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Ausgabe:

1926 Nr. 1

Spalte:

498

Autor/Hrsg.:

Bludau, Aug.

Titel/Untertitel:

Die Schriftfälschungen der Häretiker 1926

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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497

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 19/20.

498

verdienen allseitige Beachtung. — Im .Bollettino' (S. 467
bis 490) bespricht Ambrogio D o n i n i eine Reine von
Neuerscheinungen auf dem Gebiete der alten Kirchengeschichte
. — In den ,SpigoIature e Notizie' stimmt
Buonaiuti dem ersten Teil der Schrift Ed. Nordens
, Die Geburt des Kindes (1924), der Deutung der
4. Ecloge Vergils zu, während er die religionsgeschicht-
liche Erklärung der Erzählung von der Geburt Jesu,
namentlich des hua%iaQeiv (Luk. 1, 35), schroff ablehnt
und inbezug hierauf ein bekanntes Sprichwort so
ändern zu sollen glaubt: Gott schütze mich vor den
Philologen, vor den Theologen schütze ich mich selbst!
Die Philologen werden sich zu trösten wissen.

In Nr. 6 beginnt Rov K. Hack, der eine neue
Ausgabe der Bruchstücke griechischer Philosophen vorbereitet
und ihnen Einleitungen über die verschiedenen
.Synthese'-Versuchen der philosophischen Schulen vorausschicken
wird, eine Abhandlung über ,die stoische
Synthese' mit Ausführungen über iövoq (S. 505—513),
worin er zeigt, daß dieser Begriff nicht bloß in der stoischen
Logik seine Stelle hat, sondern auch in der
Grundfrage nach dem ersten Prinzip oder der Allgemeinsubstanz
von ausschlaggebender Bedeutung ist: er
ermöglicht ihnen, die Wirksamkeit Gottes im Weltall mit
seiner Vollkommenheit und Unveränderlichkeit zu vereinigen
. — Hierauf setzt sich Giorgio La P i a n a in dem
Aufsatz ,Die Lehrstreitigkeiten und die Idee von Gott
im ältesten Christentum' (S. 514—540) mit dem Buche
von Mc Giffert, The God of the early Christians (1924)
auseinander. Er zeichnet zuerst in musterhaft klaren
Zügen den Gedankengang des Buches, der hier nur
kurz angedeutet werden kann: man habe bisher immer
nur zu erklären versucht, wie zum Kult Gottes ein Kult
Christi hinzugetreten sei, ohne sich auch die Frage vorzulegen
, wie sich anderseits mit dem Kulte Christi ein
Kult Gottes vereinigt habe, d.h. man habe die Christen
nicht berücksichtigt, die weder vom Judentum noch
vom jüdisch-proselytischen Gottesglauben, sondern einfach
vom Heidentum, vielleicht von einem heidnischen
Mysterienkult hergekommen seien und zunächst lediglich
den Glauben an den Erlöser Jesus Christus angenommen
hätten. Giffert sucht die Spuren eines solchen
reinen Christusglaubens ohne Glauben an den Vatergott
nachzuweisen und zu zeigen, wie sich dieser in den
ältesten Lehrentwicklungen und Lehrstreitigkeiten geltend
gemacht habe, bis er von der philosophischen Theologie
überwunden worden sei. In seiner Beurteilung
dieser Aufstellungen bemerkt La Piana mit Recht, daß
sie eigentlich nur die Gedanken Boussets in seinem
,Kyrios Christos' fortsetzen und weiter entwickeln. Er
gesteht ihnen auch einen Kern von Wahrheit zu, erhebt
dann aber gegen den von Giffert angenommenen Gang
der Entwicklung doch eine Reihe zutreffender Einwände
und Bedenken und verweist auf die von Giffert, wie von
andern protestantischen Theologen, außer acht gelassene
ausgleichende und vermittelnde Kraft des kirchlichen
Gemeinschaftslebens. Den stärksten Ausdruck hat übrigens
der ausschließliche Christusglaube in der bekannten
dogmatischen Erklärung des römischen Bischofs
Zephyrin gefunden (vgl. diese Ztg. 1924, Sp. 271).
Jedenfalls ist es ein Fortschritt der neuesten Forschung,
daß sie auf die verschiedenen Strömungen im Gottesglauben
der ältesten christlichen Gemeinden aufmerksam
geworden ist (vgl. auch den S. 514 angezogenen Aufsatz
von J. Lebreton, de desaecord de la foi populaire et
de la theologie savante dans l'Eglise chretienne du
HI siecle, in der Rev.d'hist. ed. II 1923, 481ff. 1924, lff.
—Maria Fermi stellt in ihrem kurzen Artikel ,L'apo-
logia di Aristide e la lettera a Diogneto' (S. 541—545)
die Ähnlichkeiten und die Verschiedenheiten zwischen der
Apologie des Aristides und dem Diognetbrief heraus:
jene stelle in ihrer Mischung von apostolischer Reinheit
und Intellektualismus einen Übergang dar vom sittlichen
Erlebnis des Christentums zu seiner intellektuellen Auswertung
, aber auch der Diognetbrief zeige eine ähnliche
Auffassung. — In dem Artikel ,HSinodo diGangra e un
scrittf» pseudo-atanasiano' (S. 548—551) erklärt Fausta
Z u c c h e t t i die Haltung der von Batiffol und Buonaiuti
dem Evagrius Ponticus zugewiesenen ps.-athanasia-
nischen Schrift 7cegi 7taQ,'>evlag aus einem Einfluß der
zu Gangra verurteilten überaszetischen Anschauungen
des Eustathius von Sebaste. — In den ,Discussioni' berichtet
Ernst Schubert (S. 552—562), nicht ohne
Kritik, über die Zusammenkunft von Stockholm. — Im
,Bollettino' bespricht Antonino De Stefano (S. 563
bis 576) verschiedene Neuerscheinungen zur mittelalterlichen
Kirchengeschichte.

