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Ausgabe:

1926 Nr. 15

Spalte:

396-397

Autor/Hrsg.:

Kolon, Benedikt

Titel/Untertitel:

Die Vita S. Hilarii Arelatensis 1926

Rezensent:

Krüger, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 15.

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sondern im profanen Sinn zu nehmen ist" (243) — nämlich
„als Mittler zwischen Volk und Fürst" (244), Anwalt
des Volks bei der Krone (245). Das ist — man
kann es kaum milder ausdrücken — ad hoc aus den
Fingern gesogen. Ich schließe mit zwei besondern
Kunststücken. Die Chronik macht Samuel zum Leviten,

nach 1. Sam. 1,1 ist er Efrater ^PHfJX, d. h. einer

aus der Landschaft Efrat = Efraim. Aus der Schibbolet-
stelle Rieht. 12,5 ermittelt K., daß der Abkömmling
von Efraim Mann Efraims heißen müßte, dagegen Efra-
ter nur den Bewohner der Landschaft bezeichnet (252 f.).
Grund: die Häscher konnten mit der Frage: bist du ein
Ef rater? nicht die von Efraim Stammenden, sondern
nur die hier Wohnenden meinen, weil sie den
letzteren (Leviten, Beisassen etc.) damit die Gelegenheit
boten, durch „unbefangenes Ja" ihre Unschuld zu bestätigen
und dem Schibbolet nebst dem Blutbad zu entgehen
. Die guten 42 000, die sich trotzdem abtun ließen,
nur weil ihnen ein „unbefangenes Ja" nicht einfiel!
Aber für Samuel ist damit der Weg frei, daß er nur in
Efraim wohnhafter Levit war. Der Einsatz lohnt schon
ein kleines Opfer.

Eine besondere crux sind die Listen in 1. Chr. 9
und Neh. 11, da sie die stärksten Ähnlichkeiten und
doch wieder überraschende Verschiedenheiten enthalten.
K. weiß auch hier Rat. Er beweist haarscharf, daß
beide weder auf dieselbe Vorlage zurückgehen noch
nachexilisch sind. Es sind 2 selbständige Listen, die
eine aus der Zeit Josias, die andere aus der Zedekias.
Das wäre natürlich, wenn zu belegen, von höchstem
Werte. Zuerst wird der Text von 1. Chr. 9, 1 f. vorgenommen
: Israel ließ sich in Register eintragen. Juda
mußte ins Exil. Die früheren Bewohner sind.... Man
muß sich wundern, wie dies den Exegeten Kopfzerbrechen
machte (201). Der Gedankengang ist doch „offensichtlich
" ganz klar. Der 2. Satz meint: „durch die Wegführung
der Judäer erlosch dieser Brauch." Warum
dies? Der Satz kann auch sagen wollen: infolge von
ihr erledigt sich die Mitteilung für uns. Das entspricht
viel besser dem sonstigen Sinn jener Formel. Ebenso
ist gar nicht gesagt, daß die Erwähnung der „früheren
" Bewohner die Beziehung des Folgenden gerade
auf s i e beweise. Die spätere Nennung von weitern
Leviten neben den Tempelknechten spricht dagegen.
Dies alles unter der Voraussetzung der Richtigkeit von
9IL Aber ein Blick in Od und in Rothsteins Ausführungen
bei Kautzsch hätten K. belehren müssen, daß der
Text viel zu sehr im argen liegt, um so wichtige Schlüsse,
wie K. sie zieht, tragen zu können. Nun aber die Daten.
In Chr. 9 wird als Tempelfürst Asarja, Sohn Hilkias genannt
. Das ist der Hohepriester, der als Nachfolger
des Hilkia unter Josia wirkte. Eine ganze Anzahl der
Priesternamen wie Zadok, Asarja kommen mehrfach
vor. Wer sagt K., daß es nur einen Hilkia gab ? Ebenso
sicher weiß K., daß in Neh. 11 Seraja nicht etwa
jener Asarja selbst ist, wohl aber sein Bruder, weil er
auch Sohn Hilkias heißt. Er ist seines Bruders Nachfolger
unter Zedekia. Auch diese Beweisführung ruht
auf ganz unsicherem Grunde.

Kugler hat als Astronom bei vielen einen guten
Namen. Sehr oft argumentiert er mit astronomischen
Daten, die nicht selten von namhafter Bedeutung sind.
(Viele von uns wären für zuverlässige Daten dieser Art
dankbar.) Es ist zu hoffen, daß sie zuverlässiger sind, als
die im Vorstehenden gegebenen Proben von K.'s Arbeitsweise
fürchten lassen.

Leipzig. Rudolf Kittel.

Peters, Dr. Norbert: Das Trostbuch Israels, Isaias. Ausgew.
u. übertr. Paderborn: F. Schöningh 1923. (162 S.) 8». = Dokumente
der Religion VII. geb. Rm. 2.25.
Einer Einführung folgte eine Auswahl von Texten aus dem

Jesajabuch in rhythmischer Übersetzung. Die Gedichte umfassen

immer große Abschnitte (z. B. 1, 2—31 „die große Strafrede";

2, 2—21 „Gottes Weg mit seinem Volk"; woran 4, 2—6 ohne Überschrift
angehängt ist usw.); die Überschriften sind sehr allgemein gehalten
. Der Schluß bringt Anmerkungen: Inhalt der einzelnen Abschnitte
und sachliche Noten, alles in gedrängtester Kürze. Jesaja ist
dem Verf. vor allem der Tröster seines Volkes; Verf. läßt in der Einführung
zwar durchblicken, daß die Wissenschaft eine „Deuterojesaja"-
und eine „Tritojesajahypothese" kenne, seinen eigenen Standpunkt läßt
er aber in einem eigentümlichen Halbdunkel; der Ungeschulte muß
denken, daß Vf. das ganze Buch (auch Kp. 24—27) in der Hauptsache
Jesaja zuschreibt. In der Tat kann ja Verf. nur unter dieser
Voraussetzung Jesajas Buch ein Trostbuch nennen und annehmen, daß
es dem Propheten um „die religiös - sittliche Menschheitsaufgaho
Israels als Vermittlers der Lehre Jahwes für die Welt" zu tun war.
Von dem vernichtenden Gerichtsernst, der unheimlichen Verstockungs-
aufgabe des Propheten erfährt der unkundige Leser auf diese Weise
naturgemäß nicht viel.

