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Ausgabe:

1926 Nr. 16

Spalte:

429-432

Autor/Hrsg.:

Pfennigsdorf, Emil

Titel/Untertitel:

Das Problem des theologischen Denkens 1926

Rezensent:

Wehrung, Georg

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 16.

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fahrende Schrift bringt uns eine wichtige Seite in
Schleiermachers Gesamtbild nahe, das von hier aus jedenfalls
erstaunlich gegenwartsstark erscheint.

Münster i. W. Georg W e h r u n g.

Pfennigsdorf, Prof. D. Emil: Das Problem des theologischen
Denkens. Eine Einführung in d. Fragen, Aufgaben u.
Methoden d. gegenwärt. Theologie. Leipzig: A. Deichert 1»25.
(XI, 354 S.) gr. 8". Rm. 10.50; geb. 13-.

Zwei Typen wissenschaftlicher Arbeit gehen
schon lange, zumal auf dem Felde der systematischen
Theologie, nebeneinander her. Der eine entwickelt in
einem geschlossenen, in sich folgerichtigen Gedankengang
eine Gesamtansicht, man kann dafür etwa auf
Schleiermachers Glaubenslehre oder auf Schriften W.
Herrmanns und K. Heims verweisen. Der andere setzt
sich mit allen Strömungen auseinander und prüft die
einzelnen Standpunkte durch, um polemisch zum eigenen
zu gelangen. Beide sind berufen, einander zu ergänzen,
jeder hat seinen Wert. Es ist auch für den Studierenden
mindestens ebenso wichtig, einmal in den Zug eines rein
die Sache aus sich entfaltenden Denkens hineingezogen
zu werden, als mit einer vielseitigen Beleuchtung und
Diskussion der Probleme in Berührung zu kommen. Das
vorliegende Werk fällt unter den zweiten Typus. Eine
unendliche Literatur ist verarbeitet, mit den mannigfachsten
theologischen und philosophischen Meinungen
und Gestalten werden wir bekannt gemacht. Die kurzen
Charakteristiken sind wohl für Anfänger etwas gedrängt,
aber als zutreffend werden sie im allgemeinen gelten
dürfen. Vom Gesichtspunkt der Methode her soll das
Wesen der Theologie aufgehellt werden. Methodische
Erörterungen scheinen undankbar und trocken; hier
treten sie uns sehr lebensvoll entgegen, wozu schon der
stetige Wechsel der Angriffsflächen verhilft. Wenn die
ganze Diskussion der Gegenwart umfaßt wird, so muß
es als klug bezeichnet werden, daß abgesehen von einigen
einleitenden Sätzen eine genauere Auseinandersetzung
mit Schleiermacher vermieden ist. Es ist freilich
charakteristisch für unsere Lage, daß wir über die
Methode Schleiermachers noch keineswegs zu einer eindeutigen
und allgemeinen Erkenntnis gelangt sind. Aber
diese Fragen sind allzu kompliziert und hätten die
ganze Darstellung nur belastet. Anmerken will ich aber,
daß darüber Klarheit geschaffen werden muß, wollen
wir aus dem popularthcologischen Experimentieren herauskommen
; ebenso, daß wir, wie mir scheint, gerade
methodisch uns aus Schleiermachers Einfluß loslösen
müssen, so viel andererseits methodisch immer noch von
ihm zu lernen ist.

Zwei Grundmotive theologischen Denkens werden
vom Verf. unterschieden, das dogmatische und das apologetische
, oder die Frage nach dem Inhalt des Offenbarungsglaubens
in soteriologischer Hinsicht und die
Frage nach dem mit dem Glauben gegebenen metaphysischen
Wahrheitsbesitz (vgl. S. 300 f.). Der
Rahmen dieser zweiten Frage ist sehr weit gespannt; er
umschließt nicht nur die Rechtfertigung des Glaubens
nach außen „gegenüber der Zeitbildung", sondern auch
seine Rechtfertigung vor sich selbst aus seinem eigenen
Wesen heraus, weiter die Probleme einer christlichen
Weltanschauung, überhaupt einer Kritik der Religionen
und Weltanschauungen, der Kultur, der sozialen Theorien
und Verhältnisse. Diese Häufung ist freilich nur
möglich durch eine zu große Verengung der spezifischdogmatischen
Aufgabe. Von vornherein gehört zu dieser
doch die Ethik, die ihre Arbeit auch auf die kulturellen
und sozialen Probleme zu erstrecken hat; oder sollte
dazu erst ein apologetisches Interesse treiben, nicht bereits
die Konsequenz des ethischen Denkens, das erst
zur Ruhe kommt, wenn es sich auf seinem ganzen Gebiet
angebaut hat? Wenn man statt dessen von dieser
Arbeit als einer „theoretischen Arbeit der Apologetik"
spricht (S. 338), so verkennt man doch den Glauben,
der, wo er nicht historisch-politisch beschwert ist wie im

