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Ausgabe:

1926 Nr. 23

Spalte:

563-565

Autor/Hrsg.:

Jungmann, Josef Andreas

Titel/Untertitel:

Die Stellung Christi im liturgischen Gebet 1926

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 23.

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Vertreter dieses älteren und weiteren Oregorianums wird
Cod. Päd. D. 47 angeführt. Wenn Baumstark das Oe-
lasianum und seine fränkische Rezension in Cod. Sang.
348 als Entwicklungsstufen der merowingischen Landesliturgie
hinstellt, ist es ihm ein leichtes, die gregorianische
Schicht als die jüngste, als eine Folge der liturgischen
Reform Karls des Großen zu deuten.

Den historischen Tatsachen wird damit zu Gunsten
von Baumstarks unbewiesenen Thesen Gewalt angetan.
Daß sie unbewiesen und auch unhaltbar sind, wird deutlich
an einer näheren Untersuchung des Cod. Päd. D. 47.
Wenn Baumstark ihn verglichen hätte, so wäre ihm nicht
verborgen geblieben-, daß er im Vergleich zum „Aachener
Urexemplar" ein in seinen Grundzügen kürzeres Gregorianum
enthält, das erweitert ist mit gelasianischem
Gut. Die Bedeutung dieser Erkenntnis für die überlieferungsgeschichtliche
Stellung von Gregorianum und
Gelasianum und ihren Mischtypen zu einander hoffe ich
demnächst in einer eigenen Arbeit dartun zu können.

Die vorliegende Arbeit kommt über Vermutungen
und unbewiesene Behauptungen nicht hinaus, weil sie
Sakramentarfamilien nebeneinanderstellt und vergleicht,
deren Beziehungen zueinander in keiner Weise geklärt
werden. Ihr Wert kann darum nicht in den beigegebenen
Untersuchungen liegen. Die Wissenschaft
darf dankbar sein für die Erschließung des Textes dieses
so eigenartig geschichteten Sakramentars. Denn daran
ist das Werden des Gregorianums in der doppelten Entwicklung
zu erkennen, die es im Frankenreich und in
Rom genommen hat.

Dem Buch ist eine „Vergleichstabelle zur Quellenscheidung der
Sakramentartcxte" beigegeben. Verglichen sind Aug. Greg. Gel. Cod.
Sang. Der Alcu-insche Anhang und ein Salzburger Sakramentarfrag-
ment nach- Clm. 15815 (Sah). Dabei wird Sal. als frank. Gelasianum
gedeutet, während er wie die Stücke des Reichenauer Fragments 23
in Wirklichkeit ein Gregorianum vom Typ des Cod. Päd. D. 47 ist. In
der Vergleichstabelle wäre nachzutragen: zu Aug. 10, 1 u. 3 — Greg.
14, 1 u. 3; zu Aug. 14, 1 — Greg. 15, 1; zu Aug. 17, 1 u. 2 — Greg.
16, 1 u. 204; 37, zu Aug. 52, 16 — Greg. 83, 3; zu Aug. 52, 23, 25,
26 — Greg. 85, 11; 205, 1—3; 83, 1; zu Aug. 10, 1 u. 3 — Gel. II,
47, u. I, 97 u. Greg. 14, 1, 2.

Jena. Hans Hohl wein.

Jungmann, Dr. Josef Andreas, S. J.: Die Stellung Christi im

liturgischen Gebet. Münster i. W.: Aschendorff 1925. (XVI,
256 S.) 4°. = Liturgiegeschichtl. Forschungen, Heft 7/8.

Rm. 8.50.

In der katholischen Kirche, und nicht bloß in ihr,
tritt im Verhältnis des Beters und der betenden Gemeinde
zu Christus ein gewisser Gegensatz zwischen der
altehrwürdigen Weise biblisch-liturgischer Frömmigkeit
und den geläufigen Formen volkstümlicher Andacht
offen zu Tage: dort wendet sich das Gebet fast ausschließlich
an Gott den Vater durch unsern Herrn
Jesus Christus, seinen Sohn — hier ist es zumeist an
Christus selber gerichtet, soweit nicht, und das ist in
den Gebeten der Katholiken noch weit häufiger der
Fall, die Heiligen angeredet und angefleht werden.
Dieses Mißverhältnis wird in den Kreisen der neu erwachten
liturgischen Bewegung lebhaft empfunden und
man ist da bestrebt, die alten liturgischen Gedanken wieder
zur Geltung zu bringen. Im Dienste dieser Bestrebungen
, die sonst am meisten von den Benediktinern der
Beuroner Kongregation gepflegt werden, steht auch die
vorliegende Veröffentlichung des Jesuiten Jungmann.
In überaus fleißiger und sorgfältiger Untersuchung prüft
er im ersten Teil die einzelnen Liturgien auf diesen
Punkt: die alten Kirchenordnungen, die Reste altägyp-
tischer Liturgie, die ägyptischen Hauptliturgien, die westsyrische
und die ostsyrische Liturgie, die Liturgien des
byzantinischen Bereiches, die Liturgien des gallischen
Typus, endlich die römische Liturgie. Nachdem er so mit
umfassender Heranziehung von Quellen und Literatur
den Stoff gewonnen hat, zeichnet er im zweiten Teil die
Geschichte des christologischen Gedankens im liturgischen
Gebete mit dem Hintergrund der dogmengeschichtlichen
Streitigkeiten und dogmatischen Festsetzungen. Bis ins

