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Ausgabe:

1926 Nr. 23

Spalte:

570

Autor/Hrsg.:

Rauscher, Julius (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Blätter für württembergische Kirchengeschichte. N. F. 30. Jhg. 1926, Heft 1/2 1926

Rezensent:

Bossert, Gustav

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569

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 23.

570

hat wirken können (V. Moser, Germ^-rom. Monats-
schr. 14, 29 f.). Nicht einmal druckfertig war die
Schrift: ,Es ist ouch fn solcher yl alles geschriben worden
, das ich nit durch vß der Ordnung, was am besten
zesamen gefügt, zesamen zestellen gepflegen hab.' Die
schottische Herausgeberin hat nichts getan, dem Leser
die Stöße zu mildern. Ihr Streben geht allein auf buchstabentreuen
Abdruck, erreicht hat sie auch dies Ziel
nicht.

Auf der einen, im Schwarzweißbild beigegebenen Seite — fo. 9
nennt sie sie irrig—leistet sich ihr Abdruck 30,14—31,20 bei der bis
zum letzten Buchstaben lesbaren Handschrift die folgenden Fehler:
30,14 vollkomen st. volkomen; 24 jündtlichen st. sündtlichen (auch
in den Emendationes S. 254 nicht verbessert); 26 Fegfür st. fi'gfür;
30 vorgändem st. vorgändem; 31,9 gsatt st. gstalt (wieder S. 254
nicht verbessert). 30, 27 unterläßt sie, Tschudis Schreibfehler brünnen
in brennen zu bessern. Sie schwankt zwischen kleinen und großen
Anfangsbuchstaben: falsche Majuskel bieten 30, 16 martrer; mägt;
19 vnd; 26 fegfür; 27 dann; 29 mentsch usw., falsche Minuskel
30,20 und 25 ZU; 31,15 Die usw. Über die von der Handschrift
abweichende Zeichensetzung wird nicht Rechenschaft gegeben. Das
Glossar läßt 30, 16 Bichliger 'confessor' ungedeutet, verzeichnet
vermaßgen aus 108, 18, nicht aus 30, 24; das Grundwort masc
30, 24 fehlt ganz, ebenso das wichtige pfummend .fundamentum' 30, 35
(Schweiz. Id. 5, 1097 f.); das kennzeichnende ald ,oder' wird nur
verzeichnet aus 9, 38, während es auch 31, 14 u. ö. begegnet. Alle
diese Fehler auf 43 kurzen Zeilen, die die Herausgeberin der Nachprüfung
besonders ausgesetzt wußte!

Über die dem Text nachgesandte Skizze von Tschudis Sprache
hat K. Helm im Anz. f. d. Alt. 44,192 vernichtend geurteilt.
Zur Kennzeichnung des Vorworts genüge hier, daß die Verfasserin vom
Deutschen Wörterbuch die seit 1902, vom Schweiz. Id. die seit 1913
erschienenen Hefte nicht kennt — die Aussperrung der deutschen
Wissenschaft rächt sich! — daß sie S. IX Forccllinis Werk ,Totius
Latinitas Lexicon' nennt, den Verfasser Forcellinus tauft, die S. III
versprochene Appendix mit dem Nachweis von Tschudis Zitaten aus
den Kirchenvätern schuldig bleibt und auch den deutschen Text des in
Heidelberg gedruckten Buchs von Fehlern wimmeln läßt, die S. 254
nur zum geringsten Teil verbessert sind. Dort sind zu den 3 Druckfehlern
der Manuskriptseite 99 alle Zeilenzahlen falsch angegeben.
Alle diakrinischen Zeichen über « und v erscheinen als Längezeichen,
mhd. uns, für, fiur werden von der ersten Zeile des Buchs an damit
geschrieben. Man wird dies Verfahren mehr einfach als sinnreich
nennen dürfen und müßte mit Mephisto schließen: ,Ein großer Aufwand
, schmählich! ist vertan', hätte die Dame mit der sonst verfehlten
Arbeit nicht doch ein Ziel erreicht: ihren Grad in Glasgow.
Gießen. Alfred Götze.

