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Ausgabe:

1926 Nr. 13

Spalte:

351-352

Autor/Hrsg.:

Borne, Fidentius van den

Titel/Untertitel:

Die Anfänge des franziskanischen dritten Ordens 1926

Rezensent:

Lempp, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 1926 Nr. 13.

352

und ausschöpfenden, vom Gesicherten das nur Wahrscheinliche
oder Mögliche gewissenhaft abgrenzenden,
große geschichtliche Linien suchenden Methode ist es
eine Zierde theologischer Wissenschaft und ein Vorbild
, von dem das heranwachsende Theologengeschlecht,
und nicht bloß dieses, viel wird lernen können.

München. Hugo Koch.

Borne, P. Dr. Fidentius van den, O. F. M.: Die Anfänge des
franziskanischen dritten Ordens. Vorgeschichte — Entwicklung
der Regel. Ein Beitrag z. Gesch. d. Ordens- u. Bruderschaftswesens
im Mittelalter. Münster i. W.: Aschendorff 1925.
(VIII, 184 S.) gr. 8°. = Franziskan. Stud., Beiheft 8. Rm.7.20.
Vor 40 Jahren hat Karl Müller sein Buch über die
Anfänge des Minoritenordens und der Bußbruderschaften
geschrieben. Es ist ein Beweis, wie solid er gearbeitet
hat, daß auch heute noch über diese „Anfänge" verhandelt
und dabei immer wieder auf seine grundlegende
Arbeit hingewiesen wird. Freilich ist seither viel neues
Material zu Tage gefördert, sind viel neue Ansichten
aufgestellt worden. Über all diese Aufstellungen und
Funde gibt B. eine eingehende und gründliche Übersicht
, wobei die neu gefundenen Regelfassungen besonders
genau dargelegt und gegen einander abgewogen
werden. Sodann wird das gesamte vorfranziskanische
Bruderschaftswesen durchgemustert, worauf die Anfänge
des franziskanischen dritten Ordens nach den geschichtlichen
Quellen untersucht werden. Als Ergebnis glaubt
B. feststellen zu können, daß zwar kein ganz klares
Bild von diesen Anfängen zu gewinnen sei, daß aber
doch aus den Quellen zu ersehen sei, daß Franz von
Assisi die Stiftung einer Genossenschaft veranlaßt habe,
worin Weltleute beiderlei Geschlechts nach einer bestimmten
Regel, die 1221 fixiert worden sei, dem
franziskanischen Ordensideal nachstrebten (S. 101 f.).
Diese Regel sei zwar in ihrer Urgestalt nicht mehr vorhanden
, aber in der Fassung, die sie 1228 erhalten
habe, seien zweifellos c. 1—6 und wahrscheinlich auch
einzelne weitere Bestandteile aus der Urregel enthalten
(S. 120). Diese Bestandteile tragen auch franziskanischen
Charakter, so daß an der Beteiligung Franzens
bei Abfassung der Urregel nicht zu zweifeln sei, wenn
auch die Regel in der Hauptsache von Hugolin (unter Benutzung
vorfranziskanischer Bruderschaftsregeln) stamme
. Hugolin wollte „durch den franziskanischen dritten
Orden bewußt ein Gegenstück zu dem Waldensertum
schaffen, indem er eine Lebensregel bot von tiefkatholischer
Religiosität im Geiste des h. Franziskus" (S.
443). Schließlich wird dann die weitere Entwicklung
des dritten Ordens bis zu der Regel Nikolaus IV., dessen
Verhalten (gegen Karl Müller) in Schutz genommen
wird, dargestellt und die abschließende Bedeutung dieser
Regel darin gesehen, daß sie Einheit und Festigkeit
in das Schwanken der vorher möglichen Differenzierungen
brachte, daß sie den Minoriten die Leitung des
dritten Ordens und dem dritten Orden seine spezifische
Richtung gesichert habe.

