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Ausgabe:

1926 Nr. 2

Spalte:

609-610

Autor/Hrsg.:

Rauschen, Gerhard

Titel/Untertitel:

Grundriß der Patrologie. Die Schriften d. Kirchenväter u. ihr Lehrgehalt. 8. u. 9., neubearb. Aufl 1926

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 25/26.

610

Chiliasmus huldigt, sondern auch — wie das Johannesevangelium
selbst — Jesus fünfzig Jahre alt werden und darum (in seiner
'Btlftihs) unter Kaiser Claudius sterben läßt! Unter den für den
frühen Tod des Johannes vorgebrachten Gründen (S. 123 ff.) ist Mt. 20,23
ganz übergangen. Die Stelle wurde aber selbst von der Legende so
gewertet, daß sie die bekannte Erzählung vom siedenden ölkessel
aufbrachte. S. 127 f. meint E., daß erst der Bericht des 4. Evangeliums
über Jesu Auftreten in Jerusalem und seine Auseinandersetzungen
mit den Schriftgelehrten und Pharisäern über seine Person
und seine Mission uns die Erklärung gebe für den unversöhnlichen
Haß, womit sie ihn bis zum Tode am Kreuze verfolgt hätten. Allein
auch die Synoptiker schildern ihn nicht bloß als „menschenfreundlichen
Wanderprediger und barmherzigen Wundertäter in den Gefilden
Galiläas". Die „Wehe 1" - Reden gegen die Schriftgelehrtcn und
Pharisäer bei Matth, c. 23, der Einzug in Jerusa'em und die Tempelreinigung
waren Anlaß genug, ihn nicht „ruhig schalten und walten
zu lassen". Und wurden nicht auch andere Propheten getötet, ohne
daß sie für ihre Person eine besondere Herkunft und Stellung in Anspruch
genommen hätten? Ist nicht der Untergang des Propheten Los?

Durch diese Bemerkungen glaube ich mein obiges
Urteil über die Vorträge E.s kurz gerechtfertigt zu haben.
Gewiß enthalten sie sehr schöne und treffende Abschnitte
und sie sind getragen von Liebe und Begeisterung
für das Urchristentum wie für den Katholizismus.
Aber der Beweis, den sie führen wollen, ist ihnen nicht
geglückt, weil er nicht glücken kann und bei jedem
Versuche dazu entweder das kirchliche Dogma oder die
Quellenaussagen zu kurz kommen, wenn nicht gar beide
abgeschwächt und umgebogen werden. Wesentliche Bestandteile
des Katholizismus sind eben nicht durch wurzelechte
Entwicklung, sondern nur durch regelrechten
Umschlag urchristlicher Gedanken n öglich geworden.
Wo der Glaube herrscht, daß Jesus nach seinem Kreuzestod
von Gott zum Herrn und Messias gemacht worden
sei, oder daß er deshalb Sohn Gottes genannt werde,
weil er vom hl. Geiste aus der Jungfrau gezeugt sei
(Luk. 1, 35), da hat man von seinem göttlichen Vordasein
noch keine Ahnung. Und wo der Geist ausgegossen
ist über alles Fleisch (AG. 2, 17), wo die
Gemeindevorsteher „Aufseher", „Älteste" und „Diener"
heißen und alle Mühe haben, neben den Geistträgern
beachtet zu werden, da ist keine Hierarchie, kein Priester-
tum, kein Opfer im katholischen Sinne da und es ist
nicht bloß nicht bezeugt, sondern ausgeschlossen. Um
zu dieser Uberzeugung zu kommen, bedarf es keiner besonderen
vorherigen „Weltanschauung" und auch keiner
„Wunderscheu", sondern nur einer durch keinerlei
Rücksichtnahme beeinflußten Prüfung der Quellen. So
spärlich diese fließen mögen und so gerne man weitere
Aufschlüsse von ihnen erwartete, die Höhenlage des
Urchristentums und seiner Gedanken tritt doch deutlich
hervor und damit scheidet aus, was mit ihr nicht zu
vereinbaren und tatsächlich auch erst für die Folgezeit
bezeugt ist.

München.___Hugo Koch.__

Rauschen, Dr. Gerhard: Grundriß der Patrologle. Die

Schriften d. Kirchenväter u. ihr Lehrgchalt. 8. u. Q., neubearb. Aufl.
15.—17. Tsd. Freiburg i. Br.: Herder & Co. (XX, 484 S.) kl. 8°
= Herders Theologische Grundrisse. Rm. 8.60; geb. 10—.

