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Ausgabe:

1926 Nr. 1

Spalte:

24

Autor/Hrsg.:

Ritter, Karl Bernhard

Titel/Untertitel:

Das Spiel vom großen Abendmahl 1926

Rezensent:

Smend, Julius

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Seite 1

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23 Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 1.

lernen. Ich muß es mir versagen, hier auf Einzelnes
einzugehen — nur sei besonders hervorgehoben, wie
stark die christliche Ethik ihre absoluten generellen
Gebote an dieser Charakteristik des werdenden Menschen
nachprüfen muß und wieviel auch der Katechet
als Lehrer und Erzieher zu lernen hat, obwohl Spr.
selbst diese Konsequenzgedanken nicht erörtert. Nur
den 13. Abschnitt über die „religiöse Entwicklung des
Jugendlichen" sei noch ein besonderes Wort gewidmet.
Man wird es Spr. ohne Weiteres zugestehen, daß er
hier den Begriff „Religion" möglichst weit faßt, um
auch die Vorstufen und unentwickelten Formen, die
Mischphänomene und Entartungen mit zu berücksichtigen
. Spr. will auch nicht über Wert oder Unwert der
religiösen Phänomene urteilen (ganz kann er es, wie er
selbst weiß, nicht vermeiden), sondern er will verstehen
und beschreiben. Damit ist von selbst gegeben, daß er
auch über die Einstellung zu den historisch gegebenen
objektiven Religionen unseres Kulturkreises hinausgehen
muß, um auch die religiösen Einstellungen zu schildern,
die sich mit oder ohne fremdartige Einflüsse neu gebildet
haben. Er behandelt nun die religiöse Entwicklung
I. in einer gemäßigten religiösen Atmosphäre, IL in
einer gesteigerten religiösen Atmosphäre, III. in einer
Umgebung die (mindestens im christlichen Sinne) religiös
indifferent oder religionsfeindlich ist. Im ersten
Fall denkt er vorwiegend an den modernen vorwiegend
norddeutschen liberalen Protestantismus, im zweiten Fall
an protestantische und katholische Orthodoxie, aber
auch an pietistische und methodistische Gefühls'oewegt-
heit, im dritten Fall an die Kreise, in denen unter dem
Einfluß der Aufklärung und der im fortsetzenden Positivismus
eine rein immanente meist intellektuell gewandte
und stark naturwissenschaftlich beeinflußte
Geisteslage entstanden ist. Es mag sehr schwer sein, zur
Charakteristik der gegenwärtig feststellbaren Religiosität
der Jugendlichen die zweckmäßige Einteilung in
grob umrissene Haupttypen zu finden. Aber diese Einteilung
, die Spr. versucht, wird doch dem tatsächlich
Gegebenen nicht gerecht. Schon das Zusammenwerfen
protestantischer und katholischer Orthodoxie scheint mir
sehr bedenklich — denn grade die psychologische Struktur
ist da grundverschieden. Dann aber fällt eine Erscheinung
fast ganz aus. Zu der gesteigerten religiösen
Atmosphäre gehört doch nicht nur „Orthodoxie" und
„Pietismus", sondern auch eine breite Schicht gut positiv
evangelischer Religiosität, die positiv Evangelisches mit
einem weiten und reichen Besitz geistigen Lebens vereinigt
, um also eine Parallelerscheinung zu dem was der
Engländer als „broad church" bezeichnet. Auch die
Unterschiede ursprünglich lutherischer und ursprünglich «
reformierter Art sind nicht nur theologische SpezialUnterschiede
und können nicht ganz unberücksichtigt
bleiben, auch wenn die Jugend selbst sich dieser geschichtlichen
Verschiedenheit nicht mehr bewußt ist.

Die von Spr. mitgeteilten Konfirmationserlebnisse
gehören z. T. mehr zur Charakteristik des Übergangs
zur dritten Gruppe, bedürften jedenfalls sehr der Ergänzung
. Kurz, für unsere deutschen Verhältnisse scheint
mir das Material, das Spr. gesammelt hat, noch nicht
vielseitig genug. Die von ihm berührten Gesichtspunkte
können aber Anregung geben hier noch genauer zu
sammeln, ZU beobachten und dann vielleicht noch klarer
zu unterscheiden.

Alles in allem ist das Spr.sche Buch für den Theologen
ungemein wertvoll. Wenn es dazu beiträgt, ein
immer besseres Zusammenarbeiten von Historikern,
Philosophen und Theologen auch auf dem Gebiete der
Psychologie zu fördern, so kommen wir aus dem
„Psychologismus" und den psychologischen Gemeinplätzen
heraus und die Psychologie bekommt wirklich
die Bedeutung, die sie verdient.

Greifswald. Ed. von der Goltz.

