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Ausgabe:

1926 Nr. 15

Spalte:

391-393

Autor/Hrsg.:

Löhr, Max

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zum Hexateuchproblem. II: Das Deuteronomium 1926

Rezensent:

Eissfeldt, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 15.

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schichte Davids und Simeis (2. Sam. 15—17) bekannte Ort zu
suchen ist. Auf Grund einer sehr sorgfältigen Prüfung aller für die
Lage in Betracht kommenden Indizien kommt V. zu dem Resultate,
daß er nur auf dem südwestlichen Abhänge des modernen Hügels
Ras et-Tmim, nordöstlich vom Ölberge, gesucht werden kann. Auf
Grund einer persönlichen Anwesenheit auf dem Hügel im letzten
Sommer kann ich nur bestätigen, daß der topographische Befund
geradezu zwingend für diese Identifikation zu sprechen scheint; das
einzige leise Bedenken, welches mir verblieben ist, ist das, daß ich
während meines allerdings nur kurzen Aufenthaltes dort altisraelitische
Scherben nicht zu finden vermocht habe. Voigt, der vermutlich länger
an Ort und Stelle hat suchen können, versichert aber ausdrücklich:
„The hillside is strewn with fragments of pottery belonging to
Early Israelite, Seleucid and Roman times."

Die in jeder Beziehung ausgezeichnete vierte Abhandlung von
Carroll „Bitter and its archaeological remains" bringt den Nachweis,
daß die Lage des besonders durch den Aufstand Bar-Kochbas bekannt
gewordenen Bether nirgend anderswo gesucht werden kann als
in der Khirbet el-Jehud des heutigen Bittir. Der Name, die Lage,
ihre strategischen Vorzüge und die archäologischen Oberreste sprechen
in gleicher Weise dafür. Zugleich bietet die Untersuchung die
bis jetzt beste Aufnahme aller noch auf der Stätte sichtbaren Trümmerreste
der einstigen Geschichte dar. Man möchte nur wünschen, daß
nun noch einmal der Spaten diese weiter in den Schoß der Erde
hinein verfolgen möchte.

Die fünfte Untersuchung von Cooke „The site of Kirjath-Jearim"
bringt durch eine fleißige Darlegung der einstigen Geschichte dieses
wichtigen Ortes der chivvitischen Tetrapolis und der Tradition über
ihn die Erörterung über seine Lage zu einem definitiven Abschluß. Die
im Jahre 1907 von Vincent über Robinson hinausgehend aufgestellte
Hypothese, daß jene Stadt in dem Hügel Deir el-Azhar, unmittelbar
westlich von Qarjet el-Jnab, dem heutigen Abu gos, zu suchen ist, ist
nach Lage, Gestalt und Scherbenbefund evident. Es ist nur zu bedauern
, daß neue bauliche Anlagen auf jenem einer künftigen Grabung
mancherlei Schwierigkeiten bereiten werden.

Ich denke, diese Inhaltsangabe wird das im Anfang
ausgesprochene anerkennende Urteil über das uns in diesem
Jahrbuche Gebotene rechtfertigen. Wir sehen mit
großem Interesse den künftigen Veröffentlichungen entgegen
.

Berlin. Ernst Sellin.

Lohr, Max: Untersuchungen zum Hexateuchproblem II: Das

Deuteronomium. Berlin: Deutsche Verlagsgesellschaft f. Politik u.
Geschichte 1925. (IV, 47 S.) 4°. = Schriften d. Königsberger Gelehrten
Gesellsch., 1. Jahr, Heft 6. Rm. 3—.

In 2. Kön. 22. 23 wird von zwei ganz verschiedenen
Dingen berichtet, 1) von einer 627/6 geschehenen Reinigung
des Jahwekultes durch Josia und 2) von der ins
Jahr 622/1 fallenden Auffindung eines Buches, auf
Grund dessen Josia einen Bund schließt und ein Passah
feiert, Von dem ersten Ereignis handeln 23,4—20, von
dem zweiten der übrige alte Bestand von c. 22. 23. Das
damals gefundene Buch ist, was es sein will, ein wirklich
altes, von Mose oder wenigstens aus der Zeit
Moses stammendes, Buch. Es ist uns irt der Grundlage
von Deut. 12—26. 28 erhalten. Die alten, aus
formalen und sachlichen Gründen in der Mosezeit denkbaren
, kultischen und rechtlichen Sätze dieser Kapitel
werden dem alten Buch zugeschrieben, während das
andere als spätere und späteste Zutat gilt. An diese
Analyse werden dann bedeutsame Folgerungen angeschlossen
, die nichts Geringeres zum Ziel haben, als
dies, das sog. kritische Bild vom Gange der isr.-jüd.
Religions-Geschichte durch das der Tradition zu ersetzen
: „Aus dem Abbiegen . . von den ursprünglichen
Normen des von Moses gestifteten Jahwekultes resultiert
die priesterliche Reformbewegung, wie sie durch die
Namen des Asa-Josaphat, Hiskias, Josias, Ezechiel,
Esra repräsentiert ist . . Die priesterliche Reformbewegung
geht, in ihrem Charakter konservativ und
traditionell, von einer schriftlich fixierten Thora aus, die
in ihrer Grundlage noch im Kanon vorhanden ist und
auch annähernd wenigstens nachgewiesen werden kann."