4. Jahrhundert hält das liturgische Gebet mit großer
Einmütigkeit die Regel fest, sich durch Christus den
Hohenpriester an Gott zu wenden, an Gott, der immer
wieder als Vater Jesu Christi bezeichnet wird, aber so,
daß dieses von den Aposteln überkommene Schema organisch
weiter gebildet wird. Erst am Ende des 4. Jahrhunderts
begegnen uns als Ausnahme auch Gebete an
Christus den Herrn, doch nicht innerhalb der eucha-
ristischen Feier selbst, sondern in der Vormesse und
bei der Taufe. Dagegen wissen wir, daß, in privaten
Gebeten wie in der apostolischen Zeit so auch später das
Gebet zu Christus durchaus bekannt und geläufig war'
(S. 146). Gegen ein weiteres Eindringen des Gebetes
zu Christus in der Liturgie, das allem nach von apokryphen
Apostelgeschichten ausging, setzte sich das
Konzil von Hippo v. J. 393, an dem auch Augustin als
Priester teilnahm, zur Wehr (S. 150). Durch den Ton
aber, den die Arianer auf die alte Weise des Betens
legten, kam dieses in kirchlichen Kreisen da und dort,
namentlich in den griechischen Ländern, in Verruf, und
man setzte da besonders an die Stelle des bisherigen
Lobpreises öoSa naxol 67 viov ev äytq) nveviiari die
Form 66£« itvaoX v.u) vlip xui ayltp rcveviian (S.
154), oder statt *«/. auch Verbindungen mit «'<« oder
ovv (S. 162), oder auch eine Zusammenfassung zweier
Formeln in 67 ob xai iie-9- ov . . . ovv vtp otytoj jcvsviiari
(S. 167), ,per ipsum et cum ipso et in ipso ... in uni-
tate Spiritus Sancti' (S. 179). Derselbe Gegensatz zum
Arianismus brachte es mit sich, daß auch das Gebet an
Christus, das in volkstümlichen Formen, namentlich in
den sog. Paradigmengebeten und im Kvqie k'ksrpov
schon früher in die Liturgie eingedrungen war, allmählich
weiter ausgebaut wurde und den Mittlergedanken
verblassen ließ (S. 189 ff.). In monophysitischen Kreisen
Syriens steigerte sich die Hervorhebung der Gottheit
Christi zu einer Art praktischen Panchristismus', wogegen
freilich wieder eine rückläufige Bewegung einsetzte
(S. 201). Aus dem Gegensatz zum Arianismus
erklärt sich auch die Wendung zum Schauervollen,
Furchterweckenden, die der Eucharistiegedanke, namentlich
durch Johannes Chrysostomus, im Osten genommen
hat (S. 217 ff.). Hatte der Eucharistie als
Opfergabe und Opferspeise Jahrhundertelang mehr
ein ,Sachcharakter' geeignet, so tritt im ,Agnus Dei', das
zuerst Papst Sergius (689—701), wohl als Gabe aus
seiner syrischen Heimat, in der römischen Messe singen
ließ, ein mehr persönlicher Verkehr mit dem in der
Eucharistie gegenwärtigen Christus hervor (S. 228). Von
dieser Einlage abgesehen, ist aber in der römischen
Messe wie in den übrigen Liturgien die Eucharistie
auch fernerhin als heilige Sache behandelt (S. 231). Ein
Schlußkapitel (S. 233 ff.) ist der Heiligenverenrung,
soweit sie sich in der Liturgie bemerklicn macht, gewidmet
. ,Die Anrufung der Heiligen mit direkter Anrede
an sie, wie sie im privaten Gebete seit dem 3. Jahrhundert
belegt werden kann, hat nur selten in die Prosagebete
der Meßliturgie Aufnahme gefunden' (S. 240).
In der römischen Liturgie hat sie am Karsamstag als
Vorstufe zur Meßfeier eine Stelle erhalten im Rahmen
der Allerheiligenlitanei (S. 241). So stellt J. die Tatsachen
und ihre Entwicklung nach dem Quellenbefund
heraus, bei ihrer Würdigung und inneren dogmengeschichtlichen
Verknüpfung aber macht sich natürlich
sein dogmatischer Standpunkt geltend. Namentlich ist er
bestrebt, die subordinatianischen Schatten, die den ältesten
Liturgien unleugbar ebenso anhaften wie der ältesten
Theologie, soweit sie sich nicht in modalistischen
Bahnen bewegte, mit eitel nieänischem Lichte zu übergießen
.

Gewiß bog der Arianismus mit seinem uyouorog von der
Überlieferung ab. Aber daß ihm außer der alten liturgischen Formel
.andere Belege aus der Vergangenheit fehlten' (S. 142), ist doch
nicht richtig. Sonst hätte man es nicht für rätlich gehalten, die alt-
testamentlichen Berichte von Gotteserscheinungen und Ähnlichem,
die man vorher vom Logos erklärt hatte, nun auf Engel zu beziehen.