Die Aufnahmefähigkeit des Büchermarkts für diesen
Grundriß scheint unbegrenzt zu sein. Die letzte Doppelauflage
war im Laufe eines Jahrfünfts vergriffen. Es
muß aber gleich angefügt werden, daß das Buch diesen j
Erfolg verdient. Es ist, zumal in seiner neuen Gestalt, |
ein sehr nützliches Vademekum, das man nur selten ver- i
geblich um Rat fragen wird. Wittig, der schon die j
vorige Ausgabe nach Rauschens Tode betreut hatte, j
hat mit größtem Fleiß nachgetragen und gebessert, was !
immer der Fortschritt der Wissenschaft erforderlich
machte. Auch am Aufbau sind hier und da einleuchtende
Änderungen vorgenommen worden. Warum
Amphilochius von Ikonium nur einmal, und noch dazu
ganz beiläufig, erwähnt wird, bleibt dunkel. Auch Namen
wie Pacatus und Aponius vermisse ich, nachdem
Bardenhewer ihnen den bereits von Harnack geforderten
Platz eingeräumt hatte. Die Anmerkungen sind größtenteils
(vom 19. Bogen an sämtlich) in den Text hinauf

genommen worden, ein Verfahren, das dankbar begrüßt
und in der nächsten Auflage hoffentlich ohne Rest
durchgeführt werden wird. Vom Petitdruck ist stärker
Gebrauch gemacht. Das Buch, dessen Format bei dünnerem
Papier kleiner geworden ist, trägt nunmehr ein besonders
schmuckes Gewand. Druckversehen sind selten.
Warum aber taucht S. 397, 399 und im Personenverzeichnis
ein Papst Hilarius auf? Ich finde ihn allerdings
auch in Mirbts 4. (nicht 3.) Auflage im Papstverzeichnis
und merkwürdigerweise auch bei Bardenhewer im Register
(nicht im Text). Bisher hieß er immer Hilarus.
Wie Wittig in der Vorrede dankbar erwähnt, sind ihm
von den verschiedensten Seiten reiche Hinweise für
die neue Auflage zugeflossen. Möchte es ihm vergönnt
sein, trotz des schweren Schlages, der ihn getroffen hat,
auch künftig seine Kraft diesem Werke widmen zu
dürfen. Ich unterschreibe gern die Worte, mit denen er
sein Vorwort schließt: „Es lohnt sich jede Mühe und
Sorge um unsere liebe, schöne Wissenschaft von den
Vätern der Kirche."

Gießen. G. Krüger.

[Kehr-Festschrift] Papsttum und Kaisertum. Forschen, z. polit.
Gesch. u. Geisteskultur d. M.-A. Paul Kehr z. 65. Geburtstage dargebracht
. Hrsg. v. Albert Brackmann. München: Verl. d.
Münchner Drucke 1Q26. (VIII, 707 S. m. e. Bildnis) gr. 8°.

Rm. 25—.

Die gehaltvolle Festschrift beginnt mit einer scharf-
i sinnigen Untersuchung der ältesten römischen Bischofs-
' liste durch E. Caspar, die trotz ihrer konservativen
Haltung die historischen Bedenken gegen die orthodoxkatholische
Theorie nicht verringert. Auch sonst kommt
in dem vielseitigen Sammelwerke vornehmlich die Geschichte
des Papsttums auf ihre Rechnung. Mittei-
I lungen Fedor Schneiders aus einem Veroneser Klosterarchiv
klären die Vorgeschichte des schismatischen Papstes
Cadalus, so wie des verdienten Herausgebers
Brackmann besonders lehrreicher Hirsauer Beitrag die
I Anfänge Gregors VII. Das Alexandrinische Schisma wird
durch F. Güterbock für einige italienische Gebiete aufgehellt
. Äußerlich und innerlich das bedeutendste Stück
des Werkes ist K. Wencks tatsachen- und gedankenreiche
Studie über die Päpste in der nachalexandri-
nischen Zeit bis zu Innocenz III., die bereits einer freilich
noch vorübergehenden Verfallszeit angehören. Der
Verfasser ermöglicht tiefe Blicke hinter die Kulissen
der keineswegs einheitlichen kurialen Politik. Wie schon
Wencks frühere Arbeiten so liefert auch diese eine
wissenschaftlich überaus fruchtbare Analyse von Begriffen
, die von damaligen und heutigen Phrasen fälschlich
als Einheit behandelt werden. Innocenz III. brachte
dann einen neuen Aufschwung. Ihm gegenüber macht
Otto IV. nach den Nachweisen Hallers keine gute Figur.
Aus späterer Zeit verdienten Bresslaus Darlegungen übeT
Heinrich VIT, Scholz' Behandlung einer ungedruckten
Reformschrift von 1406 und Schellhaß' Gratianus Redi-
vivus (unter Gregor XIII.) lebhafte Beachtung.

Auch außerhalb der Geschichte des Papsttums werden
hier wertvolle Gaben geboten. Neue Ausblicke oft
unerwarteter Art eröffnet Hofmeisters stoffreiche Arbeit
über Altersbezeichnungen im Mittelalter. E. E. Stengel
hat einen wichtigen Artikel über den Ursprung der
Ministerialität beigesteuert. Schmeidler baut seine Forschungen
über die Kanzleibeamten Heinrichs IV. mit
Erfolg weiter aus. Krabbo zeigt überzeugend, daß dem
Aufrufe der Magdeburger Suffraganbischöfe gegen die
Slaven von 1108 für die Schilderung der slavischen Zustände
ein erheblicher Quellenwert innewohne. Schotten-
loher führt den Leser in die Welt der kaiserlichen Dichterkrönungen
des späten Mittelalters. Zwei Dutzend
weiterer Beiträge haben dafür gesorgt, daß viele andere
Seiten des im Obertitel der Festschrift genannten Themas
berührt werden. Das geschieht stets in wissenschaftlichem
Geiste, wie es sich bei einer Gabe für einen solchen
Jubilar gehört.

_Hamburg.__J. Haahagen.