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Ausgabe:

1926 Nr. 22

Spalte:

533-534

Autor/Hrsg.:

Zenker, Ernst Viktor

Titel/Untertitel:

Geschichte der chinesischen Philosophie. I. Bd.: Das klassische Zeitalter bis zur Han-Dynastie (206 v. Chr.) 1926

Rezensent:

Haas, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 22.

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auch unberechtigten, ein inhaltlich so umfassendes Werk
wie das seine, sich aussetzt. Ich enthalte mich absichtlich
meinerseits jeder weiteren „billigen Kritik". Nur, um nicht,
mit Lessing zu reden, dem Schein des „Krokylegmus"
zu verfallen, eine einzelne Bemerkung: Der apologetische
Teil gipfelt, wie bereits hervorgehoben, in der These,
daß „eine über die religiöse Grundposition des christlichen
Glaubens prinzipiell hinauslaufende Stufenhöhe
des religiösen Bewußtseins nicht denkbar sei. Ich
weiß nicht, ob dies Argument, selbst als bloße Ergänzung
der religionsgeschichtlichen Ausführungen, ganz
stichhaltig ist. Eine Entwicklung der Religion, die ihren
Abschluß erreicht hat, ist darum nicht auf alle Fälle
als eine richtige beglaubigt. Sie kann an sich eben
so gut eine Entwicklung in malam partem gewesen sein.
Eine entsprechende Ergänzung und Erläuterung des
apologetischen Teils wäre vielleicht noch möglich und
angebracht gewesen.

Gießen. E. W. Mayer (Straßburg).

Zenker, E. V.: Geschichte der chinesischen Philosophie.

(Zum ersten Male aus d. Quellen dargest.) I. Bd.: Das klassische
Zeitalter bis zur Han-Dynastie (20G v. Chr.). (Reichenberg: Verl.
Gebr. Stiepel 1926. (XV, 346 S.) 8°. Rm. 8—.

Geschichte der chinesischen Philosophie. Der Titel
wird den Leser ein schwerwissenschaftliches Werk erwarten
lassen. Das aber ist das Buch von Zenker
nicht. Flüssig geschrieben, liest es sich leicht und unterhaltsam
. Und bietet es dem Sinologen kaum ein Neues,
so läßt sich doch von dem weiteren Kreise der an !
chinesischem Geistesleben interessierten Gebildeten eine
ganze Menge aus ihm lernen, das zu wissen gut ist. j
Sei es auch nur, weil es geeignet ist, den Kulturdünkel j
des Europäers um ein weniges zu dämpfen. Dem vorliegenden
ersten Bande soll, das Werk zu komplettieren,
in Bälde noch ein zweiter folgen. Er selbst reicht einstweilen
nicht weiter als bis zu der Zeit Shi-huang-ti's, des
Napoleon von China, wie man ihn genannt, des tatkräftigen
Herrschers (246—210), der den Lehensstaat
in den zentralistischen Einheitsstaat umgeschaffen hat,
der das Reich der Mitte für ganze zwei Jahrtausende ge- i
blieben ist, bis er in unseren Tagen durch eine Revor
lution sich zur Republik gewandelt. Was der Band ;
befaßt, ist die für uns in fragenvollem Dunkel liegende
vorklassische Zeit der chinesischen Prähistorie und die
klassische Ära, die Zeit, heißt das, der ein Lao-tse,
Khung-tse, Mo-ti, Meng-tse, Hsün-tse und andere Große
der chinesischen Geistesgeschichte angehören. Die wich- I
tigsten Vorarbeiten für die von ihm in Angriff genommene
Gesamtdarstellung der chinesischen Philosophie
hatte der Verfasser — das tüchtige Buch von
Alfred Forke (S. 220 und wieder S. 221 falsch Forcke
geschrieben und irrig Anton genannt), erst im vergangenen
Jahre erschienen (The World coneeption of the
Chinese, their phsico-philosophical speculations), ist
ihm nach S. 46 leider unbekannt geblieben — in Paul
Carus' „Chinese Philosophy" und in dessen japanischen
Assistenten Suzuki „Brief History of early Chinese
Philosophy", auch in Giles' „History of the Chinese
Literature", in Wilh. Grubes „Geschichte der chinesischen
Literatur" wie in eben dieses Sinologen Skizze in
dem Hinnebergschen Sammelwerke „Kultur der Gegenwart
" (Teil 1, Abt. V und Teil I, Abt. VII). Grube
konstatiert a. a. O. Teil I, Abt. V, 2. Aufl. S. 79: „Eine
zusammenfassende Darstellung der chinesischen Philosophie
ist bisher nicht geschrieben worden." Herr
Zenker will nun liefern, was noch fehlte. Der chinesischen
Schrift ist er mächtig. Aus den Texten selbst den
Stoff erst zu schöpfen, war er aber, soviel ich finde, nur
wenig genötigt. Was er zu verarbeiten hatte, lag doch
zum größten Teil schon in Übersetzungen vor, die er
natürlich auch zu Rate gezogen. Auffällt, daß ihm sehr
wichtige europäische monographische Arbeiten entgangen
sind. O. Frankes Studien zur Geschichte des
Konfuzianischen Dogmas und der chinesischen Staats-

