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Ausgabe:

1926 Nr. 13

Spalte:

356-357

Autor/Hrsg.:

Bohlin, Torsten

Titel/Untertitel:

Sören Kierkegaards Leben und Werden 1926

Rezensent:

Mayer, Emil Walter

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 13.

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auch Kalkoffs Untersuchung über Schiners Tätigkeit auf
dem Wormser Reichstage im ARG muß hier genannt werden
. Aber die politische Geschichte am Vorabend und in
den Anfängen der Reformation erfährt durch die neue Publikation
sehr erwünschtes Licht, vorab natürlich die
Schweizergeschichte. Die antifranzösische Politik Schiners
, in die England stark hineingezogen wurde und
die den politischen Berührungspunkt zwischen dem
Kardinal und Zwingli bildete, wird plastisch deutlich
(vgl. etwa Nr. 514 die Rüge Schiners durch den Papst
oder Nr. 515: clamant populi et vulgares in Gallum
vindictam et adeo ardenter, ut ultra nemo audeat pro
Gallo verbum facere). 1516 wird Schiner Rat des englischen
Königs mit einer ansehnlichen Jahrespension,
findet aber mit seiner englischen Politik am päpstlichen
Hofe keine Liebe; es ging z. T. um die Übertragung des
Imperiums an Heinrich VIII. (Nr. 593, 600 ff. die
englische Thronkandidatur erfährt sehr erwünschte Beleuchtung
), und wie richtig ist die Ende Mai 1517 aufgestellte
Perspektive: si vero citius vel ex insperato vite
cederet (Maximiiianus), scissa Germania, scissa Hispania,
conculcata Italia et stuprata Ecclesia (Nr. 619)! Mitten
hinein spielen ganz persönliche Empfehlungen Schweizer
Studenten an Vadian in Wien, die aber auch politischen
Zwecken dienen: „curamus, ut istuc (nach Wien) pro-
ficiscantur, ne Parisium contendant. Quotquot enim eo
vadunt, perduntur Caesari; istuc venientes possumus
Iucro anponere" (Nr. 643). Wertvoll sind auch die
Nachrichten über Felix Manz (nobis fidatissimus, spe
istuc ducitur, inter Pretorianos milites ut conscribatur,
heißt es Nr. 651 von dem späteren Täufer) und Konrad
Grebel. Dann kommt die Kaiserwahl Karls V. (interessante
Stimmungsbilder über die Aufnahme des Todes
Maximilians in Zürich u. a.), die Empfehlung Aleanders
an Schiner (Nr. 747), der Wormser Reichstag, wo
ihm sein Verhalten das Lob des Erasmus einträgt
(Nr. 805), Verbindung mit Georg von Sachsen gegen
Luther (Nr. 842); charakteristisch ist auch die Vergleichsurkunde
über die von Schiners Erben auszurichtende
Mitgift an seine natürliche Tochter Anna
(Nr. 853).

Wenn der in nahe Aussicht gestellte zweite Band
von Büchis Schinerbiographie erscheint, wird erst der
volle Wert dieser mühevollen, höchst dankenswerten
Publikation zutage treten.

Zürich. W. Köhler.

Kogl er, P. Dr. Thomas, O. F.M.: Das philosophisch-theologische
Studium der bayrischen Franziskaner. Ein Beitrag z. Studien-
u. Schulgeschichte d. 17. u. 18. Jahrh. Münster i. Vf.: Aschendorff
1925. (XV, 104 S.) gr. 8°. = Franziskas Studien, Beiheft 10.

Rm. 4.50.

1625 wurden die bayr. Franziskanerklöster von der
Straßburger Observantenprovinz abgetrennt und zu einer
selbständigen Provinz erhoben. Zur Feier des dreihundertjährigen
Jubiläums widmeten die Tiroler Franziskaner
vorliegende Studie des Ordensmitgliedes P.
Kogler über das philosophisch-theologische Studium in
diesen 3 Jahrhunderten. Nach kurzen einleitenden Bemerkungen
über die Gründung der Provinz wird berichtet
über Arbeitsfeld, Ziel und Eigenart der Ordensstudien
, Ausbildung und Vorrechte der Lehrer (Lektoren
), Studienhäuser und Vorbildung der Ordenskandidaten
. Den Hauptteil des Buches bilden aber die Ausführungen
über den Schulbetrieb. Hier behandelt Kogler
die Lehrfächer: Philosophie und Theologie, welche auch
lange Zeit die einzigen waren, welche im Orden gelehrt
wurden. Aber auch die Philosophie erfuhr erst in
der Mitte des 17. Jahrhunderts eine reichere Ausgestaltung
, indem nunmehr Logik, Physik und Metaphysik
gelehrt wurden. Die Lehre des Skotus wurde auch hier
zäh festgehalten und gegen den Thomismus immer
Stellung genommen; erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts
tauchte die Philosophie der Aufklärung auch
in den Schulen der Franziskaner auf und nötigte trotz
aller Abneigung zur Stellungnahme. Die philosophische

