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Ausgabe:

1926

Spalte:

577-586

Autor/Hrsg.:

Hirsch, Emanuel

Titel/Untertitel:

Die idealistische Philosophie und das Christentum 1926

Rezensent:

Knittermeyer, Hinrich

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Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnack

Herausgegeben von Professor D. Emanuel HifSCh unter Mitwirkung von
Prof. D. Dr. G. Hölscher, Prof. D. Hans Lietzmann, Prof. D. Arthur Titius, Prof. D. Dr. G. Wobbermin

Mit Bibliographischem Beiblatt in Vierteljahrsheften,bearbeitet von Priv.-Doz. Lic. theol. Kurt Dietrich Schmidt, Göttingen
Jährlich 26 Nrn. Bezugspreis: vierteljährlich Rm. 9.—. — Verlag: J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig.

51 iahrtr Nr ?i Manuskripte und gelehrte Mitteilungen sind ausschließlich an Professor D. Hirsch in Göttingen, 17 Nnviamhor 1076
Ol. Jdlirg. im. it. Bauratgerberstr. 19, zu senden, Rezensionsexemplare ausschließlich an den Verlag. laUVCmucr Iz-U.

Spalte

Hirsch, Die idealistische Philosophie und
das Christentum (Knittermeyer)......577

N e u m a n n t, Die Reden Ootanio Buddhos
(Franke)...................586

Wißmann, Das Verhältnis von IJT2TIS
u. Christusfrömmigkeit bei Paulus(Oepke). 589

Spalte

Klein, Gewaltmenschen in Jesu Umwelt
(Thimme)..................590

V e 1 d h o e n , Het proces van den apostel
Paulus (Siegfried).............591

S o u t e r, Pelagius's Expositions of thirteen
Epistles of St. Paul (Loofs)........591

Spalte

Pastor, Geschichte der Päpste seit dem
Ausgang des Mittelalters (Hashagen) . . . 594

Pohl, Die katholische Militärseelsorge
Preußens 1797 -1888 (Schian)......595

K ü g e 1 g e n , Jugenderinnerungen eines alten
Mannes 1802 -1820 (Schuster)......596

Hirsch, Emanuel. Die idealistische Philosophie und das

gischer Befangenheit zu befehden. Tneologische BeChristentum
. Gesammelte Aufsätze. Gütersloh: C. Bertelsmann i fangenheit würde ich nämlich nicht die in der vor-
1926. (X, 312 S.) gr. 8». = Studien des apologetischen Seminars j iiegcnden Aufsatzreihe gestellte Entscheidungsfrage

H. 14. Rm. 10—; geb. 12—

Diese Aufsatzsaminliing, die Karl Holl zum 60.
Geburtstag gewidmet war, besteht zur Hälfte aus Gedrucktem
und zur Hälfte aus einer noch nicht gedruckten
Arbeit über Fichtes Gotteslehre von 1794 bis
1802. Aus der Zs. f. syst. Th. ist außer dem größeren
und umgearbeiteten Beitrag, der der neuen Sammlung als
Titel dient, noch ein als systematische Einleitung gebrauchter
Vortrag über die christliche Geschichtsphilosophie
übernommen, während die Interpretation eines
Kapitels der Hegeischen Phänomenologie aus der
Dtsch. VjscJir. f. Litvv. u. Geistesgesch. stammt. Es handelt
sich also um keine bunte Sammlung von Einzel-
Studien, sondern durchaus um ein in sich verknüpftes
Werk, von dem sich sogleich zeigen wird, daß es einen
bedeutungsvollen Beitrag zur Auffassung des deutschen
Idealismus darstellt.

Das Verhältnis des Idealismus zum Christentum bedarf in der

nennen, die das Christentum und den Idealismus auf-
einanderbezieht, sondern die Unsachlichkeit, die da in
der Regel sich einstellt, wo die Theologie sich eigentlich
in apologetischer Abwehr befindet und nicht die
eigene Verantwortung erkennt, auf die sie sich zu berufen
geradezu die Pflicht hat.

