester-Weisen des Orients ein enges
und andauerndes Schülerverzeichnis aus. Endlich kann
von einem Ursprung der griechischen Philosophie aus
dem Morgenlande schon deshalb nicht die Rede sein,
weil es dort das nicht gegeben hat und infolge der Denkart
der Orientalen auch gar nicht geben konnte, was
die Denkarbeit der ältesten griechischen Forscher von
Thaies bis Eudoxos als wissenschaftlich und philosophisch
im heutigen Sinn erweist (S. 41 f.).

Nach diesem vorwiegend negativen Ergebnis der
ersten Hälfte der Schrift weist die zweite nach, wie es
zu jener irrigen Meinung gekommen. Das Staunen der
Griechen über die so ganz andersartigen uralten Kulturen
und ihre Priesterweisheit haben in der Diadochen-
zeit jene Priester in Anbetracht der veränderten politischen
Verhältnisse auszunützen gesucht, indem sie
selber zuerst die orientalische Herkunft griechischer
Philosophie behaupteten. Die allegorische Auslegung
schien innen recht zu geben. Später drangen dann theo-
sophisch-mystische Lehren der Orientalen in die jüngere
griechische Philosophie ein und brachten das philosophische
Denken der Griechen, das sich erschöpft hatte,
zu Fall. — Nicht besser begründet als die antiken
Abhängigkeitshypothesen erweisen sich die des 19. Jahrhunderts
(S. 82-89).

Wenn H. zu Zcllers ablehnendem Urteil zurückkehrt
(S. 41), daß es Philosophie erst auf griechischem
Boden gab und geben konnte, trifft er damit sicherlich das
Richtige. Davon wohl zu scheiden ist die Frage, worin
griechische Wissenschaft von orientalischer gelernt hat.
Und da scheint mir H. der babylonischen jedenfalls nicht
völlig gerecht zu werden, wie er hier auch die neuere
Literatur nicht ganz beherrscht. Die Nichtberücksichtigung
der Arbeiten von Weidner und Meißners IL Bd.
der bab.-ass. Kulturgeschichte z. B. macht sich deutlich

bemerkbar. Auch Schnabels „Berosus" ist ihm offenbar
entgangen. Und die babylonische Kosmogonie dürfte
nicht nach v. Orellis Religionsgeschichte erzählt werden,
wie es S. 34 geschieht. Neu ist auch der Brauch, das
Buch Exodus als Genesis II zu zitieren (S. 51 Z. 3 v. u.
j und Anm. 6).

Marburg a. L. W. Baumgartner.

| Longo, Teodora: I llbri storiel del Nuovo Testamente Canone
e Testo del Nuovo Testamento. Torre Pellice: Libreria „La Luce"
1924. (146 S.) kl. 8°. Storia Letteraria della Bibbia, Vol. 4.

L. 4-.

Comba, Ernesto: Le Eplstole del Nuovo Testamento e l'Apoca-
lisse. Torre Pellice: Libreria „La Luce" 1924. (169 S.) kl. 8°. =
Storia Letteraria della Bibbia, Vol. 5. L. 4—.

Beide Bändcbcn ergeben zusammen eine kurzgefaßte, aber die
Hauptpunkte lichtvoll herausstellende, anregend und volkstümlich geschriebene
Einleitung ins N. T. Gemeinsam ist beiden ferner eine
streng konservative Haltung, sowie eine warme Empfindung für den
religiösen Wert der iieutestamentlichen Urkunden. Wiederholt ist
auch von einer .Inspiration' die Rede, ohne daß jedoch angegeben oder
angedeutet würde, wie sie zu verstehen sei. Nur soviel Ist ihren Darlegungen
und besonders einer Bemerkung Longos S. 137 A. 3 zu entnehmen
, daß die Möglichkeit von Irrtümern damit nicht ausgeschlossen
sein soll. L. stellt am Schlüsse seines Bändchens die Werke zusammen,

, die für beide Arbeiten zu Rate gezogen wurden, darunter von deutschen
Theologen die Einleitungen von H. J. Holtzmann, B. Weiß, Jülicher,

