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Ausgabe:

1926 Nr. 15

Spalte:

403-404

Autor/Hrsg.:

Gregorovius, Ferdinand

Titel/Untertitel:

Wanderjahre in Italien 1926

Rezensent:

Wenck, Karl

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403

Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 15.

404

zurichten, und im Zusammenhang damit kam es zu
den ersten Verhandlungen über eine Ansiedlung griechischer
Kaufleute in Schlesien und ihre gottesdienstliche
und seelsorgerliche Betreuung. Bei zwei nach einander
auftauchenden, mehr unternehmungslustigen als zuverlässigen
"höheren griechischen Geistlichen knüpfen sich
daran die kühnsten Träume von einem künftigen Bischofs
- oder Erzbischofssitz in Breslau mit Kapitel,
reichlicher Ausstattung und verschiedenen Vorrechten.
Die Wirklichkeit war wesentlich bescheidener. Seit
Ende 1743 bildete sich mit Genehmigung des Königs
eine kleine griechische Gemeinde, die im Mai 1744
ihren ersten Gottesdienst im Pokoyhofe halten konnte.
Sie stand unter keinem der vier griechischen Patriarchate
(Konstantinopel, Alexandrien, Antiochien, Jerusalem),
bezog ihren Popen beliebig aus einem von ihnen und
wechselte ihn, um ihre Unabhängigkeit zu wahren, alle
drei Jahre, wie sie auch für seinen und der Kapelle
Unterhalt selber aufkam und sogar noch Almosen nach
dem Osten schickte. Gegen Ende des Jahrhunderts
zerfiel aber die Gemeinde, und ihr letzter Pope fand
nach einem wenig erbaulichen Wandel 1792 Aufnahme
bei den Breslauer Minoriten, bei denen er wohl auch
zur römisch-katholischen Kirche übergetreten ist. Dies
schildert Hoffmann in seiner Schrift aufgrund der
Akten des Staatsarchivs und des Stadtarchivs von Breslau
und anderer Quellen. Zum Schluß erinnert er an den
zweieinhalbjährigen Aufenthalt des vierten griechischen
Armeekorps in Görlitz während des Weltkriegs und
ihre kirchliche Versorgung durch drei griechische
Geistliche.

München. Hugo Koch.

Oregorovius, Ferdinand: Wanderjahre in Italien. (Neue
vollst, u. erg. Ausg., bes. von Fritz Schill mann.) Mit 60
Bildtaf. Dresden: W. Jess (1925). (1186 S.) kl. S°. geb. Rm.20—.

Wenn diese Neuausgabe von Gregorovius Wanderjahren
nur bestimmt wäre „das klassische Buch des Italien-
reisenden", wie der Verleger des im Oktober 1925 erschienenen
Buches es auf dem Umschlag nennt, in handlicher
Form zugänglich zu machen, so würde mir eine Empfehlung
in dem Augenblick von Mussolini's Vorstoß gegen
Deutschland, der eine Mauer zwischen Italien und
Deutschland aufrichtet, sehr unzeitgemäß erscheinen.
Aber wie schon Gregorovius so hat auch der Herausgeber
, der Berliner Bibliothekar Dr. Fritz Schillmann
sich nicht verhehlt, daß die Beziehungen zwischen beiden
Ländern gefährdet werden könnten; Schillmann fordert
in seiner Einleitung von der italienischen Nation
Verzicht auf den Wahn, unbestreitbar deutsches Land
beherrschen zu wollen, und versichert, daß in diesem
Punkte auch Gregorovius mit aller Leidenschaft und
Schärfe für deutsches Recht gekämpft haben würde.
Schillmann hat seine Befähigung im Geiste Gregorovius
zu wirken 1911 durch sein Buch „Viterbo und Orvieto"
und ebenfalls 1911 durch eine neue 3. Auflage von Gregorovius
„Grabdenkmälern der Päpste" erwiesen. Und auch
ohne Italienreisender zu sein, kann man sich der verjüngten
Wanderjahre, die mit ihren historischen Landschaftsgemälden
so reizvoll wirken, freuen. Man kann
aus ihnen von dem „Poeten unter den Historikern" (F.
X. Kraus 1897) für die Erkenntnis italienischer Natur
und italienischer Geschicke reiche Früchte sammeln.
Sch. hat im Anhang auf 38 Seiten Anmerkungen Ergänzungen
besonders aus den „Tagebüchern" geboten,
die bald nach G.'s Tode erschienen sind, er hat dort
auch Bemerkungen über die Literatur der letzten Jahrzehnte
hinzugefügt. Er hat in einer trefflichen Einleitung
auf 9 Seiten G. gewürdigt, den einsamen „Wanderer
", er hat von ihm und Treitschke mit Recht gesagt
, „sie .studierten nicht, sie erlebten die Geschichte",
aber man weiß es, daß „später immer mehr der Historiker
erschien". Sch. prägt auch das hübsche Wort,
daß G. das mittelalterliche Italien eigentlich erst recht
entdeckt hat, und wer nach ihm Geschichte Roms und

