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Ausgabe:

1926 Nr. 18

Spalte:

464-465

Titel/Untertitel:

Nyanatiloka, Zwei buddhistische Essays 1926

Rezensent:

Franke, R. Otto

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 18.

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im Rückblick auf den Schluß meiner Anmerkung auf
Sp. 7 des laufenden Jahrgangs dieser Zeitung will ich
nicht unterlassen, zu bemerken, daß ich, so kräftig auch
der Romanismus des Verf.'s hervortritt, zu der gewissenhaften
Wahrhaftigkeit seines Berichtes volles Vertrauen
habe. — Man müßte viel Raum haben, wenn man über
alles, was für den Leserkreis dieser Zeitung Bedeutung
hat, wirklich referieren wollte. Ich beschränke mich
unter Rückweis auf das, was im Jahrg. 1924, Sp. 257 ff.,
über Heft 4 und im laufenden Jahrgang, Sp. 4 f., über
Heft 15 ausgeführt ist, hier auf das Wichtigste, d.h. auf
die Mitteilungen d'H's. über die „diverses orthodoxies
(oder: hierarchies) rivales". Die „hierarchies rouges" sind
bedeutungslos geworden: die „Eglise vivante" des kommunistischen
Priesters Krasnitzky und die „Eglise de la
Renaissance" des Exmetropoliten Antonin (die also zu
unterscheiden sind) in nicht viel geringerem Maße, als
die „Eglise Vieille-Apostolique" und die „Eglise libre des
Travailleurs", die ebenso zu den Gruppen gehören, „qui
en 1923 se combattaient sous la direction de quelque
eveque d'ancien regime" (S. 32). Die Majorität derer, die
nicht unkirchlich geworden sind — und sie haben unter
den Erwachsenen die große Mehrheit —, hält es mit der
Hierarchie des am 7. April 1925 verstorbenen Patriarchen
Tychon. Aber daß Tychon das zweite allrussische Konzil
, das von 1923, nicht anerkannte, hatte ihn nicht nur
zu den radikalen Elementen dieses Konzils (das seine
Absetzung aussprach), unter denen die Begründer der
roten Hierarchien sich befanden, sondern auch zu seinen
gemäßigt-liberalen Mitgliedern in einen Gegensatz gebracht
; und der nach Tychons Tod den erledigten Patriarchenstuhl
verwaltende Metropolit Peter von Krouty
(einer Vorstadt Moskaus), daher: Peter Kroutizky, ein
Mann, der erst 1919 aus einem hohen kirchlichen Laienbeamten
Kleriker geworden war, hatte manche persönliche
Gegner. So ist der, soweit es unter den neuen Verhältnissen
möglich ist, ultrakonservativen Hierarchie des
Patriarchen Tychon eine (oft irrig mit der Eglise vivante
zusammengeworfene) „Hierarchie synodale" oder „des
Renovateurs", wie sie gelegentlich genannt wird, zur
Seite getreten. Sie hat schon jetzt mindestens 1 i, ja, wie
d'Herbigny von gegnerischer Seite gehört hat, Vs
aller Gläubigen hinter sich und gewinnt fortschreitend
mehr Boden (S. 51). Den Sitzungen ihres vom 1.—9.
Oktober 1925 versammelten „dritten Nationalkonzils" —
das erste ist das von 1917/18, das zweite das von 1923
—, an dem 84 Bischöfe, 200 Priester und zahlreiche
Laiendeputierte teilnahmen und das (gleichwie das erste
und zweite) den Segen des Patriarchen von Konstantinopel
hatte, hat d'Herbigny vom 5.-9. Oktober beigewohnt
. Er spricht, „ohne Partei zu nehmen", von
dieser „synodalen" Hierarchie, zu der auch der (verheiratete
) Metropolit Vvedensky, früher Professor der
Theologie, der siegreiche Gegner des atheistischen Volkskommissars
in der erwähnten Massenversammlung, gehört
, mit offenbarer Sympathie und verwendet für sie
auch den Namen „hierarchie concordataire", den sie
selbst für sich gelten läßt, wenn sie die Tychoniarier
mit den eidweigernden und die Glieder der roten Hierarchien
mit den vereideten Priestern des Frankreich von
1801 vergleicht. In der Tat sind die Bischöfe der
„hierarchie synodale" die Realpolitiker, die bei „liberaler
" Stellung zur Frage der Bischofsweihe Verheirateter
, zum Gregorianischen Kalender, zur Haar- und
Barttracht u. dergl. sich treu an die orthodoxe Überlieferung
halten wollen, aber im Unterschied von den im
sog. „Gottvertrauen" träge zuwartenden Tychonianern
ein offnes Auge haben für die großen Aufgaben, die der
Kirche durch die neuen Verhältnisse zugeschoben sind.
Realpolitik hat auch das Konzil bestimmt, der gefährlichen
Rivalität der nationalen allukrainischen Kirche
Lipkivsky's (vgl. Jahrg. 1924, Sp. 259 f.) das Wasser dadurch
abzugraben, daß man die beantragte Autokephalie
der orthodoxen Kirche der Ukraine trotz vieler Bedenken
„fast einstimmig" genehmigte (S. 56). — Auf d'Her-

