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Ausgabe:

1926 Nr. 15

Spalte:

408

Autor/Hrsg.:

Hessen, Johannes

Titel/Untertitel:

Die Kathegorienlehre Eduard von Hartmanns und ihre Bedeutung für die Philosophie der Gegenwart 1926

Rezensent:

Kesseler, Kurt

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 15.

408

hat. De Sarlo beleuchtet (S. 258—276) den Rationalismus Joh.
Maria Bertinis, eines 1876 zu Turin verstorbenen Philosophen, der
seinen Landsleuten viel zu wenig bekannt sei. In seiner Schrift ,1!
VaticariD e lo Stato' 1876 nahm er auch gegen das neue Dogma von
der päpstlichen Unfehlbarkeit Stellung.

München. Hugo Koch.

Werner, Priv.-Doz. Lic. Pfr. Martin: Albert Schweitzer und
das freie Christentum. Zürich: Beer & Co. 1924. (31 S.) 8»

Rm. —90.

Es ist höchst interessant, zu beobachten, wie die verschiedenen
theologischen Führer ihre Gefolgschaft finden. Auch A. Schweitzer,
dessen Wege von der jetzt eigentlich modernen Theologie der Krisis
ganz weit abliegen, bleibt nicht allein. Werner, der ihm schon in
der 1925 Sp. 140f. hier angezeigten Schrift sekundiert hatte, bekennt
sich in diesem Vortrag (gehalten Okt. 1924) zu ihm als dem geistigen
Führer, der berufen sei, alle, die die Grundgedanken des freien
Christentums vertreten, zur Klärung, Vertiefung und Festigung ihrer
christlich bestimmten Weltanschauung zu führen. Er legt das vor
allem am Gottesgedanken dar. Schw. stelle dabei einen unlösbaren
Widerspruch fest: Gott ist unpersönliche rätselhaft schöpferische, ohne
uns erkennbare, sinnvolle Endzwecke wirkende Kraft; und dann wieder:
Gott ist ethische Persönlichkeit. Mit dieser irrationalen Erkenntnis
ist Schw. nach W. im Recht, ebenso mit der Folgerung, daß wir die
Wahrheit über den Sinn unseres Lebens nicht im Erforschen des
Zweckes der Welt, sondern im Nachdenken über uns selbst suchen
müssen. W. sucht weiter zu zeigen, daß dieser irrationale Widerspruch
der Gotteserkenntnis „zugleich gerade der eigentliche Sinn ist
des Neuen Testaments". Es sei mit Händen zu greifen, daß den
dualistisch gearteten Anschauungen Jesu als letztgemeinter Sinn gerade
jene Einsichten zugrunde liegen, die in der skizzierten Weltanschauung
Schw.s zu klarer Entfaltung kommen" (S. 21). Ich habe
damit nur die wichtigsten Gedanken des Vortrags herausgehoben; sie
zeigen wohl hinreichend W.s Art und Absicht. Mir ist es schwer
begreiflich, daß jemand in jenem unauflösbaren Widerspruch des
Gottesgedankens den Sinn des N. T.s wie der christlichen Gotteserkenntnis
finden kann. Ich müßte also, wenn ich auf Kritik eingehen
könnte, beim Anfang einsetzen und könnte kaum eine Seite
unwidersprochen lassen. Aber hier soll ja nicht das Problem gelöst,
sondern nur ein Bericht über die Schrift gegeben werden, in der ein
Vertreter des „freien Christentums" (wie es in dieser Form die
deutsche Theologie, abgesehen von Schweitzer, kaum noch kennt) die
Nachfolge seines Meisters übt.

Breslau. M. Schi an.

Reiner, Wilh.: Wilhelm Steinhausen, der Künstler und Freund.

Mit zahlr. Abb. 1—3. Tsd. Stuttgart: Quell-Verl. 1926. (199 S.)
8°. = Aus klaren Quellen, Bd. 17. geb. Rm. 6—.

