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Ausgabe: | 1926 |
Spalte: | 51-54 |
Autor/Hrsg.: | Eißfeldt, Otto |
Titel/Untertitel: | Die Quellen des Richterbuches 1926 |
Rezensent: | Steuernagel, Carl |
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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 3.
52
Brauer, Dr. Erich: Züge aus der Religion der Herero. Ein
Beitrag z. Hamitenfrage. Mit 9 Karten. Leipzig: R. Voigtländer
1925. (V, 122 S.) 4°. = Staatliche Forschungsinstitute in Leipzig,
Inst. f. Völkerkunde, i. Reihe, 7. Bd. Rm. 10—.
Der Verfasser verfolgt als Ethnologe mit der vorliegenden
Schrift über die Herero ein ethnologisches Ziel.
Er möchte, wie er durch den Untertitel schon andeutet,
einen Beitrag zur Lösung der Frage liefern, wie weit
die hamitische Kultur in Afrika nach dem Süden vorgedrungen
sein mag. Es wird dem Verfasser zugestanden
werden müssen, daß die Herero tatsächlich viel Gemeinsames
mit den anderen Vieh züchtenden Hamiten
oder hamitisch beeinflußten Stämmen Afrikas haben
und daher wohl dem hamitischen Kulturkreis zugerechnet
werden dürfen.
Die vorliegende Untersuchung ist aber nicht nur
für die ethnologisch Interessierten von Bedeutung, sondern
verdient auch im hohen Grade die Beachtung der
religionsgeschichtlich Interessierten. Es sind ja vor allem
religiöse Vorstellungen und Gebräuche, an der Hand
derer der Nachweis der Zugehörigkeit der Herero zum
hamitischen Kulturkreis zu bringen versucht wird. Der
Religionsgeschichtler findet in der Studie überaus wichtiges
Material über den Urheberglauben, über die Mana-
vorstellung und den Ahnenkult. Darin liegt aber nicht
die Hauptbedeutung der Arbeit für die religionsgeschichtliche
Wissenschaft. Die liegt meines Erachtens vor
allem darin, daß gezeigt wird, wie diese drei Vorstellungsreihen
Verbindungen mit einander eingegangen
sind. Die Ausführungen der beiden ersten Kapitel
„Ndjambi Karunga, die oberste Gottheit" und „Die Vorstellung
von Mukuru und den Ahnen" sind ein nicht zu
übersehender Beweis dafür, daß auch die sog. primitiven
Religionen ihre Geschichte haben, daß sich auch in ihnen
verschiedene Schichten über einander lagern können,
und daß es für die richtige Beurteilung der religiösen
Verhältnisse der einzelnen primitiven Stämme wichtig ist,
diese Tatsache zu erkennen und ihre Bedeutung zu würdigen
.
Sehr lehrreich sind auch Kapitel III und IV, „Gebräuche
der Viehzucht" und „Das heilige Feuer". Sie
zeigen uns, daß das ganze Leben der primitiven Völker,
auch das wirtschaftliche Leben, religiös bedingt ist. Daß
die Religionssoziologie eine berechtigte Wissenschaft
ist, und daß die Religionsgeschichte ihr viel Material zu
bieten vermag, ist mir bei der Lektüre dieser beiden Kapitel
wieder deutlich zum Bewußtsein gekommen.
Ein V. Kapitel behandelt den Totemismus. Das
positive Ergebnis für die Frage, die den Verfasser besonders
interessiert, und auch für die Religionsgeschichte
ist ein sehr dürftiges.
Hoffentlich findet die Studie auch in den religionsgeschichtlich
interessierten Kreisen die Beachtung, die
sie verdient! Und hoffentlich erhalten wir von sachkundiger
Seite noch mehrere solcher Spezialuntersuchungen!
Denn wollen wir auf dem Gebiete der primitiven
Religion weiter kommen, bedürfen wir Einzeluntersuchungen
, die ihre Aufmerksamkeit auch der Frage zuwenden
, ob und wieweit verschiedene Schichten übereinander
lagern.
Kiel. H. W. Schorn er us.
Li ßf ei dt, Prof. D. Dr. Otto: Die Quellen des Richterbuches.
In synopt. Anordnung ins Deutsche Ubers, samt e. in Einleitung und
Noten gegebenen Begründung. Leipzig: J. C. Hinrichs 1925. (X,
116 u. 66* S.) 4°. Rm. 3—.
Der Verf. führt in dem vorliegenden Buche die
Analyse des Hexateuch (vgl. die Besprechung seiner
„Hexateuch-Synopse" durch Volz in Jahrgang 1923 Sp.
389 ff. dieser Zeitschrift) weiter durch das Richterbuch.