24

Ritter, Pfarrer Dr. Karl Bernhard: Das Spiel vom großen Abendmahl
. Das thfiring. Mysterium von den zehn Jungfrauen in neuer
Gestalt mit Musik für zwei Frauenchöre, Solostimmen, Streichinstrumente
, Flöten Ii. Orgel von Spes Stall Ibcrg. Frankfurt
a. M.: Verlag des Bühnenvolkshundes 1924. (40 S.) 8°.

Rm. —75.

Wiederholt in Berlin und Brandenburg aufgeführt, ist dies Spiel
Vielen zum Ereignis geworden. Wer nicht dabei war, erhält aus dem
Textbuch natürlich nur schwachen Begriff. Zur Darstellung gehören
auserlesene Kräfte, wie sie nur an wenigen Orten zu Gebote stehen.
Ob man die Unternehmung in irgendeinem Sinne volkstümlich nennen
darf, bleibt trotz der ehrlichen Begeisterung der Mitwirkenden wie
vieler Zuschauer fraglich. Der „Gemeinde" fällt nur die das Ganze
abschnellende Strophe zu: „O schöner Tag und noch viel schön're
Stund." — Verdienstlich ist der Anlauf gewiß. Man muß wünschen,
daß die kirchlichen Spiele, ob auch in schlichterer Gestalt, allenthalben
wiedererweckt werden. Unter Umständen liegt, nicht nur für
die Großstadt, Volksmission darin, und das schon so lange gehörte
Wort, die Kirche der Zukunft sei das Theater, mag auf diesem
Wege eine sehr willkommene Bestätigung finden.

Münster i. W J. Smend.

Caspar, Dr. Paul: Unsere Wiedergeburt im Geiste. Dresden:
E. Pähl 1924. (44 S.) gr. 8°. Rm. 1—.

Im Anschluß an Vaihinger und bes. Graf Keyserling wird die
Wiedergehurt im Geiste vom Verfasser als einzige Rettung unseres
Volkes darzustellen versucht. Er kämpft gegen die Vorherrschaft der
Verstandeskultur und fordert dafür die Ausbildung des ganzen inneren
Menschen, des Geistes. Seine Ausführungen richten sich auf die
Wahrheit der Persönlichkeit, die Gemeinschaft im Geiste, Wissenschaft,
Religion, Erziehung, Politik, Moral und Gesellschaft. Sie sind zu
allgemein gehalten, beten oft nur Andeutungen, um überzeugen zu
können.

Ahlden a. Aller. E. W. Bussniann.

In vierter, unveränderter Auflage erschien

William James

Die religiöse Erfahrung in
ihrer Mannigfaltigkeit

Materialien und Studien zu einer Psychologie und
Pathologie des religiösen Lebens

Deutsche Bearbeitung von Georg Wobbermin.

.James hat mit seinem gehaltreichen Buch der Religionskritik
einen Stoif geliefert, den sie mit großem Gewinn verwerten
kann. Er hat sich in seinen ausgebreiteten, von
ungewöhnlicher Vielseitigkeit und außerordentlicher Belesenheit
zeugenden Untersuchungen an die lebendige Religion
gehalten und diese durch eine überraschende Fülle lehrreicher
Selbstzeugnisse aufgeklärt. Die Arbeit, die er hiermit
geleistet hat, darf epochemachend genannt werden...
Die U e b e r s e t z u n g ist so außerordentlich gut
gelungen, daß man beim Lesen völlig vergißt,
eine Uebersetzung vor sich zu haben.*

Preußische Jahrbücher

.Zweifellos liegt der eigentliche Wert des Werkes im
Psychologischen. Um die psychische Eigenart der religiösen
Erfahrung in möglichster Deutlichkeit herauszuarbeiten, hält
sich J. vor allem an solche Individualitäten, für welche die
Religion unmittelbarstes, persönliches Erlebnis ist; denn diese
zeigen mit paradigmatischer Schärfe, was bei dem Gros der
Menschen nur schwach angedeutet oder durch äußere Tradition
mehr oder minder erdrückt ist. Deswegen veranschaulicht
und belegt auch J. seine Ausführungen durch zahlreiche
, oft sehr ausführliche Zitate aus Autobiographien,
Selbstbekenntnissen, Briefen von Mystikern, Wiedergeborenen,
Heiligen." Deutsche Literaturzeitung

XXXIV, 404 Seiten, 8°. RM. 6.- -; geb. RM. 8.-.

J. C. Hlnrlchs'sche Buchhandlung, Leipzig.

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 23. Januar 1926.

Verantwortlich: Prof. D.E. Hirsch in Göttingen, Bauratgerberstr. 19.
Verlag der J. C. H i n r i ch s'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer In Marburg.