religion (1920) sind ja zwar S. 128 unter der Literatur
zu Konfuzius mit verzeichnet. Nicht recht verständlich ist
es aber jedenfalls, daß der Herr Verf., wenn er diese
Studien gelesen, S. 143, indem er sich über das fünfte

| der kanonischen Bücher ausläßt, mit keinem Worte der
Untersuchung Frankes über das Tschun-thsiu Erwähnung
tut. Stillschweigendes Ablehnen ist sonst nicht
seine Art. Siehe z. B. die Anm. S. 77, wo er Ed. Erkes',
auch mir unannehmbare Auffassung, nach der Lao-tse's
Tao ursprünglich „eine tiergestaltige, dem totemistischen
Zeitalter entstammende Göttin" gewesen sein soll, „das
geheimnisvolle Tierweibchen, die Weltgebärerin", als
Kuriosität bezeichnet. Nicht weniger galant wird
S. Höf. desselben Leipziger Sinologen doch gewiß ern-

| ster zu nehmende Aufstellung abgetan, das Tschung-
Yung sei überhaupt nicht konfuzianisch — Zenker selbst
schreibt durchhin, und das will ich ihm künftig nachtun
, konfuzeanisch —, sondern eine Vermittlungsschrift
zwischen Konfuzeanismus und Taoismus aus der Zeit
Shi-huang-ti's. So grobes Geschütz wie es eine Anm.
auf S. 268 gegen L. Wieger auffährt, hat auch dieser
sicher nicht verdient. Es kann so nicht wohl ausbleiben,
daß auch gegen Z. die Kritik sich in Schärfe kehren
wird. Der anfechtbaren Positionen bietet ja doch sein
Buch nicht wenige. Ganz maßlos übertrieben wird man,
das sehe ich voraus vor allem seine Hochstellung des
Konfuzius finden, die ja auch in der Tat viel zu weit
geht. „Jeder Europäer, der sich in Khung-tse wirklich
vertiefte, hat zuletzt der uneingeschränkten Bewunderung
dieses gewaltigen Geistes Raum gegeben" (S. 178).
Hat ein O. Franke nicht auch in Khung-tse wirklich sich
vertieft? In seinem Berliner Vortrag vom 24. Januar
1925 („Der geschichtliche Konfuzius": ZDMG Neue
Folge, Bd. 4, Heft 2 [Bd. 79] S. 163—191) wird aber
doch wohl schwerlich jemand uneingeschränkte Bewunderung
finden. Zu der Bemerkung S. 176/7, daß ein
Engländer Konfuzius „diesen Chinese oj the Chinese"
genannt habe, verweise ich auf mein „Spruchgut des
Kungtse und Laotse in gedanklicher Zusammenordnung"
S. 9, Anm. E. Faber war ein Deutscher. Eben erst
hat man in seiner Vaterstadt Coburg ihm zu posthumen
Ehren eine Straße nach ihm benannt. — Das Wertvollste
in diesem 1. Bande scheint mir Kap. 8 zu sein: „Die
Sophisten und die Entwicklung der Logik in China".
Leipzig. H. Haas.

Zimmern, Prof. Dr. D. Heinrich: Das babylonische Neujahrsfest.

Leipzig: J. C. Hinrichs 1926. (28 S. m. 4 Taf.) gr. 8°. = Der
Alte Orient, Bd. 25, H. 3. . Rm. 1.20.

Nachdem Zimmern sich schon wiederholt mit dem
babylonischen Neujahrsfest beschäftigt hat, faßt er hier
die Ergebnisse für ein weiteres Publikum zusammen. Das
Heft hat aber auch selbständigen Wert, insofern es die
seitdem bekannt gewordenen Texte berücksichtigt und
somit die neueste Behandlung dieses Gegenstandes ist,
dessen Bedeutung ja weit über die Grenzen der Assyrio-
logie hinausreicht. Eingehend schildert Z. den Verlauf
der Feier in Babylonien, kürzer denjenigen in Erek und
Assur. Einiges vom Interessantesten sei hier angedeutet:
die Rezitation von Enumaelis als der Festperikope durch
den Oberpriester mit entsprechendem Festspiel, bei dem
der König und die Priester die Rolle der Tiamat, des
Marduk usw. spielen (S. 9), die Sühnezeremonie mit
dem Schafbock (S. 10 f.), der König als Büsser (S. 12),
der leidende Marduk-Bel (S. 14 f.), wobei Z„ wiewohl
der Wortlaut selber nicht dazu zwingt, gegenüber Jensen
an Tod und Begräbnis festhält. Eine innere Geschichte
des Festes verrät sich, wenn einmal, nach dem Sternhimmel
der neubabylonischen Zeit, der Widder angerufen
wird (S. 7), und ein andermal, nach dem vorangegangenen
Stierzeitalter, der Stier (S. 13). Religionsgeschichtliche
Fragen — aber bei weitem nicht alle,
die sich hier anknüpfen ließen — berührt Z„ wenn er
geneigt ist, die Zeremonie mit dem Sündenbock am jüdischen
Versöhnungstag (S. 11) oder die abendländische