1 Th. Zahn, F. Barth, P. Feine und die .Beiträge' von Harnack, sowie
die Gcgenwartsbibel von J. Weiß und seinen Mitarbeitern. Wie man
sieht, ist mit dem neuesten Werke von Ed. Meyer ebensowenig Fühlung
genommen wie mit den .formgeschichtlichen' Untersuchungen
und den Satz.maßentdeckungen. Selbst Deißmanns .Licht von Osten' ist
außer Acht gelassen. Katholische Werke sind überhaupt nicht berücksichtigt
, nur da und dort ist auf die katholische Anschauung im all-

I gemeinen hingewiesen. Am meisten zu Wort kommt Godet, dessen

| ganze Haltung den Verfassern offenbar am besten zusagt, zumal da
er gelegentlich, bei der Kennzeichnung des Lukas, eine für den ,amor
proprio nazionale' der Italiener schmeichelhafte Bemerkung macht, die
Longo nicht umhin kann, seinen Lesern mitzuteilen (S. 71 A. 2).

L. gibt zuerst einen Oberblick über die neutestamentliche Kanonsbildung
, sowie über die Handschriften und den Text des N.T.s. Dann

I werden die einzelnen Evangelien und die Apostelgeschichte behandelt.
Das älteste ist das von Johannes Markus, dem Schüler und Begleiter
des Petrus und des Paulus, verfaßte, das die ursprüngliche evange-

j lische Überlieferung nach der Predigt des Petrus wiedergibt und sieb
durch anschauliche Schilderung von Taten und Ereignissen auszeichnet
, geschrieben wahrscheinlich zu Rom zwischen 64 und 70. Der
Schluß 16, 9^20 ist unecht und stammt aus der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts
. Das Mt. E. mit seinem Partikularismus einerseits, seinem
Universalismus anderseits ist wahrscheinlich drei Quellen entsprungen:
den ursprünglich aramäisch geschriebenen Logia des Apostels Matthäus
in den meisten Reden, dem Mk. E. in den Erzählungen, und be-
.semderen Quellen in der Kindheitsgeschichte und einigen anderen
Stücken. Verfasser ist wahrscheinlich ein jüdischer Hellenist in
Syrien oder seiner Hauptstadt Antiochien, Abfassungszoit 67- 75. Das
dritte Evangelium stammt von Lukas dem Arzt und beruht ebenfalls
auf besonderen Quellen neben Q. und Mk. Es zeigt eine besondere
Vorliebe für die Armen, die Frauen, die Samaritaner, die Sünder, und
ist das reichhaltigste von allen. Abfassungszeit um 75. Darnach wird
die synoptische Frage noch besonders behandelt (S. 83 ff.). Das
vierte Ev. endlich ist als ein Werk des Apostels Johannes anzusehen
(mit Ausnahme des Abschnittes von der Ehehrecherin 7,53
bis 8,11 und dem aus dem johanneischen Kreise stammenden Anhang
c. 21). Doch will L. die Schwierigkeiten der johanneischen
Frage nicht verkennen und auch nicht behaupten, daß sie nur von
rationalistischer Voreingenommenheit herrühren (S. 120). Daß er sie
aber in ihrer vollen Tragweite gewürdigt hätte, wird man nicht sagen
können. Und ebensowenig ist dies bei der Apostelgeschichte der
Fall, die er ganz dem Arzt Lukas zuschreibt, der sie zu Rom zwischen
75 und 80 verfaßt habe. Was die eingestreuten Reden betrifft, so weist
er S. 138 mit Recht darauf hin, daß sich aus den Reden Petri die
ältesten Glaubensvorstellungen der ('.bristen, namentlich in christo-
logischer Hinsicht, herausziehen lassen. Von der über die Areopagrede
Pauli bei uns geführten Erörterung scheint er keine Kenntnis zu haben.

Comba teilt die paulmischen Briefe — er nimmt die Echtheit
von CoL, Eph. und der Pastoralbriefe an — in folgende Gruppen
1.) Die sechs während der Missionstätigkeit geschriebenen Briefe
I. u. II. Thess. geschrieben in Korinth in der 1. Hälfte d. J. 51 und'
Ende 51; Gal. geschr. in Ephesus 54 oder in Achaia 57, Empfänger
wahrscheinlich die auf der ersten Missionsreise gewonnenen Christen
im Süden der römischen Provinz Galatien; 1. Cor. Frühjahr 57 in
Ephesus; 2. Cor. Herbst 57 in Mazedonien, Zwischenbrief dahingestellt,
Zwischenreise unwahrscheinlich; Rom. zwischen Dezember 57 und