der Päpste des Mittelalters erforscht hat, wird wissen,
wieviel er ihm zu verdanken hat, wieviel er Anderen
zu tun hinterließ. Es ist wohl bezeichnend, daß Paul
Kehr, der einen guten Teil seiner Lebensarbeit der Geschichte
der Päpste im Mittelalter gewidmet hat, G.
an seinem hundertsten Geburtstag in einer Festrede hat
feiern mögen. — Die sechzig Bildtafeln, die den Band
schmücken, sind in Stichen zur Hälfte dem seltenen
Werke von Audot, l'Italia (Torino 1837) entnommen,
da moderne Photographien hier nicht stilgerecht erschienen
wären.

Marburg a. L. Karl Wenck.

Blätter zur bayrischen Volkskunde. Hrsg. im Auftr. d. Vereins
f. bayr. Volkskunde u. Mundartforschg. v. Friedrich Pfister.
Heft 10. Gewidmet der 55. Versammig. Dtschr. Philologen u.
Schulmänner in Erlangen. Würzburg: (Hofpromenade 1: [Prof.
F. Pfister]) 1925. (III, 84 S.) 8°.

1894 hat der um die Herausgabe von Luthers
Werken verdient Oskar Brenner — es wird ihm in diesem
Hefte von berufener Seite ein kurzer Nekrolog gewidmet
, — in Würzburg den Verein „für bayrische Volkskunde
und Mundartforschung" gegründet. Eine rege
Sammeltätigkeit setzte ein. Mundartliches, Dichtung,
Glaube und Sage, Sitte und Brauch, Wohnung und
Hausbau sollten beachtet werden. Die 1895—1912 erschienenen
„Mitteilungen und Umfragen zur bayr. Volkskunde
", denen sich die „Blätter zur bayr. Volkskunde"
von 1912—1921 anschlössen, ließen erkennen, welch
reiches Material zusammengetragen worden war. Seit
dem Tode Brenners (1920) und eines seiner treuesten
Mitarbeiter Karl Spiegel (25. 9. 1920) ruhte die Vereinstätigkeit
. Erst im Januar 1925 wurde der Verein
zu neuem Leben erweckt. Die Frucht davon ist das
vorliegende 10. Heft der Blätter zur bayr. Volkskunde,
gewidmet der 55. Versammlung deutscher Philologen
und Schulmänner. Zwischen den alten Heften und der
neuen Serie scheint mir ein bedeutsamer Unterschied zu
walten. Wurde dort aus dem Sammlungsgebiet die oder
jene volkskundliche Frage behandelt, so finden wir
hier prinzipielle, allgemeinere Ausführungen, die über
das Gebiet des Volkskundlichen weit hinausragen. Wir
heben hervor: Franz Rolf Schröder: „Schichten in
der germanischen Religion" und Fr. Pfister „Volkskunde
, Religion und Religionswissenschaft". Ausgehend
von Adams von Bremen Schilderung des Tempels zu
Upsala sieht er in den dort erwähnten 3 Göttern: Thor,
Wodan, Fricco einen Hinweis auf die 3 Vorstellungskreise
, die überall auf der Erde die hauptsächlichsten
Keimzellen religiösen Lebens sind; Naturerscheinungen,
Totenglaube, das agrarische Leben. In der Religion
der Germanen sieht er 2 Schichten: eine „germanische",
der obige 3 Göttergestalten entstammen, und eine „hellenistische
" ; der Astralkult schafft die Gestalt des Gottes
Balder. Fr. Pfister unterscheidet zwischen der
Religion als Kulturphänomen und als seelisches Erleben
. Erstere ist das in Handlungen (d. h. im Kultus)
oder in Erzählungen (d. h. im Mythus) oder in künstlerischer
Gestaltung (d. h. in der bildenden Kunst) oder
in begrifflicher Reflexion (d. h. in der Theologie) sich
äußernde Verhältnis des Menschen zu einer nach dem
Glauben des Menschen in irgendwelchen Wirkungen sich
kundtuenden oder offenbarenden Kraft. Die andere ist
transzendentes Leben, das in transzendentem Fühlen, Vorstellen
, Wollen und Handeln besteht. Die Religionswissenschaft
hat eine historische, ontologische, psychologische
und philosophische Hauptaufgabe. Die Volkskunde ist
nun zunächst ontologische Wissenschaft, dann aber Hilfswissenschaft
für Religionsgeschichte. Es gilt nicht nur
die Religion der Führer, sondern die der großen Menge
zu erforschen. Da sind es vor allem die 3 Hauptmerk-
| male jeder Religion: Gottesvorstellungen und Glaube
I an göttliche Wirkungen und Offenbarungen, Mythus
und Kultus. Die Gottesvorstcllungen teilt Pfister in
| Orendismus, Animismus, Pantheismus, Monotheismus.