Schotte n loh er, Ob.-Bibliothekrat Dr. Karl: Der Münchner
Buchdrucker Hans Schobser 1500—1530. Mit e. Anh.: Wer
ist Johann Locher von München? Mit XXXV Abb. (im Text u. auf
XXXI S.). München: Verl. d. Münchner Drucke 1925. (XII,
158 S.) 4°. geb. Rm. 24—.

Schobser wanderte aus Augsburg, wo er nachweislich
1487—1498 gedruckt hat und zwar meist volkstümlich
Erbauliches, in München ein, wo er am 6.
Nov. 1500 steuerfrei als Bürger aufgenommen wurde
Aus dem Jahre 1500 ist kein Druckwerk von ihm bezeugt
; so darf man ihn nicht zu den Inkunabeldruckern
rechnen. Er wurde besonders vom herzoglichen Hofe
beschäftigt. Bei den amtlichen Drucken übernahm in
der Regel die fürstliche Kanzlei die bestellte Auflage,
nur l>ei den großen Gesetzausgaben, die Schobser 1516,
18, 20 druckte, wird er sich auch am Vertrieb beteiligt
haben. Auf eigne Rechnung und Gefahr gab er meist
volkstümliche Schriften und Blätter heraus. Neben vielem
Unbedeutenden und vielfach nur Nachgedruckten begegnen
Schriften von Joh. Aventinus, Joh. v. Staupitz,
Kaspar Schatzgeyer, Christoph v. Schwarzenberg, Bisohof
Berthold von Chiemsee. In den eisten Jahren der
Reformation hat Schobser auch einige Schriften von
Luther und Anhängern desselben nachgedruckt, aber gewiß
im Auftrag eines fremden Verlegers. Seit 1524
stellte sich Schobser in den Dienst des Kampfes gegen
die neue Lehre. Wahrscheinlich im November 1530 ist
er gestorben.

Schottenloher hat die Druckwerke Schobsers wohl
fast vollständig zusammengebracht, mustergiltig beschrieben
und mit Literaturnachweisen und anderen

wertvollen Bemerkungen versehen. In einem Anhang
rückt er den bisher ganz dunkeln „Joh. Locher von
München", den Verfasser mehrerer 1523 und 24 bei Jörg
| Gastel in Zwickau erschienenen revolutionären Flugschriften
, vielleicht auch der Schrift „Teutscher Nation
Notdurft", in helleres Licht. Er hat im Münchener
Hauptstaatsarchiv einen kurzen Bericht aus der bayerischen
Hofkanzlei vom 24. Nov. 1524 gefunden über
ein Gerichtsverhör, dem Joh. Locher an demselben Tage
unterworfen wurde, aus dem u. a. hervorgeht, daß
Locher eigentlich Rott hieß und aus demselben Barfüßerkloster
in Ulm hat weichen müssen, dem Joh.
Eberlin und Heinrich von Kettenbach entstammen.

Die beiden Drucke „Wunderzeichen" Nr. * 48 (S. 32) sind auch
nur Nachdrucke. Diese Zeitung aus Ofen traf am 4. Juni 1514 in
Augsburg ein und wurde hier von Erhart Öglin zum ersten Male gedruckt
(Weiler 869 = Zwickauer RSB. 8. 7. 8, 16; in diesem Exemplar
am Schlüsse handschriftlich weitere Nachrichten vom 26. Juni.).
Der Holzschnitt auf dem Schobserschen Nachdruck ist Nachschnitt des
Holzschnitts auf dem öglinschen Originaldruck. In ursprünglicherer
Gestalt begegnet er aber auf einem etwas früheren öglinschen Druck:
Der bundtschu. / Diß biechlein sagtt von dem bö-//sen fürnemen
der bundtschuher,... (Panzer 789 — Gödeke, Pamphilus Gengenbach
1856, S. 438 Nr. 3a Zwickauer RSB. 8. 7. 8, 15). In dem Holzschnitt
auf dem späteren öglinschen Druck Weller 869 ist der
Bundschuh rechts von dem Fahnenträger und das Täfelchen links mit
der Jahreszahl 1514 weggeschnitten; ebenso sind die beiden Wappen
, auf der Fahne, von denen das eine auch schon auf dem früheren
| Öglinschen Druck verundeutlicht worden ist, entfernt.

