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Ausgabe:

1926 Nr. 18

Spalte:

474-475

Autor/Hrsg.:

Duensing, Hugo

Titel/Untertitel:

Epistula apostolorum 1926

Rezensent:

Schmidt, Carl

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 18.

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fügen muß, daß ,pax' in der Bedeutung von der Wiederaufnahme
des einzelnen Sünders schon in der kathol.
Schrift ad mart. c. 1 vorkommt (,quam pacem quidam in
ecclesia non habentes a martyribus in carcere exorare
conisueverunt'). S. 64 sagt er dann, daß Tertullian sich
mit dem Gebrauch von ,pax' im Sinne der Sündenvergebung
' auf den Standpunkt der Gegner stelle und
die Katholiken in ihrer Sprache anrede. In Wirklichkeit
bedeutet ,pax' nie eigentlich .Sündenvergebung', sondern
nur .Wiederaufnahme', und Tertullian ist der Anschauung
, daß die verlorene ,pax' nur der gewahren
kann, dem auch die Erteilung der .venia' zusteht: das
ist bei schweren Sünden Gott allein, der sein Urteil nur
auf pneumatischem Wege (ad. mart. c. 1, de pud. 21, 16)
kundgibt. Das ist der Standpunkt, den Cyprian wahrend
der decischen Verfolgung bezüglich der lapsi festhalt
(siehe meine .Cyprianische Untersuchungen' 1926, S.
242 ff.). Es ist darum auch nicht .schmälend', wenn
Tertullian von einer ,pax humana' spricht (S. 63), sonst
hätte Bischof Cyprian diese Redeweise wohl nicht übernommen
(siehe a. a. O. S. 246 ff.). Eine Unterscheidung
von .Kirchengemeinschaft' und .Kultusgemeinschaft' ist
nicht unberechtigt (S. 64), aber ganz falsch ist die Vorstellung
, daß den schweren Sündern nur diese, nicht
auch jene entzogen worden sei (S. 64 und 122). Siehe
dagegen meine Schrift .Kallist und Tertullian' 1920, S.
21 ff., 25 ff., 35 ff. Gut ist wieder die Beobachtung,
daß für Tertullian das Sündenbekenntnis hauptsächlich (
in der Buße liegt (S. 76 A. 2). Es müßte nur hinzu- i
gefügt werden, daß auch das ,palam absolvi' sich mit der |
Bußleistung vollzieht. Dagegen ist es wieder eine Er- |
klärung von später her, wenn T. meint, daß Tertullian
mit .traditio' nur eine mündliche Überlieferung neben
der .scriptura' bezeichne (S. 122). Wie man sieht, }
läßt sich auch ein .sprachlicher Bedeutungswandel' nicht ,
ohne Berücksichtigung der theologischen Gedanken behandeln
und in dieser Hinsicht hätte T. die neuesten Erörterungen
mehr heranziehen müssen. Warum er S.
13 f. die Bezeichnung des nichtchristlichen Schrifttums
als eines .nationalen' bei Schanz tadelt, ist mir nicht recht
verständlich. Gewiß trägt auch das christliche Schrifttum
die Spuren der jeweiligen Nation an sich, weil es gar
nicht anders sein kann und die Natur bleibt, ob man sie
mit der Gabel oder mit Taufwasser auszutreiben versucht
: grundsätzlich aber will es nur dem ,neuen
Volke', dem .tertium genus' dienen. In seinem Apolo-
geticum hebt Tertullian allerdings die natürlichen Bedingungen
des Christentums und seine Gemeinsamkeiten
mit der Umwelt stark hervor, in andern Schriften aber
kann er den trennenden Graben nicht breit genug ziehen.

In der Schrift T.s finden sich auch da und dort treffende textkritische
Beobachtungen und Vorschläge. Sehr fein ist z. B. das
.degustata martyria in carcere esuriunt' in Scorp. c. 1 (S. 05). Fraglich
dagegen erscheint die Lesart ,num (st. cum) Africanis quoque ecclesiis
contesserarit' in praescr. 3ö (S. 57). Im Vorwort S. XVI ist von
einem .postliminitim caritatis' die Rede, während Tertullian de pud.
15 von einem .postliminium ecclesiasticac pacis' spr cht (S. 72). Zu
vergleichen wäre übrigens ,postliminiiim mortis' bei Apul. inet. II, 28,
nur daß hier der Ausgangspunkt, bei Tertullian aber der Zielpunkt
bezeichnet ist. Zu den ,delicta ad mortem'in de pud. 2 (S. 43 A. 1 u
72 A. 8) vgl. Pctron. sat. c. 130 (96, 30 Buccheler'): fateor me
saepe peccasse, nam et homo sum et adhuc iuvenis, nunquam hüten
ante hunc diem usque ad mortem deliqui Beachtenswert ist
S. 35 A. 3 der Hinweis auf die geringe Zahl von .Christianismcn' in
,De pallio', was für eine frühe Abfassung dieser Schrift (193, nicht
209) spricht. S. 56 wird wieder einmal aus dem bekannten Satz
,habes Romain, undc nobis quoque auetoritas praesto est' in praescr.
36 auf römischen Ursprung des afrikanischen Christentums geschlossen,
obwohl in der Stelle ganz deutlich nur von der örtlichen Nähe der
apostolischen Kirche Roms die Rede ist (vgl. meinen .Kallist und
Tertullian' 1920, S. 73). S. 59 erklärt T. das .propter ecclesiae
honorem, quo salvo salva pax est' in de bapt. 17 mit .wegen der
Hierarchie'. Allein die Presbyter und die Diakonen, die .propter
honorem ecclesiae' nur mit Ermächtigung durch den Bischof taufen
dürfen, gehören ja auch zur .Hierarchie'. Der ,honor ecclesiae'
fällt also mit dem ,honor' des Bischofs zusammen: wenn die
Stellung des Bischofs gewahrt bleibt, dann herrscht ,pax' und Ordnung
. Man denke an die Stellen bei Tertullian und Cyprian, wo der