Bei der vom Verf., und vor ihm schon von anderen,
vorgetragenen Meinung, das Stück 2. Kön. 23, 4—20 sei
nicht, wie es bei seiner jetzigen Stellung scheint, ein
Bericht über die durch das gefundene Buch veranlaßte
Reform, sondern betreffe eine vor der Auffindung des

Buches liegende, also von ihm ganz unabhängige, Maßnähme
, fällt eigentlich der Hauptgrund für die Identifizierung
des Buches von 2. Kön. 22. 23 mit dem Deut,
oder seiner Grundlage dahin. Denn diese Identifizierung
gründet sich ja auf die Annahme, daß es die Forderungen
des Deut, seien, die in 2. Kön. 23, 4—20 durchgeführt
würden. Indes sucht der Verf. seine Hauptthese.
daß unserem Deut, ein Buch von der Hand des Mose
zugrunde liege, in erster Linie aus dem Deut, selbst zu
erweisen. So kann hier seine Auffassung von 2. Kön.
22. 23 unberücksichtigt bleiben.

Was aber seine Hauptthese angeht, so ist dazu
viererlei zu sagen. 1) Daß im Deut, von alten und ganz
alten kultischen und rechtlichen Anschauungen und
Sitten (Passa, Blutrache usw.) die Rede ist, leugnet
niemand, aber der Schluß von dem Alter vieler im Deut,
bezeugten Anschauungen und Sitten auf das Alter
ihrer uns vorliegenden literar. Fixierung ist voreilig. Die
Bezeugung jener alten Anschauungen und Sitten im
Deut, kann auch so erklärt werden, daß sie auch in späterer
Zeit noch lebendig waren, und daß daher ein Gesetzgeber
der späteren Zeit auf sie eingehen mußte,
wobei er nicht selten festgeprägte Rechtssätze auch
der Form nach übernehmen konnte. 2) Neben solchen
Anordnungen, die in der Mosezeit verständlich
wären, stehen solche, die voraussetzen, daß Israel in
Kanaan ansässig ist, und zwar schon geraume Zeit ansässig
'ist, wie die über die Erntefeste in c. 16 und
die über die Asylstädte in c. 19. Zwar will der Verf.
auch diese aus der Mosezeit verständlich machen, aber
seine Ausführungen sind hier, wie mir scheint, wenig
glücklich. 3) Liest man solche Anordnungen wie die
von c. 12 über die Giltigkeit nur eines Kultortes oder
die von 14, 22—29 über die Art, wie der Zehnt an
diesem einen Kultort darzubringen und jedes dritte
Jahr, seines Opfer-Charakters entkleidet, in den einzelnen
Ortschaften als Almosen zu verteilen ist, so
wird es alsbald deutlich: Hier handelt es sich um die
Durchführung eines neuen, der bisherigen Praxis entgegengesetzten
, Grundsatzes, eben des Grundsatzes von
der Zentralisierung des Kultus an einem Ort, und d. h.
in Jerusalem, und darum, die gangbaren kultischen und
rechtlichen Bräuche diesem Grundsatz anzupassen. In
diesem Grundsätzlichen steckt das fürs Deut. Charakteristische
. Hier muß man einhaken, wenn es sich
darum handelt, den historischen Ort des Deut, zu finden.
Der Verf. aber bricht dies Charakteristikum heraus, indem
er es für spätere Zutat ausgibt, auch an Stellen
wie 14, 23. 24; 16, 5—7, wo es ganz fest mit der
Umgebung verwachsen ist. Das bedeutet etwa dasselbe,
wie wenn einer aus einem Kirchenbuch der Reformationszeit
das spezifisch Reformatorische ausscheiden
und den Rest dann als Dokument der alten Kirche hinstellen
wollte. 4) Der Verf. operiert viel mit allgemeinen
Erwägungen darüber, was in der Zeit des Mose
denkbar sei; er führt auch — oft beachtenswerte —
Analogien aus anderen Gebieten (alt-assyrische Gesetze,
Maßnahmen Muhammeds u. a.) an. Aber die inner-
alttestamentliche Begründung seiner These ist knapp
gehalten. Und doch muß der Verf. in seinem Kampfe
gegen das kritische Geschichtsbild für das der Tradition
, wenn er siegen will, die entscheidenden Argumente
dem A. T. selbst entnehmen können. Kann er das nicht,
so ist seine Niederlage vor dem besser gerüsteten Gegner
sicher. Denn das krit. Geschichtsbild beruht auf
einer allseitigen Untersuchung der im A. T. vorliegenden
Quellen. In der Erkenntnis, daß die Tradition über die
Bücher des A. T. (der uns vorliegende Pentateuch von
Mose usw.) nicht zutrifft, suchen seine Vertreter in literarischer
und historischer Untersuchung über das Werden
der altt. Literatur und den Gang der darin bezeugten
Geschichte Klarheit zu gewinnen. In diesem Bemühen
wenden sie jeder Quelle und jeder Erscheinung gleichmäßig
ihr Interesse zu und suchen jeder ihren Platz
zu bestimmen. Der Verf. hält auch seinerseits die Tradi-