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Ausgabe: | 1926 Nr. 24 |
Spalte: | 594-595 |
Autor/Hrsg.: | Pastor, Ludwig Frhr. von |
Titel/Untertitel: | Geschichte der Päpste seit dem Ausgang des Mittelalters. Bd. I: Geschichte der Päpste im Zeitalter der Renaissance bis zur Wahl Pius II., Martin V., Eugen IV., Nikolaus V. und Kalixtus II. |
Rezensent: | Hashagen, Justus |
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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 24.
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in A nicht aus Flüchtigkeiten des Abschreibers, sondern
daraus zu erklären, daß B absichtlich erweitert ist (z. ß.
9, 1 f. u. 229, 14—16), und Souter meint (p. VII), daß
diese erweiterte, spätere Form nicht notwendigerweise
auf einen anderen, als Pelagius selbst, zurückgeführt zu
werden brauche. Anstößig wird diese Druck-Einrichtung
erst durch ihre Durchführung auch bei zweifellosen
Text fe hier n in A oder B. Doch wäre es möglich gewesen
, von der strengen Durchführung des einmal aufgestellten
Grundsatzes in einzelnen Fällen abzusehen
? Wann war solches Absehen geraten? wann
nicht? Die Schwierigkeit, diese Frage einwandfrei zu
beantworten, rechtfertigt m. E. trotz aller Bedenken
Souter's mühsame Druckeinrichtung, obwohl sie beim
Setzen wie beim Korrigieren nicht selten nur zugunsten
von Nichtigkeiten die größten Ansprüche an die Sorgfalt
stellen mußte.
Jülicher hat der Bescheidenheit, mit der Souter in
der Introduction oft die Schranken seiner „rein philologischen
" Arbeit betont, mit scherzendem Ernst entgegengehalten
, man müsse, weil Souter's Arbeit Schranken
derart nicht zeige, „fast fürchten, auf eine gute
Weile hin werde uns nur Genuß und nicht neue Arbeit
mit dem wiederhergestellten Kommentar [des Pelagius)
bescheert werden" (a. a. O. 465 f.). Gegenüber der
Herausgeber-Arbeit, die Souter getan hat, wird die Tatsache
, die Jülicher scherzend „fürchtete", allerdings mit
dem Ernste anzuerkennen sein, mit dem Jülicher hier
lobte. Doch daß inbezug auf den wiederhergestellten
Kommentar selbst kein Grund zu der Furcht vorliegt,
alle Arbeit sei bereits getan, schränkt dies Lob nicht ein.
Auf dreierlei möchte ich in dieser Hinsicht hinweisen,
obwohl ich bei dem ersten und zweiten nicht mitarbeiten
kann: auf die Bedeutung des Pelagiuskommentars für die
Geschichte des lateinischen Bibeltextes, insonderheit im
NT, für die Geschichte der neutestamentlichen Exegese
und für die Dogmengeschichte. — Daß die Arbeit der
fortschreitenden Forschung inbezug auf die Schriftzitate
Souters Textgestaltung ins Unrecht setzen wird, glaube
ich nicht; man kann jetzt, da Text und Apparat vorliegen
, mit Hilfe der Ausführungen in der Introduction
(S. 116—173) studieren, mit welcher Umsicht und mit
wie ausgebreiteter Gelehrsamkeit Souter seine Entscheidungen
getroffen hat. Aber eben diese Ausführungen
zeigen, wie verwickelt das Problem der Vulgata und des
Vetus latinus, zumal bei den paulinischen Briefen, ist.
Zur Einführung in die Schwierigkeiten, mit denen es die
Forschung hier zu tun hat, wird es kein zweites so lehrreiches
Mittel geben, als ein ernstes Studium der textkritischen
Arbeit Souters am Bibeltext des Pelagius.
Und seine Resultate werden bei der sicheren zeitlichen
und örtlichen Fixierbarkeit des Pelagiustextes sowie
mancher seiner variae lectiones und der relativen Sicherheit
, mit der über Zeit und Heimat andrer Varianten
geurteilt werden kann, feste Anhaltspunkte für die Forschung
abgeben können. — Inbezug auf die Bedeutung
des Pelagiuskommentars für die Geschichte der Exegese
muß ich sehr zurückhaltend sein; denn ich übersehe zu
wenig, was hier schon getan ist. Aber ich glaube nicht
zu irren, wenn ich meine, daß für die Forschung,
wenn sie nicht bei Formalem sich begnügen will, sondern
auch materiell die Geschichte der exegetischen Tradition
ins Auge faßt, noch das meiste getan werden muß.
Souter nat der Frage, weshalb Pelagius, der den Hebräerbrief
für paulinisch hielt, nur die 13 andern Paulinen
kommentiert hat, in seiner Introduction keine
ausdrückliche Untersuchung gewidmet; Zimmer, der sie
ausführlich behandelt hat (Pelagius in Irland, 1901, S.
178—200), meinte den Grund darin finden zu können,
daß dem Pelagius die Vorarbeiten anderer fehlten (S.
198). Die Forschung unserer Tage wird nun freilich
nie ganz übersehen können, was Pelagius benutzen
konnte; uns fehlt vor allem fast alle Einzelkenntnis
inbezug auf die exegetische Arbeit Diodors von Tarsus.