Ursprung von Schismen und Wirren auf die Nichtbeachtung der
bischöflichen Rechte oder auf den Streit um das Bischofsamt
zurückgeführt wird. Nach S. 62 sollen bei Tertullian in seiner katholischen
Zeit ,die Sünder zur Hilfe der Oerechten da sein'. S. 79 in der
Anm. muß es in der Stelle aus de paen. 7 statt .latere' heißen ,pa-
tere'. S. 85 ist es ein Irrtum, daß es in der Verfolgung ,nur äußerst
selten bei der Folterung geblieben sei'. S. 88 meint T., daß nomina
actoris auf —tor vielleicht regelmäßig erst dann entstünden, wenn
das betreffende Zeitwort in einer Sondergruppe eine spezielle Bedeutung
erhalten habe. Das ist nicht richtig, vielmehr ist die Bildung
solcher Wörter im Spätlatein, wie z. B. Apuleius und Cyprian, aber
auch Tertullian zeigen, geradezu Liebhaberei geworden (vgl. meine
,Cypr. Unterss.' S. 325 f.). Daß .confessor' bei Tertullian, bei dem
es zuerst vorkommt, immer nur den Märtyrer im strengen Sinne bedeute
, während .martyr' ab und zu auch schon im weiteren Sinne
erscheint (S. 87ff.), will nicht recht einleuchten. Vielleicht steckt
in den Stellen, die dies zu besagen scheinen, doch nur der Sinn, daß
der confessor bereit sein muß, auch den Tod zu erleiden. In ,bene-
dicti martyres designati' (ad mart. c. 1) ist .benedicti' nicht Substantiv
(S. 94 A. 1), so wenig wie etwa in .benedictus papa' in de
pud. 13, 8, wo es neben ,bonus pastor' steht. Wo .benedicti' oder
.benedictae' als Anrede allein steht, ist es ebenso substantiviert wie
unser .meine Verchrtesten'. Der deutsche Theologe auf S. IIb A. 3
heißt nicht .Heinrichs', sondern .Heinrich. S. 120 ist die Mode-
wendung .letzten Endes' gesteigert zu .allerletzten Endes'! Daß ,servu>
servorum dei' von Haus aus ,der oberste Christ' bedeute (S. 127),
scheint mir doch eine Verwechslung von Mittel und Zweck zu sein
(vgl. Mark. 10, 44).

Ich habe manche Ausstellungen an der Schrift T.s
gemacht, aber nur weil sie es verdient, beachtet und von
ihm selbst fortgesetzt zu werden.

München. Hugo Koch.

Devaud, Prof. Dr. Eugene: Psalterii versio Memphitica e
recognitione Pauli de Lagarde. Reeditiou avec le texte copte
en caracteres coptes par Oswald H. E. Burmester et Eugene
Devaud. Louvain 1925. (IV, 180 S.) 8°. Schw. Fr. 15—.

Das vorliegende Werk ist, wie der Titel besagt,
eine Neuausgabe des von Lagarde 1875 besorgten
Psalters in bohairischem (memphitischem) Dialekte, der
noch heute die Kirchensprache der koptischen Kirche bildet
(s. die kopt.-arab. Ausgabe von L a b i b , Cairo
1897). Lagarde hatte aus Mangel an Mitteln den Text
in Umschrift gegeben, hier erscheint er mit koptischen
Lettern. Herr D. verfolgt den Plan, die ganze Version
der Bücher des A.T.'s, die, sei es vollständig wie Penta-
teuch, Hiob, Propheten, sei es unvollständig wie Pro-
verbien erhalten sind, unter Mitarbeit eines jüngeren
englischen Koptologen Burmester im Druck erscheinen
zu lassen. • In nächster Folge sollen die Pro-
verbien ediert werden. Ich begrüße dieses Unternehmen
auf das wärmste, zumal da die älteren Ausgaben im
Buchhandel ganz vergriffen sind. Die vorliegende Ausgabe
entspricht allen kritischen Anforderungen und
wird hoffentlich das Studium des boh. Dialektes beleben
. Es wäre sehr wünschenswert, wenn die beiden
Verfasser ihre Editionstätigkeit nicht ausschließlich auf
die bohairische Überlieferung beschränkten, sondern eine
Gesamtausgabe des koptischen A. T.'s ins Auge faßten,
nachdem die Edition des N.T.'s in bohairischem und
sahidischem Dialekt von George Horner vorläufig abgeschlossen
vor uns liegt. Heute ist das Material für
das A. T. weit zerstreut.

Berlin. C. Schmidt.

D u e n s i n g, Hugo : Epistula apostolorum. Nach dem äthiopischen
und koptischen Texte hrsg. Bonn: A. Marcus & E. Weber 1925.
(42 S.) 8°. = Kleine Texte für Vorlesungen u. Übungen, 152.

Rm. 2-.

Das vorliegende Bündchen aus der Slg. Lietzinann ist eine
kleine Handausgabe der großen Ausgabe der von mir und Weinber"
in den TU publizierten sog. apokryphen Epistula Apostolorum.?
Diese altchristliche Schrift, deren Entstehung im 2. Jahrh. in Kleinasien
ich nachgewiesen zu haben glaube, ist uns nur in einem vollständigen
äthiopischen Text aus ganz später Zeit und einem leider
sehr lückenhaft erhaltenen alten koptischen Text in achmimischem
Dialekte aus dem 4. Jahrhundert überliefert. D. versucht nun aus

1) Gespräche Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung
TU III 13. Leipz. 1919. *