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Ausgabe:

1926 Nr. 24

Spalte:

591

Autor/Hrsg.:

Veldhoen, Nicolaas Gerrit

Titel/Untertitel:

Het proces van den apostel Paulus 1926

Rezensent:

Siegfried, Theodor

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591

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 24.

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dringt bis zu den Quellen durch, aus denen manche Auszüge geboten
werden, so daß sie als geschichtlich zuverlässig beurteilt werden
darf. Er versteht, lebhaft bewegt, kräftig, ja dramatisch zu
schildern. Man spürt den Dichter. Freilich für Konfirmanden und
Jugendvereine scheint mir, im Gegensatz zum Vorwort, das Buch
recht ungeeignet. Dann hätte der Verf. nicht so tief in das verwirrende
Gestrüpp von Personen und Intrigen hinabsteigen dürfen,
dann hätte er vor allem den doch hin und wieder allzu literatenhaften
Stil (auf S. 74 habe ich einige Sätze nur mit Kopfschütteln lesen
können) mit dem schlichten Ernst des Volksschriftstellers vertauschen
müssen. Von den vielen Liebeshändeln, die er glaubt berühren zu
müssen (z. B. Cäsar und Kleopatra, Antonius und Kleopatra), spricht
er ganz im Ton des durchschnittlichen Feuilletonisten. Gleichwohl,
für Pastoren, die nicht Zeit finden, die gelehrten Werke zu studieren
, für Gebildete, die sich ins Neue Testament hineingelesen und
geschichtliche Interessen haben, ist das Buch eine Fundgrube wertvollen
, anschauunggesättigten Wissens.

Iburg. W. Thimme.

V e 1 d h o e n, Nicolaas Gerrit: Het proces van den apostel Paulus.

Diss. Alphen: N. Samson] 1924. (VII, 135 S. m. 1 Taf.) gr. 8».

fr. 3.50.

Die Schrift ist eine Promotionsdissertation, die der juristischen
Fakultät Leyden vorgelegen hat. Gegenstand sind die Verhandlungen
vor Felix und Festus in Caesarea. Verf. kommt zu dem Resultat, daß
die Prozeßdarstellung des Lukas nicht nur mit dem uns bekannten
römischen Prozeßrecht der ersten Kaiserzeit übereinstimmt, sondern
sogar dam dienen kann, unsere Kenntnis über die römische Prozeßführung
zu vervollständigen. Für die Exegese von acta 23 f. bringt
Verf. reiches rechtsgeschichtliches Material bei. Betr. d. Appellation an
den Kaiser stellt sich Verf. auf Seiten Mommsens, der nicht eine
eigentliche (provocatio) annimmt, die es nur domi gegeben habe,
sondern vielmehr eine Ablehnung des Provfnzialgerichts wegen In-
competenz. Nur den Verdacht zu prüfen, nicht ein Urteil zu fällen,
sei Sache des Provinzialhcamtcn gewesen. Verf. schließt, daß Paulus
die Berufung auf den Kaiser ausgesprochen habe, als Festus gegen
das Prozeßrecht die Schuld des Paulus garnicht untersucht, sondern
ihn dem jüdischen Gericht zu überliefern versucht.

Marburg. Th. Siegfried.

Souter, Prof. Alexander, B. A., M. A., D. Litt., D. D.: Pelagius's
Expositions of thirteen Epistles of St. Paul. II. Text and
apparatus criticus. Cambridge: Umiversity Press 1926. (XV, 553 S.)
gr. 8°. = Texts and Studies, IX, 2. sh. 50/—.

Der von Adolf Jülicher in dieser Zeitung (1922,
Sp. 465—467) angezeigten „Introduction" Souter's ist
der lang ersehnte Textband zwar nicht so bald gefolgt,
wie man hoffte (a. a. O. 465: „binnen Jahresfrist"'),
aber doch, ehe vier Jahre voll waren.

Das Sprichwort: „Was lange währt, wird gut" ist
bekanntlich nicht immer wahr. Aber von der nun vollständig
vorliegenden Ausgabe des Pelagius-Kommentars
gilt es selbst im Superlativ. Vor 22 Jahren, 1904 (vgl.
„Introduction", p. VII), hat A. Souter diese Ausgabe
sich als Arbeitsziel gesetzt. Seine erste Veröffentlichung,
die der wissenschaftlichen Welt dies verriet und zugleich
"zeigte, wie tief er die Fundamente seines Baues
legen wollte („Prolegomena to the commentary of Pela-
gius on the epistles of St. Paul", Journal of theological
Studies VII, 4, S. 568—575), erschien schon vor 20
Jahren (Juli 1906). In dieser ganzen Zeit hat Souter
unermüdlich an seiner Ausgabe gearbeitet (vgl. Jülicher
a. a. O.). Es hat „sehr lange gewährt", bis er abschließen
zu können glaubte. Aber diesem Superlativ
entspricht auch der zweite. Daß die „Introduction" eine
Musterleistung ersten Ranges ist, habe nicht nur ich gesagt
(Göttinger gel. Anzeigen 1923, S. 223—227); berufenste
Beurteiler wie Jülicher (a. a. O.) und de Bruyne
(im Bulletin d'ancienne litterature chretienne latine, Oktober
1922) haben es zum Ausdruck gebracht. Es würde
für Jülicher, dessen Lob gegenüber einer Editionsarbeit
mehr wiegt, als meines, eine Freude gewesen sein, das
Gleiche gegenüber dem „Text and apparatus criticus" festzustellen
.