Tübingen. P. Volz.

Eberharter, Prof. Dr. Andreas: Das Buch Jesus Sirach oder
Ecclesiasticus. Übers, u. erkl. 1.-3. Tausend. Bonn : P. Hanstein
1925. (VIII, 167 S.) 4°. = Die heilige Schrift d. Alten Testaments.
6. Bd., 5. Abt. Rm. 4.20.

Das Buch scheint für weitere Kreise bestimmt zu sein. Der
Übersetzung ist der griechische Text zugrunde gelegt, weil der hebräische
nicht vollständig erhalten ist. Verbesserungen des Griechen
nach dem Hebräer oder nach anderen Texten sind kenntlich gemacht,
ebenso Ergänzungen zum Griechen aus anderen Texten und Zusätze
im jetzt überlieferten Griechen. Die Anmerkungen unter der Übersetzung
bringen eine fortlaufende Inhaltsangabe und Inhaltserklärung,
ohne daß auf Einzelheiten eingegangen wäre; für ausgiebigere Worterklärung
verweist Verf. auf die fachwissenschaftlichen Kommentare.
So bleibt das streng Wissenschaftliche weg, auch die Begründung der
gewählten Lesarten, ja von Kp. 25 an „der Raumersparnis wegen"
auch die Anführung von Texterweiterungen; ebenso vermißt man die
Erwähnung der ausgemerzten und nicht übersetzten Bestandteile des
griechischen Textes, die zu kennen mitunter von Bedeutung wäre z. B.
hei 50, 27. Der einzige ausführlichere theologische Exkurs behandelt
bei Kap. 24 die Frage der Hypostasicrung der Weisheit und
des Monotheismus im A.T. Die Einleitung zeigt, daß der Verf.
selbst sich mit gründlicher Gelehrsamkeit in seinen Gegenstand vertieft
hat. Er handelt hier vom Namen des Buchs, vom Verfasser und
der Zeit der Abfassung (zwischen 187 und 171), von den Zeitverhältnissen
, der Textbeschaffenheit, dem kanonischen Charakter u. a
Auch er glaubt, daß JS die Summe jüdischer Geistesarbeit und
Herzensbildung dem heidnischen Griechentum gegenüberstellt. Es
hätte wohl noch schärfer betont werden dürfen, daß die Methode des
JS nicht polemisch, sondern positiv ist, daß JS seinen Glaubensgenossen
den Reichtum ihres heimischen Besitzes vorführt, um in ihnen
stillschweigend dem Fremden gegenüber das Gefühl der Überlegenheit
und Unabhängigkeit zu stärken. Auch in den Anmerkungen tritt zu
tage, wie spärlich doch im Grunde der Zusammenhang des JS mit
dem Hellenismus, auch in der Form der Ablehnung, ist; nur bei
3,21—24; 7, 13. 29—31; 11,34; 16, 15f.; 17, 25 f. kann Verf. von
Hellenistischem reden, und an allen diesen Stellen scheint mir der
Hinweis auf hellenistische Einflüsse sehr gesucht; einleuchtender
sind die Erklärungen aus sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen
der damaligen Weltlage z. B. bei 7, 17; 38, 31 f. Nicht beistimmen
kann ich dem Verf. in der Bemerkung zu 7, 36, daß auch hier wie
so oft der Gedanke einer Vergeltung im Jenseits in den Ausführungen
des JS deutlich durchschimmere. Verf. selbst gibt anderwärts das
Richtige an, und macht immer wieder darauf aufmerksam, daß die
Anschauung des Siraziden diesseitig sei, vgl. z. B. zu 14, 1 ff.
Trefflich ist in der Einleitung der geschichtliche Oberblick über die
Frage der Kanonizität und das eigene Werturteil in dieser Sache. Sehr
mit Recht reiht die katholische Kirche dieses Buch den alttestament-
lichen Schriften als ebenbürtig an.

Tübingen. P, Volz.

Kolon, Lektor Dr. P. Benedikt, O. F. M.: Die Vita S. Hllarli
Arelatensis. Eine eidograph. Studie. Paderborn: F. Schöningh
1925. (V, 124 S.) 8°. = Rhetorische Studien, Heft 12. Rm. 8—.
Als Verfasser der Lebensbeschreibung des Hilarius
von Arles gilt auf Grund von Pseudo-Gennaditis vir.
iH. 100 sein Schüler Honoratus, Presbyter in Marseille
(vgl. etwa Schanz-Krüger S. 565). Kolon zeigt
die Brüchigkeit dieser Annahme: dem Schülerverhältnis
widerspricht der Befund. Er ist geneigt, der Angabe
im Codex Arelatensis, die einen sonst unbekannten Re-
verentius (Pseudonym?, mir wahrscheinlich) als Verfasser
nennt, den Vorzug zu geben. Das bleibt natürlich
unsicher. Aber der Nachdruck der Arbeit liegt auch nicht
hier, sondern in der musterhaft geführten Untersuchung
über das literarische Genos der Vita. Ergebnis: es liegt