Aber wieviel ist noch zu tun, bevor das uns zugängliche
Material, einschließlich des Pelagiuskommentars, so
durchgearbeitet ist, daß diese These Zimmers auf Grund
zuverlässiger Urteile über das Maß der Selbständigkeit,
das der Exegese des Pelagius zukommt, wirklich geprüft
werden kann! — Über die dogmcngeschichtliche Bedeutung
des Kommentars zu handeln, hat Souter in der
„Introduction" unter Verweisung auf Klasen und auf
meinen Artikel in der RE8 (XV, 747—774) ausdrücklich
abgewiesen: „On this subject a whole book might easily
be written, and doubtless will be wriften, but it must
come from a theologian" (S. 69). Daß er auch hier
seine „Schranken" überschätzt hat, zeigen die Abschnitte
der Introduction über die in allen Teilen des Kommentars
sich verratende „Community of ideas" (S. 69—74)
sowie der über die „favourite verses of the scripture"
(S. 74—79); und der theologische Doktorgrad, mit dem
seine Universität (Aberdeen) ihn verdientermaßen ausgezeichnet
hat, hat es ihm in schönster Weise bezeugt.
Aber es ist richtig: der Kommentar erfordert eine theologische
Monographie. Ich werde sie nicht schreiben,
i habe aber das nun in zuverlässigem Texte vorliegende
j Werk des Pelagius unter dogmengesebichtlichem Gesichtspunkte
sorgfältig durchgearbeitet. Was ich (RE:i
XV, 751 ff.) nach dem Pseudo-Hieronymus ausgeführt
habe, ist ergänzungsbedürftig, aber nur selten irrig.
Doch kann ich hier weder Ergänzungen noch Berichtigungen
geben und beschränke mich auf ein Zwiefaches.
. Sehr stark hat der Leser den Eindruck, daß in dem Pe-
lagiuskommentar ein frommer Mönch des beginnenden
5. Jahrhunderts spricht, ein Mann, der auch von
Gottes unverdienter Gnade weit mehr weiß, als die
i Polemik Augustins es erwarten läßt. Pelagius hat sogar
j von der „fides" schreiben können: „quae tibi dei boni-
j täte collata est" (zu Rö. 11, 22; S. 90, 13); auch er zitiert
j das „Justus in primordio accusator est sui" (Prov. 18, 17;
S. 477, 9), und zu Eph. 1, 2 sagt er: „tunc vobis valebit
gratia, si ei non sitis ingrati, salutem vestram vestris
! meritis deputantes; pacern vero reconciliationis serva-
bimus, si.." (345, 1 ff.). Auch diesem „Ketzer" ist Unrecht
getan worden; der „pestifer Pelagius" sieht in der Nähe
sehr viel anders aus, als aus der Höhe selbstbewußter
Orthodoxie. Und auch Augustin war nicht groß genug,
seinen Gegner wirklich zu übersehen, nicht reif genug,
um sich darauf zu beschränken, seinen Glauben unbefangen
, anstatt aufdringlich, auszusprechen. Aber —
und das ist das Zweite — sachlich hatte Augustin doch
recht, denn für Pelagius ist die „fides dei bonitatc
collata"' eine Phrase oder (?) eine Lesefrucht gewesen;
I das „meritum fidei", von dem er mehrfach redet (z. B.
317, 20; vgl. 74, 5. 13 u. 86, 8—10), entspricht seinem
wirklichen Denken. Und obgleich er so oft, wie kein
andrer altkirchlicher Schriftsteller, von dem „sola fide
justificari" spricht, diese Tauf-Rechtfertigung entscheidet
doch nicht: „notandum, quod sola fides ad salutem ei,
qui post baptismum supervixerit, non sufficiat, nisi sanc-
titatem et mentis et corporis habeat" (483, 14ff.; vgl.
338, 2 u. 373, 19 f.). Die Schranken des Pelagianischen
Moralismus und Rationalismus zeigen sich in dem Kommentar
in erschrecklicher Deutlichkeit. Der „fromme"
Pelagius hat im Grunde doch zu denen gehört, „die
nicht klein und arm werden vor der Größe des Gesetzes
und mit der sittlichen Aufgabe fertig zu werden meinen"
(W. Herrmann, Ethik , S. 95).
Halle (Saale). Friedrich Loofs.
Pastor, Ludwig Freiherr v.: Geschichte der Päpste seit dem
Ausgang des Mittelalters, Mit Benutzung d. Pästl. Geheim-
Archives u. vieler anderer Archive bcarb. I. Bd.: Geschichte der
Papste im Zeitalter der Renaissance bis zur Wahl Pius IL
Martin V., Eugen IV., Nikolaus V.. Kalixtus III. 5.-7. vielfach Um'
gcarb. u. verm. Aufl. Freiburg i. Br.: Herder & Co UPS (LXII
887 S-) gr. 8». Rm. 32_; geb. 36-!
Niemand wird leugnen, daß Pastors Papstgeschichte,
tun der hier der erste, bis 1458 reichende Band in
fünfter bis siebenter Auflage wieder vorliegt, ein Denkmal
staunenswerten, hingebenden und entsagungsvollen