Demjenigen, der die Religion und die Kunst des
Mittelalters, des 16. und 17. Jahrh. einmal ernsthaft
in ihrem Zusammenhang hat auf sich wirken lassen,
wird es nicht ganz leicht sein, die stille, weiche Schlichtheit
der Bilder Steinhausens zu würdigen. Aber wenn
man deren lange Reihe — selbst in den kleinen und unscharfen
Wiedergaben des Reinerschen Büchleins —
durchsieht, so wird man sich dem Eindruck doch nicht
entziehen können, daß hier bestimmt geprägte, echte
Frömmigkeit lebendig ist. Es wäre eine lohnende Aufgabe
, — erleichtert dadurch, daß wir neben dem künstlerischen
Lebenswerk Steinhausens schriftliche Äußerungen
von ihm besitzen (W. Steinhausen: Aus meinem
Leben. Erinnerungen und Betrachtungen:2 Berlin 1926),
— einmal ihre Eigenart festzustellen und zu untersuchen,
in wiefern sie von der Theologie des endenden 19. und
beginnenden 20. Jahrh. beeinflußt worden ist. Das wäre
ein Beitrag zur Lösung der Frage nach der Einwirkung
des „liberalen Jesusbildes", der bedeutsamsten Schöpfung
dieser theologischen Generation, auf die religiöse
Kunst im Zeitalter des Impressionismus. Aber diese
Probleme sieht das Buch des Quell-Verlages nicht.
Es ist geschrieben von einem Schweizer Pfarrer, dem
eine Begegnung mit Steinhausen zu einem großen Erlebnis
geworden ist, in warmer Begeisterung und aufrichtiger
Verehrung. Es gibt eine Darstellung von Steinhausens
äußerem Lebensgang und dazwischen erbauliche
Gedanken zu seinen Bildern, reichlich mit Liederversen
durchsetzt, aber ohne jedes kunstgeschichtliche Verständnis
. Darum steht es dem Künstler Steinhausen

in kritikloser Bewunderung gegenüber, wie es das
Eigene des frommen Menschen nicht scharf zu

erfassen vermag.
Göttingen. Hermann Wolfgang Beyer.

Hessen, Priv.-Doz. Dr. theol. et phil. Johannes: Die Kategorienlehre
Eduard von Hartmanns und ihre Bedeutung für die
Philosophie der Gegenwart. Gekrönte Preisschrift der Ed. v.
Hartmann-Preisaufgabe der Kant-Gesellschaft. Leipzig: Felix Meiner
1924. (IV, 140 S.) 8°. = Wissen und Forschen, Bd. 17.

Rm. 3—; geb. 5—.

Der Verfasser bietet zunächst eine sehr klare und
streng objektive Einführung in die Hartmannsche Kategorienlehre
, die ein Muster von philosophie-geschicht-
licher Darstellung ist. Daran schließt er eine Würdigung,
die vor allen Dingen der induktiven Metaphysik Hartmanns
grundsätzlich zustimmt: „Was unser Philosoph
über die Bedeutung der Induktion für eine schematische
Welterklärung sagt, darf heute, wo in der Metaphysik
die deduktive Methode allenthalben der induktiven Platz
gemacht hat, auf allgemeine Zustimmung rechnen." Weiter
erkennt Hessen einer Fülle von logischen und erkenntnistheoretischen
, psychologischen und naturphilosophischen
Gedankengängen Hartmanns große Bedeutung
für das moderne philosophische Denken zu. Dagegen
lehnt er den metaphysischen Abschluß Hartmanns
auf nachdrücklichste ab: „Die Bestimmung des Absoluten
als eines unbewußten und unpersönlichen Prinzips
erscheint nicht bloß vom Standpunkte des logischen,
sondern auch von dem des religiösen Bewußtseins aus
als verfehlt."

Düsseldorf. Kurt Kcsseler.

Soeben erschien

Akephalos
Der kopflose Gott

Von

Prof. Dr. Karl Preisendanz

Oberbibliothekar (Handschriften), Karlsruhe

Die Studie über die Gestalt des Gottes oder Dämons
ohne Kopf führt ins Gebiet des Volksaberglaubens der ersten
nachchristl. Jahrhunderte hinein, in die Kreise des griech.-
ägypt. Zauberwesens. Zu den unheimlichen Phantasieausgeburten
religiös und abergläubisch erregter Menschen
gehört das hauptlose Gespenst: es spukt in allen Gegenden
Europas und geht wohl auf den Brauch der Köpfung des
Gestorbenen zurück. So auch im Süden, in Ägypten, wo
Osiris den Prototyp dieser Geköpften darstellt. Er, der von
Seth enthauptete Sonnen- und Unterweltsgott, ist auch der
Kopflose, der Akephalos, der in verschiedenen Dokumenten
der Magie als wichtiger Dämon erscheint. Auf Gemmen, die
als Amulette dienen, in den griech. Zauberpapyri aus Ägypten
begegnet er, am Himmel steht er als Stern. Alle
Zeugnisse, literarische wie bildliche, die sich irgendwie mit
dem Kopflosen berühren oder zu berühren scheinen, werden
eingehender Wertung unterzogen ; die Ergebnisse dieser Kritik
sollen helfen, die Gestalten des hauptlosen Gottes zu erklären
und religionsgeschichtlich einzureihen.

Beihefte zum „Alten Orient", Heft 8.

Preis brosch. M. 3.—.

J. C. Hinrichs'sche Buchhandlung, Leipzig

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 7. August 1926.

Verantwortlich: Prof. D. E. Hirsch in Göttingen, Bauratgerberstr. 19.
Verlag der J. C. H i n ri ch s'schen Buchhandlung in Leipzig, Blumengasse 2. — Druckerei Bauer in Marburg.