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Ausgabe:

1926 Nr. 15

Spalte:

397-400

Autor/Hrsg.:

Boehmer, Heinrich

Titel/Untertitel:

Der junge Luther 1926

Rezensent:

Loofs, Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 15.

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der Vita in der Hauptsache das Schema des epideik-
tischen Enkomions nach der griechischen Schulregel
zugrunde. Eine treffliche Analyse der Schrift, mit reichen
Seitenblicken auf Verwandtes, bahnt diesem Ergebnis
den Weg; ausführliche Vergleiche mit der rhetorischen
Theorie und Praxis stützen es. Dabei fällt
aucli für am Wege Liegendes einiges Wichtige ab; z.B.
für des Nepos Epaminondas, bei dessen Charakterisierung
der Verfasser Vorurteile der Forschung (Leo,
Fraustadt) überzeugend zurückweist. Alles in Allem
ein specimen eruditionis, wie man es sich nicht besser
wünschen möchte.

Gießen. O. Krüger.

Boehmer, Heinrich: Der junge Luther. Mit 39 Abb. nach
Holzschnitten u. Kupferstichen d. 16. Jahrhunderts. Gotha: Der
Flamberg Verl. (1925). (394 S.) 8°. = Die Deutschen Führer,
hrsg. v. Erich Brandenburg, Bd. 1. Rm. 9—; geb. 12—.

Eine neue, auf 6 Bände berechnete „Reihe von
Biographien" wird durch dies Buch eröffnet. Der
Herausgeber des Ganzen, der bekannte Leipziger Historiker
Erich Brandenburg, schickt deshalb diesem
ersten Bande eine kurze „Einführung" voraus. Nach
einem Hinweise auf die traurige Lage, in der wir Deutsehen
uns jetzt befinden, heißt es hier: „Wir wollen uns
aufrichten an den Vorbildern großen Wollens und
großen Tuns, die unsere Geschichte bietet". Deutschland
habe viele Persönlichkeiten hervorgebracht, deren
Bedeutung in der Art ihres geistigen Seins und in den
künstlerischen und wissenschaftlichen Werken liege, die
sie ihrem Lande und der Welt geschenkt hätten; und
immer wieder müßten wir uns in ihr Leben und ihre
Werke versenken. Noch wertvoller aber seien uns jetzt
die Gestalten, die uns ein Vorbild deutschen Handelns
gegeben hätten, und deren Größe in der Festigkeit
ihres Charakters, in der Stärke des sittlichen Wollens
und der Treue gegen ihre Aufgaben und Pflichten bestehe
. „Wir haben nicht allzu viele solche Führernaturen
hervorgebracht; mit um so größerer Liebe
wollen wir an denen hängen, die wir besitzen." „Daß
wir mit Luther beginnen, hat seinen Grund nicht darin,
daß es vorher keine große Menschen dieser Art in
unserer Geschichte gegeben habe." Aber die früheren
stünden uns doch schon innerlich fern; auch wüßten wir
von ihrem tieferen Seelenleben zu wenig, um sie innerlich
so nacherleben und nachempfinden zu können, wie es
notwendig sei, wenn wir ein innerliches Verhältnis zu
ihnen gewinnen wollten. „Und mit wem könnte man
eine Reihe ,deutscher Führer' besser eröffnen, als mit
Martin Luther?" „Der Große Kurfürst, der große König
Friedrich und seine ebenbürtige Gegnerin Maria Theresia
, der Freiherr vom Stein und endlich Bismarck sollen
folgen." Diese Auswahl, so meint diese „Einführung",
werde sich selbst rechtfertigen.