Auch hier sucht er zu zeigen, daß das vordeuterono-
mische Richterbuch nicht nur aus zwei (J und E), sondern
aus drei Quellen (L = Laienquelle, J und E) zusammengearbeitet
ist, und er glaubt zeigen zu können,
daß bei dieser Annahme der Anteil der dtn. Redaktion
sehr viel kleiner werde, als man bisher meinte, und daß
das quellenhafte Material so gut wie restlos auf drei
Verfasser verteilt werden könne, während man bisher
viele Stücke nicht recht unterbringen konnte und daher
in starkem Maße mit Nachträgen, Bearbeiterzusätzen und
Eingriffen der Redaktoren (Tilgungen ganzer Abschnitte
durch Rd, deren Wiedereinfügung durch Rp) rechnen
mußte. Der Verf. bietet zunächst S. 1 — 106 eine im allgemeinen
von. Vers zu Vers fortschreitende Analyse der
einzelnen Abschnitte von 2,10—21,25 (1,1—2,9 sind bereits
in der Hexateuch-Synopse mitbehandelt), sodann
S. 106—116 eine zusammenhängende Darstellung der
Entstehung des Richterbuches, bei der er sich auch mit
den bisherigen Anschauungen in großen Zügen auseinandersetzt
, weiter S. 1*—58* eine Übersetzung des ganzen
Richterbuches, bei der die Anteile der drei Quellen auf
Parallelkolumnen verteilt, die redaktionellen Elemente
aber durch Kursivdruck kenntlich gemacht sind; den
Beschluß macht auf S. 59*-^-66* ein Stellenregistei, in
dem zu einzelnen Stellen noch allerlei Bemerkungen
meist textkritischer, doch auch analytischer Art untergebracht
sind.
Daß der Verf. in Smend einen Vorläufer besaß, dem
er sich auch mit Bezug auf das Richterbuch in weitestem
Maße anschließen konnte (vgl. die von Holzinger veröffentlichten
hinterlassepen Notizen Smends zur Analyse
des Richterbuches in ZATW 1922 S. 183—192), beeinträchtigt
weder seine Selbständigkeit noch sein Verdienst.
Die Selbständigkeit tritt deutlich hervor schon in der
großen Menge neuer Einzelbeobachtungen und neuer
Einzellösungen. Das Verdienst aber werden auch die
willig anerkennen, die, wie der Unterzeichnete, das Ergebnis
im ganzen ablehnen müssen. Es ist ja eine unleugbare
Tatsache, daß die bisherige Analyse eine Menge
von Problemen noch nicht mit einer einfachen Formel
oder überhaupt noch nicht zu lösen vermochte; so ist
jeder neue Versuch, eine Lösung zu finden, berechtigt,
und wenn er mit solcher Sorgfalt bis ins Kleinste hinein
durchgeführt wird, so ist das verdienstlich, weil doch
jedenfalls eine Menge von bisher nicht gesehenen
Schwierigkeiten aufgedeckt und Einzelerkenntnisse gewonnen
werden, daneben aber eine These und die ihr zugrundeliegende
Methode so gründlich erprobt werden,
daß es jedem möglich wird, sich ein abschließendes
Urteil über sie zu bilden.
Wenn der Verf. an die Stelle der bisher angenommenen
zwei alten Quellen deren drei unterscheiden
zu können glaubt, so beruht das nicht darauf, daß er
ein neues Kriterium der Analyse gefunden hätte; er arbeitet
durchaus mit bisher schon benutzten Kriterien,
hauptsächlich mit Dubletten und sachlichen Differenzen.
Wer selbst in quellenkritischen Arbeiten Erfahrungen gesammelt
hat — und ich glaube, das für mich in Anspruch
nehmen zu dürfen —, der weiß, wie schwer es ist,
Dubletten richtig zu werten. Nicht jede Dublette weist
auf zwei Quellen. Ich führe als Typen an 1.) die beiden
Schöpfungsgeschichten, 2.) Jos. 2,1 LXX xal itoQevth'v-
reg elorjl&ooav ol dvo veaviaxoi eig 'feQei%w, xal elorjl-
&ooav . . ., 3.) Gen. 1, 22 LTOn rix 1X7-D1 1311 HD-
Aus Nr. 1 schließen wir auf zwei Quellen, Nr. 2
erklären wir aus Kombination zweier Varianten
eines Textes, von denen die eine durch einen Bearbeiterzusatz
entstanden war, Nr. 3 halten wir für
bloße Plerophorie. Es gehört ein gewisses, durch Übung
und stete Selbstkritik gebildetes, niemals aber untrügliches
, sondern immer weiter zu schärfendes Sensorium
dazu, um bei den zahllosen Übergangsformen die richtige
Bewertung der Dubletten zu finden. Und Gleiches gilt
bezüglich der Bewertung sachlicher Differenzen. Da
kann ich nun vielfach nicht mit, wenn Eißfeldt mit mehr
oder weniger großer Sicherheit Quellendubletten konstatieren
zu können glaubt. Beispielsweise findet er
Jud. 6, 4 f. einen Hinweis auf drei Quellen in dem
dreifachen Ausdruck 1.) „sie vernichteten den Ertrag