Lehre nach der Aufklärung wird dann eingehend dargelegt
. Die Philosophie war nur Vorbereitung auf die
Theologie. Auch hier folgte man zumeist dem Ordensmitglied
Duns Skotus. Der Wichtigkeit des Stoffes entsprach
es, daß bereits 1680 der ordo materiarum, der
Lehrplan, gesetzlich festgelegt wurde, der viele Jahrzehnte
bestehen blieb. Den Lehrstoff gibt am anschaulichsten
die Dogmatik von Dalmatius Kick wieder, die
den Ertrag der Vergangenheit am besten zusammenfaßt
(4322 Seiten. 1765/68 erschienen). Ihr Inhalt wird dargelegt
und eingehend beurteilt. Aus der Theologie sonderten
sich im Laufe der Zeit etliche Teile als besondere
Disziplinen ab, bereits 1650 die theologia polemica und
die für die Franziskaner vor allem wichtige Kasuistik,
die sich später in das Kirchenrecht und die Moraltheologie
spaltete. Im 18. Jahrhundert treten als selbständige
Fächer: Kirchengeschichte und Pastoraltheologie
auf. Nicht unwichtig sind die Ausführungen des
3. Kapitels über Methode und Charakter des Unterrichts
, Vortrag, Disputation, Schuljahr und Jahreszeugnis
. Das Studium der Franziskaner ist ein eigenartiges
; man betrieb die Wissenschaft „einzig und allein
zum Zweck der Seelsorge" und auch das nur „soweit,
als es hierzu notwendig war" (S. 5). Daher auch die
Methode, die eigentlich nur im Einprägen von bisher
Feststehendem bestand, daher auch das Fehlen jeglicher
Ausbildung bei den „Lektoren". Man nahm einfach die
befähigtsten Studenten dazu. Trotz dieser vielen konservierenden
Momente kann man aber auch hier vom
Fortschreiten reden. Vom Diktat kam mart doch zum
Lehrbuch. Die Bedürfnisse der Zeit machten sich auch
hier geltend: Aus dem Studium der Theologie sonderten
sich auch hier besondere Disziplinen ab, die Philosophie
mußte ebenfalls den neueren Bestrebungen Rechnung tragen
. Der Inhalt des Gelehrten blieb natürlich der gleiche,
nur der Streit zwischen Probabilismus und Probabilioris-
mus erregte im 17. und 18. Jahrhundert die Gemüter.
Interessant wäre, die Ursachen der allmählich Platz
greifenden Differenzierung noch genauer zu ergründen
und zu erforschen, ob nicht auch die Entwicklung des
Protestantismus ihren Einfluß ausübte. Über den Erfolg
des Unterrichts erfahren wir naturgemäß auch nur wenig.
Bei der geringen Vorbildung, die besonders im Anfang
gefordert wurde, wird man nicht in allen Fällen volle
Erfolge erzielt haben. Wenn man den am Schlüsse beigefügten
jetzt giltigen Studienplan der bayr. Franziskaner
ansieht, bemerkt man den großen Unterschied
zwischen einst und jetzt. Die Entwicklung der Zeit ist
auch an der bayr. Franziskanerprovinz nicht spurlos
vorübergegangen. Die Arbeit baut sich auf einem mühsamen
Studium vieler Archive auf; trotz der Sorglosigkeit
der früheren Zeiten, — die Franziskaner dachten nicht
an Sammeln und Aufbewahren von liter. Denkmälern — ist
es dem Verfasser gelungen, ein anschauliches Bild zu
entwerfen.

Roth. Karl Schornbaum.

B o h I i n , Torsten: Sören Kierkegaards Leben und Werden.

Kurze Darstellung auf Grund d. ersten Quellen. Übers, v. Peter
Katz. Gütersloh: C. Bertelsmann 1925. (243 S., mehr. Taf.) f°.

Rm. 4.50; geb. 0.—

Es ist auffallend, welche Rolle gegenwärtig speziell
bei jüngeren Theologen in Deutschland Sören Kierkegaard
spielt. Selbst Laienkreise, die früher kaum den
Namen kannten, hört man heute von ihm sprechen. Er
übt einen beträchtlichen Einfluß aus, vielfach ohne daß
die Beeinflußten sich dessen bewußt sind. Aber er begegnet
auch wohl bewußt begeisterter Anhängerschaft,
ebenso anderseits bewußt rücksichtsloser Kritik. Das
Buch, das nun hier geboten wird, enthält in guter
deutscher Übersetzung eine Biographie von der Hand
eines Kundigen, des Professors Torsten Bohlin; eine
Biographie, die sorgfältig eingeht — und das ist für die
Kenntnis Kierkegaards besonders wichtig — auf das
Werden und die Entwicklung des Helden; die mit liebevollem
Verständnis dessen Anschauungen und Auf-