Bei dem hier vorliegenden ersten Bande können der
Auswahl konfessionelle Bedenken entgegengehalten werden
. Die „Einführung" gedenkt ihrer nicht; und je
geschickter der Bearbeiter dieses Bandes, der Leipziger
Kirchenhistoriker Heinrich Boehmer, seiner Aufgabe
sich entledigt hat — stark tritt hervor, welche Bedeutung
Luther für das ganze spätere Deutschland gehabt
hat—,desto weniger ist hier Anlaß, diesen Anfang
der Reihe zu bemängeln. Es hat eine Zeit gegeben
— vor 100 bis 150 Jahren —, da auch von katholischen
Volksgenossen Luthers Bedeutung für unser Volk willig
anerkannt wurde (vgl. O. Hegemann, Luther im
katholischen Urteil, München 1905, S. 121 ff., 142 ff.,
149ff.), und bekanntlich hat schon der Döllinger
von 1861, der noch durchaus katholisch sein wollte,
Luther gelten lassen als „den „Größten unter den Deutschen
seines Zeitalters", als „den gewaltigsten Volksmann
, den populärsten Charakter, den Deutschland je
besessen" (Kirche und Kirchen S. 386 u. 10). Boehmer
hat nirgends seinen Stoff den konfessionellen Bedenken
zuliebe zugestutzt; aber es ist beachtenswert,
wie „sein Stoff" ihm abgegrenzt worden ist. Es ist doch
wohl die Folge einer sehr berechtigten Rücksichtnahme
auf die naheliegenden konfessionellen Bedenken, daß
dieser Luther-Band nur den „jungen Luther" behandelt,
d. h. Luthers Leben bis hin zum Wormser Reichstage
und seiner Verbringung nach der Wartburg. Jedenfalls
kann für diese Stoffbegrenzung nicht das ausschlaggebend
gewesen sein, was S. 388 hervorgehoben wird:
daß Luthers weiteres Leben nur im Zusammenhange mit
der ganzen evangelischen Bewegung dargestellt werden
könne, in der er „nicht mehr der einzige war, der
wirkte". Denn wie sollten dann die Bearbeiter der
nächsten 5 Bände mit ihrer Aufgabe fertig werden?
Haben doch selbst Friedrich d. G. und Bismarck nicht
allein, als „die einzigen, die wirkten", das getan, was
ihrem Wirken seine weltgeschichtliche Bedeutung gab.
Das aber ist, wenn es auch in diesem Bande nicht gesagt
wird, unbestreitbar, daß „der junge Luther" im
deutschen Volke anders stand, als der Luther der Zeit
nach 1524. Daß selbst der Wormser Reichstag trotz des
Ediktes gegen Luther noch keine Spaltung in der Nation
bezeichnete, beweisen die Nürnberger Reichstage von
1523 und 1524; noch mit dem Gebannten auf der Wartburg
hat bekanntlich selbst der erste Erzbischof des
Reiches, Kardinal Albrecht, ein Zusammengehen sich
offen gehalten; und von dem Verhältnis des deutschen
I Volkes zu Luther hat bis zum Wormser Reichstage und
noch etwas länger, abgesehen von der spöttisch (?)
übertreibenden Formulierung, das gegolten, was Döllinger
1861 sagte: „Vor der Überlegenheit und
schöpferischen Energie dieses Geistes bog damals der
aufstrebende, tatkräftige Teil der Nation demutsvoll
und gläubig die Knie" (a. a. O. 386). Nicht nur der
kleine päpstliche Gesandte Karl v. Miltitz wußte, wie
populär Luther in Deutschland damals war; auch der ge-
scheidtere Nuntius Aleander hat widerwillig dieser Erkenntnis
mehrfach Ausdruck gegeben. Es ist zweckmäßig
, daß Boehmer noch 5 Seiten vor dem Schlüsse
seines Buches (S. 383 f.) von der ehrenvollen Aufnahme
berichtet, die der schließlich bei der alten Kirche
verbliebene Abt von Hersfeld dem von Worms heimkehrenden
Luther bereitete (Enders 3, 154).

Boehmers ganzes Buch macht diese Popularität
Luthers in den Anfangsjahren der reformatorischen Bewegung
verständlich. Und Boehmer ist weit davon
entfernt, dabei nur mit Luthers antirömischer Polemik zu
arbeiten. So klar er Luthers Ziele und die eines Hutten
gegeneinander abgrenzt, so tief gräbt er, um den umgestaltenden
Einfluß der neuen Gedanken Luthers darzutun
; und, wo es am Platze ist, unterläßt er nicht,
darauf hinzuweisen, daß heute auch unsere katholischen
Volksgenossen über das Alte hinaus sind, das damals
dahinfiel. Überhaupt habe ich" dies Buch, dessen Stärke
u. a. darin besteht, daß es in Luthers „tieferes Seelenleben
" meisterlich einführt, mit großer Freude und
uneingeschränkter Bewunderung gelesen, bin auch überzeugt
davon, daß es viele Freunde sich erwerben
wird, nicht nur unter denen, die bewußt evangelische
Christen sind.

Für einen weiteren Kreis gebildeter Leser (und
Leserinnen) ist das Buch geschrieben. Und diesem
Kreise ist es verständlich, so sehr es sich auf wissen-
i schaftlicher Höhe hält. Die reichen Zitate aus Luthers
j Werken sind, wenn den lateinischen Schriften ent-
j nommen, verdeutscht, wenn den deutschen, in die Gegenwartssprache
umgegossen. Nur vereinzelt begegnet
man einem unübersetzten lateinischen Worte (z. B. dem
„Deinde te absolvo" und dem „sono sonato", S. 93),
und die nicht ganz vermiedenen dogmengeschichtlichen
Fachausdrücke werden zumeist durch den Zusammenhang
hinreichend deutlich. Gelegentlich haben die
Lutherschen Texte bei ihrer Umgießung in modernes
Deutsch auch eine behutsame, das Verständnis erleichternde
oder dem Zusammenhange sie besser einfügende