Ich bezweifle, daß Hirsch die entscheidende Frage
eben so entscheidend beantwortet. Aber ich halte es für
ein sehr viel größeres Verdienst, daß er die entscheidende
Frage stellt, und zwar in der Absicht sie wirklich
zu entscheiden und nicht eine zweifelhafte Apologetik
zu treiben. Gleich in der einleitenden G r u n d 1 e g u n g
einer christlichen Geschichtsphilosophie
wird klar, daß Hirsch aufs Ganze geht. Geschichte ist
nach seiner Meinung Schöpfung und Kampf, und zwar
Schöpfung nur dadurch, daß sie den Gegensatz, der ihre
Wurzel ist, überwindet. Das Kriterium, an dem die ge-
schichtsphilosophischen Maßstäbe ihrerseits gemessen

Tat einer cndgiltigcn Klärung, die übrigens sogar leichter sein dürfte, j werden müssen, ergibt sich bei dieser Sachlage aus der
2]LÜ ™ancnen de/ januder Auseinandersetzung Beteiligten erseheinen | näheren Bestimmung jenes Gegensatzes, in dessen Überwindung
die geschichtliche Entscheidung sich vollzieht.
Dabei ist natürlich klar, daß der Gegensatz von Natur
und Kultur nicht in Betracht kommt, weil er die innere
Spannung des geschichtlichen Lebens selbst garnicht
berührt. Die Geschichte muß in sich selbst entzweit
sein, es muß Geist gegen Geist stehen, wenn es in der
Geschichte eine Entscheidung geben soll. Man sieht,
daß dies der Gegensatz ist, den die idealistische Dialektik
aufgreift; aber sie ist zugleich seine Überwindung und
Versöhnung. Der über den Gegensatz übergreifende
Geist muß des Gegensatzes selbst mächtig sein. Die
Illusion, die in dem Ernstnehmen dieser Möglichkeit
sich kundgibt, ist der Grund, weshalb die den Glauben
hinter sich habende Philosophie die Entscheidung irgendwo
sucht, wo sie in Wirklichkeit ein für alle Mal
ausgeschaltet ist. Der Geschichte und ihrem Kämpfen
wird der letzte Ernst genommen, wenn der Gegensatz in
ihr nicht bis ins Letzte ernst zu nehmen ist, sondern
von dem wissenden Philosophen hinter sich gelassen
wird. Sehr mit Recht schließt Hirsch auch den Versuch
Tillichs in den Kreis der idealistischen Geschichtsphilosophie
ein. Es wäre höchstens zu fragen, ob dieser
Versuch, in dem Gegensatz von Theonomie und Autonomie
die entscheidende Bewegung der Geschichte herauszuarbeiten
, in der Praxis nicht sogar auf den ersten
Gegensatz zurückführen muß, weil die Theonomie als
dialektisches Prinzip in Gefahr kommt, ein neues Symbol

dürfte. Denn es ist doch wohl ein Irrtum, daß der Idealismus für eine
wirkliche entscheidende Philosophie gehalten wird. Dem System
wohnt in keiner Form Entscheidlingskraft inne. Das System ist
immer die Neutralisation der Entscheidung zugunsten der alles in sich
befassenden l] steinatischen Vor-Entscheidung selbst. Da aber die
sogenannte systematische Philosophie unserer Tage, gerade soweit sie
überhaupt ernsthaft in Betracht kommt, und nicht einer vielleicht
wissenschaftlich wertvollen, aber philosophisch gleichgiltigen Beschäftigung
sich hingibt, gänzlich von dem Zauber des Systems gebannt
ist, so kann es auch kein Wunder nehmen, daß die Krisis
des Idealismus wohl gelegentlich von dem Empiristen vollzogen wird,
— der natürlich hier gar keine Befugnis hat —, aber sonst von der
philosophischen Seite kaum ernstlich zur Debatte gestellt ist. Sie hat
selbst da die entscheidende Frage vergessen, wo sie — wie in der
lehrreichen Darstellung Kroners — auf der Grundlage einer kritischen
Exegese den Vollgehalt der Probleme auszuschöpfen, das
Motiv der Systematik bloßzulegen und die innere Dialektik der Entwicklung
nachzuzeichnen sich bemühte.

Die Kritik des Idealismus hat vielmehr in erster
Linie auf theologischer Seite eingesetzt, da aber leider
auch wiederum mit einer so verhängnisvollen Unzulänglichkeit
und demgemäß auch auf der andern Seite
mit einer nicht weniger unzulänglichen Verteidigung,
daß die Aufgabe, die Hirsch sich stellt, geeignet ist, gerade
die augenblickliche Lage zu klären. Sie wird es
insbesondere dadurch, daß man wohl sagen kann, daß
hier die Entscheidungsfrage wirklich gestellt wird, und
zwar, ohne gegen den Idealismus ungerecht zu werden
, und ihn von außen und womöglich mit theolo-