bisherigen deutschen Luthertum, sich in seiner Aktivität
der ganzen Breite des Lebens verpflichtet weiß. Der
gleiche Einwand gilt für andere der Apologetik zugewiesene
Aufgaben. Ist den Religionen gegenüber Kritik
(S. 247 ff.) das erste Verhalten des Glaubens? Gibt
es nicht auch das schlichte Verlangen, die Religionen
und in ihnen Gottes Wege zu verstehen, sie dem
Glaubenserkennen einzuordnen? Theologisch angesehen
geht das sogar voran! Dabei wird man wohl zur Kritik
der Religionen geführt, aber auch zur Selbstkritik des
Glaubens, der in diesem Ringen zugleich über sich selbst
klarer zu werden trachtet. Warum sollen wir .ferner
die Besinnung des Glaubens auf die Gründe seiner Gewißheit
aus apologetischen Motiven vollziehen, rundet
sich darin nicht erst die Selbsterkenntnis des Offenbarungsglaubens
innerlich ab? Eine Wahrheitsgewißheit,
wie sie Frank oder Ihmels entwickeln, ist schwerlich von
diesen apologetischen Motiven bedingt. Vor aller Apologetik
gibt es einen Erkenntnisdrang, der, wenigstens
auf evangelischem Boden, bis auf den Grund zu bohren
nicht unterlassen kann.

Scheinen mir also einige der dem zweiten Aufgabenkomplex
aufgebürdeten Fragen noch zum ersten zu
gehören, so ist damit an der Zweiheit nicht gerüttelt.
Man kann allerdings von der Frage nach Sinn und
Wescnsgehalt des Heilsglaubens die andere nach seinem
Verhältnis zum Welterkennen, nach seinen erkenntnistheoretischen
Beziehungen und seiner Weltanschauung,
unterscheiden. Mit Recht werden Glaube oder Religion
und Weltanschauung unterschieden, mit Recht wird
andrerseits der Zusammenhang betont (S. 18 f.). Den
Namen Apologetik würde ich auch hier vermeiden; denn
warum soll lediglich ein apologetisches Interesse den
Christen zur Ausbildung seiner christlichen Weltanschauung
veranlassen? Kommt er dazu nicht einfach, weil
er ein ganzer Mensch sein will, der denkend das Leben
umspannen möchte? So daß der Name Apologetik
schließlich doch nur für die praktisch-theologische Arbeit
belangreich würde!

Die Erörterung über das dogmatisch-theologische
Denken geht von der Feststellung aus, daß es sich mit
psychologischen, historischen, soziologischen Momenten
verschmolzen hat, ohne sich ihnen gegenüber zielsicher
abzugrenzen. Psychologismus und Historismus vor allem
lasten auf der Theologie. Hier werden in der Tat die
aus der geschichtlichen Verwicklung sich ergebenden
Probleme erfaßt. Unser Buch ist zeitgemäß, weil es die
thcologiegeschichtlich notwendigen Probleme aufgreift,
ohne Rücksicht darauf, ob es beim theologischen Zeitgeist
volles Verständnis zu erwarten habe.

Die Theologie gehört zur Gruppe der Normwissenschaften
(S. 25 f.). Ihre Norm nimmt freilich eine
Sonderstellung ein, es ist die in der Geschichte auf uns
eindringende Offenbarung, deren Eigenart und Geltung
zum Bewußtsein zu bringen sind (S. 40 f.). Glaubensurteile
als Werturteile zu beschreiben genügt heute
nicht, so nützlich es einst war; sie sind als theonoine
Urteile anzusehen. Theologische Urteile gründen sich
darauf, ihr Wesen ist die begrifflich-systematische Klärung
der Glaubensurteile. Ganz recht, es ist aber nicht
zu vergessen, daß der grundsätzliche Unterschied lediglich
die Form betrifft, daß auch theologische Urteile zu
keiner anderen, höheren Objektivität führen als die
Glaubensurteile selbst (zu S. 56). Im übrigen verdient
die Ausführung über die Notwendigkeit der sachgemäßen
Wertung der Schriftzeugnisse, vollends der kritischen
Abstufung der symbolischen Aussagen (S. 57 f.) allen
Dank.

Zuerst nun wird der Frage nach der Bedeutung der
Psychologie für die Theologie nachgegangen. Mit Recht
wird die Fremdheit der empirischen Religionspsychologie
gegenüber der Theologie als Normwissenschaft zum Ausdruck
gebracht. Wenn dagegen eine normative Religionspsychologie
im Sinne Wobbermins als Widerspruch in
sich selbst bezeichnet ist, so finde auch ich Schwierig-