bigny's Mitteilungen über die Katholiken Rußlands und
über seinen Besuch bei dem deutschen evangelischen
Pfarrer Moskaus (S. 75—89) kann nur hingewiesen
werden. Und bei dem ebenso pflichtmäßigen wie überzeugten
Romanismus des Direktors des Institutum Ponti-
ficium Orientale will ich mich nicht aufhalten. Nur zwei
Fragen und eine „amica excusatio" möge er mir nicht
verdenken. Kann man wirklich den can. 28 von Chalce-
don, weil Rom ihn nicht anerkennt (vgl. die corr. Ro-
mani zu c. 3, D. 22), als „le pseudo-canon 28 de
Chalcedoine" (S. 23) bezeichnen? Und ist wirklich die
von dem Metropoliten Vvedensky vertretene These, „que
les papes Saint Zephyrin et saint Callixte, tous deux mar-
tyrs, furent heretiques et convaineus d'h e -
resie par saint Hippolyte", auch in ihrer (hier
gesperrten) zweiten Hälfte lediglich eine „contre-verite"
(S. 58, Anm.)? Die excusatio ist angeregt dadurch, daß

I d'Herbigny dies sein Heft 20 ausklingen läßt in die Bezeugung
der Hoffnung, daß Rußlands Hinterland Asien
„dans un siecle ou deux" für die Kirche gewonnen werden
könne „par Moscou e n c o in in u n i o n a v e c
Rome" (S. 95). Ich will nicht in Abrede stellen, daß
diese Hoffnung weniger unter dem Horizont der Möglichkeiten
liegt, als die von d'Herbigny selbst kritisierte
Hoffnung der Tychonianer auf die einstige freiwillige

| Unterwerfung der Protestanten unter die Autorität des

| künftigen Patriarchen von Moskau (S. 22 f.); aber, wenn
d'Herbigny (S. 89) im Gegensatz zu den Bemühungen
der Konferenz von Stockholm (deren Bedeutung zu überschätzen
mir sehr fern liegt) auch uns Protestanten vorhält
, daß es nur „un christianisme universel", nur „une
seule Eglise" (nämlich die Römische) gebe, so muß ich

| darauf hinweisen, daß wir Evangelischen inbezug auf
eine Union mit Rom noch heute auf Luthers Wort
stehen: „doctrinae concordia [est] plane impossibilis,
nisi papa velit papatum suum aboleri" (an Melanchthon
26. 8. 1530, de Wette IV, 147, Enders VIII, 220, 60 f.).

Heft 21 bringt bibliographische Anzeigen und
Mitteilungen, von denen einige dem Forscher dienen
können. Doch über diese Referate abermals zu referieren
, verbietet sich.

Halle a.S. Friedrich Loufs.

Nyanatiloka: Zwei buddhistische Essays. Sonderdr. aus d.
„Zeitschrift f. Buddhismus". München-Neubiberg: O. Schloß 1924.
(37 S.) gr. 8°. = Untersuchungen /. Gesch. d. Buddhismus, 10.

Rm. —80.

Von den beiden Essays des Buddhisten-Mönchs
Nyanatiloka, der eigentlich ein Deutscher ist und Anton
Gueth heißt, ist der erste „Über die buddhistische
Meditation" ein Sonderdruck aus ZfB. v, 130—142; der
zweite „Die Quintessenz des Buddhismus" ist in dieser
Zschr. bis VI (1924/25) noch nicht zu finden.

Über den größten Teil der Einzelheiten des Inhalts
beider Aufsätze wollen wir den Mantel der buddhistischen
„universalen Liebe" breiten. Aber auch anerkennen
wollen wir erfreut, was anzuerkennen ist: Auch
Ny. hat erkannt, (was ich in der Einleitung meiner
„Dhammaworte", Jena 1923, 5—7 schon hervorhob),
daß der Buddha in zweierlei Weise redete (p. 30: „Wenn
also in den buddhistischen Texten von Personen oder
der Wiedergeburt von Personen die Rede ist, so
geschieht dies stets bloß der gegenseitigen leichteren
Verständigung wegen und im landläufigen Sinne"...);
daß Buddha in keiner Weise ein Ich oder Selbst annahm
(p. 5: „Und diese Anatta-Wahrheit oder Wahrheit von
der Wesenlosigkcit aller Daseinsformen eben ist der
Kernpunkt der ganzen buddhist. Erkenntnislehre"; 34:
„Wie wir aber gesehen haben, gibt es in Wirklichkeit
gar keine Ichheit und damit auch kein Hinüberwandern
des Ichs in einen neuen Mutterschoß"); daß B. also auch
nicht von Vernichtung geredet haben kann (von mir
schon gesagt z. B. in meinem Dlgh. in Ausw., 1913,
296 Anm. 1; Ny. 36: „Wer die Lehre von der Wesen-
losigkeit aller Daseinsformen, die sogen. Anattä-Lehre,