Zwickau i. S. C. C leinen.

Blätter für württb. Kirchengeschichte. Im Auftrag des Vereins
für württb. Kirchengeschichte hrsg. v. Julius Rauscher, Stadtpfarrer
in Tuttlingen. Neue Folge, XXX. Jahrg. 1926, Heft 1/2.
Stuttgart: Chr. Scheufeie. (128 S.) 8°.

J. Rauscher weist in einem kurzen Nachruf auf den t D.
Bossert darauf hin, daß kaum einer der 40 Jahrgänge der Blattei
I (1886—1926) ohne einen größeren Beitrag aus der Feder des Ver-
i storbenen ist und daß sie seither sein Gepräge trugen, t G. Bossert
j hat 1S80 das Protokoll der Oeneralvisitation der Grafschaft Hohenlohe
von 1556 veröffentlicht und gibt jetzt „die kirchlichen Zustände
der Grafschaft Hohenlohe-Neuenstein im J. 1571". Für Hohenlohe
-Waldenburg ließ sich kein Protokoll ausfindig machen. Wir erhalten
ein Bild, wie die Reformation in 31 Pfarreien sich eingelebt
und neue Verhältnisse angebahnt hat. Heimat und Haltung der
Pfarrer wird besprochen. Auffallend ist die geringe Schätzung der
Taufe. Die Einführung des Gemeindegesangs ist schwierig vor allem
in den 10 Pfarreien ohne eigene Schule. Unter den gerügten Mißständen
spielen die Ehezwiste und der Aberglaube eine Rolle. F. Fritz
schildert in der Fortsetzung seiner Arbeit über „die württb. Pfarrer
im Zeitalter des dreißigjährigen Krieges" die Polemik gegen den
Katholizismus, Calvinismus und die Schwärmer. Er versucht die viel-
geschmähten Streittheologen, besonders Lukas Oslander und Th.
Thumm, zu würdigen, deren Mut auch während der Überschwemmung
des Landes durch katholische Kriegsvölker und Jesuiten nicht
gedämpft wurde. Der Ablehnung des als fremdartig und gesetzlich
empfundenen Calvinismus stellt Fr. das Verständnis für die reformierten
Glaubenshclden und Märtyrer gegenüber. Eine Anzahl Schwärmer
wird besprochen. Charakteristisch ist das verschiedenartige Urteil
jener Tage über Arnds Wahres Christentum. Bei der Erörte-
i rung der Frage der Duldsamkeit weist Fr. die Einwirkung der Gedanken
des Acontius auf Männer wie Thumm, J. V. Andreä und
| Meiderlin nach. T h. Knapp gibt einige Berichtigungen und
! Ergänzungen zu seinem bedeutsamen Buch „Neue Beiträge zur Rechtsund
Wirtschaftsgeschichte", soweit sie kirchliche Verhältnisse betreffen
. Th. Wotschkc behandelt „die Wittenberger Theologen
gegen die Tübinger im Unionsstreite"; er berücksichtigt nicht bloß
die Wittenberger Professoren, sondern alle ihnen nahestehenden Theologen
. Es handelt sich vor allem um die Bekämpfung Chr. Matth.
Pfaffs durch Wernsdorf, Löscher, Neumeister, Cyprian u. a. Es
ist sehr zu begrüßen, daß das etwas stiefmütterlich behandelte Zeitalter
der Orthodoxie durch solche Arbeiten wie die von Fritz und
Wotschkc genauer erforscht wird. Jul. Hartmanns flott geschriebene
Schilderung dieser Zeit in der Calwer Württ. Kirchengeschichte bedarf
an manchen Punkten der Ergänzung, f O. Bossert veröffentlicht
ein seither unbekanntes Tischgespräch des Joh. Brenz aus dem J.1551
über den Chorrock (linea vestis), der im Adiaphorastreit eine Rolle
spielte, und macht es wahrscheinlich, daß der durch die Kirchenordnung
von 1536 in Württ. abgeschaffte Chorrock infolge des Interims
wieder in der Kirchenordnung von 1553 zugelassen wurde.

Horb G. Bossert.