Für die Sorgfalt, mit der Souter diese editio prin-
ceps, die nicht veralten wird, auf Grund umfassendster
handschriftlicher Studien mit bewundernswerter Sachkenntnis
und größter, das Kleinste nicht außer acht
lassender Genauigkeit hergestellt hat, ist ein Zwiefaches
bezeichnend: erstens daß der Druck bei der Reichhaltigkeit
des textkritischen Apparats an den Verlag, an die

Setzer und an die Korrekturarbeit des Herausgebers ganz
außergewöhnliche Anforderungen stellte — Souter selbst
hat in der Vorrede den Beamten und Arbeitern der
Cambridge-University-Press seinen Dank ausgesprochen
„for the way in which they have presented what is
perhaps the most complicated piece of
Latin critical apparatus they have ever been
called upon to print" —, und zweitens, daß in diesem
überaus verzwickten Drucke kein Druckfehler mir aufgefallen
ist. Nicht Gelehrsamkeits-Liebhaberei, Vollständigkeits
-Pedanterie und Kleinmeisterei haben die Ausgabe
so schwierig gemacht. Es wäre ein Irrtum, zu
meinen, der Herausgeber hätte den Apparat einfacher
gestalten können. Freilich sind die beiden Handschriften
des ursprünglichen Pelagiustextes, der Augiensis saec.
VIII—IX (A) und der Baliolensis saec. XV (B, von dem
O, der Mertonensis, nur eine Abschrift ist), neben den
Vatikanischen und Freiburger Fragmenten so vorzügliche
Zeugen, wie sie nicht häufig einem Herausgeber zur
Verfügung stehen; Souter aber hat in weitem Umfange
auch die Hss der kürzeren und längeren Gestalt des
Pseudo-Hieronymus (H, und H 2), den Pseudo-Pri-
masius (Cassiodor), die dem ursprünglichen Pelagius
nahestehenden Mischtexte der Handscnriften G (San-
gallensis) und V (Parisin; vgl. zu Introduction S. 255
jetzt die Vorrede des Textbandes S. IX), die Würzburger
und die Wiener Glossen, die Zitate bei Sedulhis und
Sn aragdus (vgl. jetzt Vorrede S. VIII) und den Bibeltext
des lib. Armacan. mit herangezogen (H , u. V bilden
mit A, ebenso wie H2 und G mit B, eine Familie).
Wer das für überflüssig zu halten geneigt wäre, wird
durch S. 116—158 der „Introduction" darüber unterrichtet
werden können, wie oft all diese Zeugen für die
Frage nach dem Bibeltext des Pelagius wichtig werden;
und wenn — was jetzt gesichert ist (vgl. die Vorrede p.
VIII sq. mit Jülicher a. a. O. 467) — ein „supplemen-
tary volume" in „ein oder zwei Jahren" die Interpolationen
des Pseudo-Hieronymus (H) und die der Handschriften
G und V bringen wird — die Besonderheiten
des Pseudo-Primasius sind für Souters Ausgabe des
Cassiodor im Wiener CSEL zurückgestellt —, so wird
sich zeigen, daß der Reichtum des Pelagius-Apparats für
die Beurteilung dieser abgewandelten Gestalten des Pe-
lagiuskommentars ganz unentbehrlich ist. — Nur an einem
Punkte kann man Bedenken haben gegen die
peinliche Sorgfalt, mit der Souter seine Editoren-Arbeit
getan hat. Er hat seinen Text auf die Hss A und B so
gegründet, daß er keinem eine Führerrolle gegeben,
vielmehr beiden ihr Recht gelassen hat: eckige Klammern
schließen im Texte die Worte und Wort-teile ein,
die in A oder B fehlen.

Diese Einrichtung des Druckes führt gelegentlich zu befremdlichen
und wunderlichen, ja abschreckenden Textbildcrn. Ich gebe für
jedes dieser von mir gebrauchten Beiwortc nur je zwei Beispiele:

quia [qui] perseuerauerit [usque] in finem (21, 10f.; ,,qui" und
„usque" fehlen in B, sind aber im Texte unentbehrlich); imitatione
enim [natural, non natura filii dei sumus (372,15; das eingeklammerte
erste „natura" steht nur in B und ist im Texte unerträglich);

qua[m) doctrina (391, 5; A liest [richtig] „quam", Baber,,in");
[njet bonum (335, 11; B liest [richtig] ,,et", A aber „nec");

adiuu[al)]a[nlt (472, 9; B liest [richtig[ „adjuvat", A aber
„adjuvabant", H, „adjuvabat"); A[c]c[a]edc (481, 16; A liest
[richtig] ,,a caede", B mit andern ,,acc[a]edc").

Im Texte ist bei dieser Druckeinrichtung nicht
erkennbar, wie Souter gelesen haben will; erst ein Blick
in den Apparat verrät das durch die Anordnung der
Lesarten. Das hat den zweifellosen Vorteil, daß der
Leser auf die Divergenzen der beiden Hauptzeugen für
den Text mit unwiderstehlicher Gewalt aufmerksam gemacht
wird; doch läßt sich in manchen Fällen nicht
leugnen, daß man versucht wird, das „summum jus,
summa injuria" in ein „summa subtilitas, summa obscuri-
tas" abzuwandeln, und nicht jeder Leser wird sich in
dieser Dunkelheit gleich zurechtfinden. Indes der Gedanke
, dem Texte weder A allein, noch B allein zugrund-
zulegen, ist richtig; denn nicht selten sind Auslassungen