Am 25. Januar 1926 wurde Buonaiuti von der
Congregatio Officii wegen fortgesetzter Unbotmäßigkeit,
namentlich wegen der Herausgabe der „Ricerche religiöse
' und der Erklärung, die er in dieser seiner Zeitschrift
1925, H. 2, S. 203 veröffentlichte, ,nominatim'
als ein nach C J C can. 2258 § 2 mit der Einschränkung
von can. 2267 ,expresse vitandus' exkommuniziert (Act.
Apost. Sed. 1926, Nr. 2, S. 40 f.). In H. 5, S. 498 ff.
u. H. 6, S. 583 f. hat er sich gegen einen Jesuiten der
,Civiltä Cattolica' zu wehren, dem er ,acht verleumderische
Lügen' vorwirft und der sich weigert, diese zu-
; rückzunehmen. In diesem Punkte sind also die bösen
■ Philologen doch bessere Christen als manche Theologen,
und Buonaiuti wird vielleicht doch gut tun, die Hilfe
Gottes eher gegen diese anzurufen, als gegen jene (H. 5,
S. 500). Daß aber die gediegene Zeitschrift ihren
Fortgang nimmt, ist sehr erfreulich.

München. Hugo Koch.

Bludau, Bischof Dr. Aug.: Die Schriftfälschungen der Häretiker.

Ein Beitrag z. Textkritik d. Bibel. Münster i. W.: Aschendorff
1925. (IV, 83 S.) gr. 8°. = Neutestamentl. Abhandlungen, Bd. 11,
Heft 5. Rm. 3.40.

Diese kleine Schrift weist in sorgfältiger, kenntnisreicher
Untersuchung nach, daß die gegen Häretiker so
häufig, man kann wohl sagen, allgemein erhobene Anklage
, sie hätten die heiligen Schriften zugunsten ihrer
Irrlehren verfälscht ,auf Irrtum beruhe: „Wenn wir von
der Redaktionsarbeit Marcions absehen, laufen die den
Ketzern vorgehaltenen absichtlichen Verfälschungen auf
Kleinigkeiten hinaus, auf anderwärts vorkommende Lesarten
, wobei die Häretiker mitunter die richtigeren
hatten, auf falsche Auslegungen von Stellen oder auf
Mißverständnisse". Es kommt dem Verfasser darauf an,
darzutun, daß gerade diese Verdächtigungen den Eifer
der Väter für Reinhaltung des Textes bezeugen. „Wir
kennen ja die große Sorgfalt und fast übertriebene
Wachsamkeit, mit der die kirchlichen Oberen den Text
der Hl. Schrift vor häretischer Verderbnis zu schützen
und zu bewahren suchten." Darum ist auch anzunehmen,
daß wir trotz aller Wandlungen der Überlieferungsgeschichte
den Bibeltext (d. h. wohl in der Hauptsache
der Evangelien) wesentlich treu besitzen, wie er vor
18l/2 Jahrhunderten aus der Hand der heiligen Verfasser
hervorgegangen und auf ihren Papyrusrollen in die Welt
hinausgegangen ist. Diese optimistische Beurteilung des
Textes des Neuen Testaments ist gewiß richtig, und es
ist erfreulich, daß die sorgsame Untersuchung des
Einzelnen den Katholiken bis zur Entlastung der Häretiker
der alten Zeit — denn nur mit den Häretikern der
alten Kirche, bis auf die Monophysiten hat es der Verf.
zu tun — geführt hat. So ist denn auch zu hoffen,
daß der gegen Luther erhobene Vorwurf, er hätte in
seiner Übersetzung Fälschungen begangen, für die katholische
Kirche verschwinde.

Den Satz S. 17: „Marcion lehnte auch das Neue
Testament in der Gestalt ab, in welcher die Kirche dasselbe
gebrauchte" kann ich nicht verstehen. S. 22 ist
mehrmals i^ffrjtma gedruckt, S. 30 mehrmals o yiyovev.
Kiel. O. Ficker.