Es scheint mir durch die gründliche Arbeit B.'s
in der Tat erwiesen, daß eine Tertiarierregel 1221
von Hugolin, wahrscheinlich unter Mitwirkung Franzens
v. Assisi abgefaßt wurde, daß deshalb die Thesen
Müllers, wie auch die Sabatiers und Mandonnets abgelehnt
, bezw. modifiziert werden müssen, aber es bedürfte
m. E. noch einer weiteren Klärung der für die
Entwicklung der Anfänge der ganzen fransziskanischen
Bewegung entscheidenden Frage, was Hugolin in den
Jahren 1219—1221 und später 1227—1230 zu seinem
Eingreifen bewogen und worin dieses eigentlich bestanden
hat. Dabei müßte noch genauer auf die gleichzeitigen
parallelen Vorgänge im ersten und zweiten Orden
geachtet und besonders untersucht werden, von
wem jedesmal die Bestrebungen, den zweiten und dritten
Orden unter die Leitung des minoritischen Klerus zu
bringen und von wem der Widerstand gegen diese Bestrebungen
ausgingen; die Ausführungen Mandonnets
in Regles S. 189 scheinen mir doch auch jetzt noch

beachtenswert, wie namentlich auch die Bulle Quo elon-
gati 1230 für die Art und das Eingreifen Gregors IX.
überaus bezeichnend ist. Nicht ganz befriedigt haben
mich die etwas dürftigen Ausführungen B.'s über das
spezifisch Franziskanische in der Tertiarierregel, wenn
auch der ja nicht neue Hinweis auf die Waldenser-
konkurrenz einleuchtend genug ist.

Stuttgart. Ed. Lempp.

Lechner, Dr. Josef: Die Sakramentenlehre des Richard von
Mediavilla. München: J. Kösel & F. Pustet 1925. (VIII, 426 S.)

gr." 8°. = Münchener Studien z. histor. Theologie, Heft 5.

Richard v. Mediavilla („Doctor solidus"),
einer der bedeutendsten Theologen des Minoritenordens
im 13. Jahrhundert, steht nicht nur unter dem Einfluß
der augustin.-franziskan. Schule (Primat des Willens,
Mehrheit der subst. Formen, nominalist. Tendenz), sondern
ist auch in vielen Punkten von Thomas A q.
abhängig. Er wurde später (von Duns Scotus,
Joh. Eck, Dionysius Carth. u. a.) viel benützt.

R. stützt sich in seiner Beweisführung (wie sein
Ordengsenosse Bonaventura Sent. III, dist. 23,
art. 2, q. 2, pag. 230, ed. Lugd.) auf auetoritas, ratio
und experientia.

Lechner gibt eine genaue und gründliche Darstellung
von Richards Sakramentenlehre unter beständigen
Vergleichen mit Albertus M., Thomas,
Petrus v. Tarentasia, Duns Scotus u. a. Sie
zeigt, wie R. stets die Causalität Gottes betont.
Das Leiden Christi ist die causa meritoria ■ der sakr.
Kraft. R. behauptet die Absolutheit des sakr. Charakters
, lehrt jedoch, zwischen diesem und seinen Wirkungen
bestehe nicht ein physisches, sondern ein moralisches
Verhältnis (S. 83 f.).

Was die Taufe betrifft, so betont R., daß das Taufgesetz, wie
jedes andere Gesetz, erst nach geschehener Promulgation verpflichte
(S. 1(11). Die Taufe ist das „sacramentum necessitatis" (S. 112): weil
sie so notwendig ist, kann die Wassertaufe im Notfall durch die
Bluttaufe ersetzt werden. Es können auch ungeborene Kinder die
Bluttaufe empfangen, wenn sie in utero matris für den Glauben getötet
werden (S. 115).

In der Lehre von der Eucharistie schließt sich R. bes. an
Thomas an. Er vertritt die reale Einheit des ganzen Christus unter
jeder der beiden Gestalten (S. 156). Unter den sakr. Worten deutet
das Pronomen „hoc" auf etwas hin, was Objekt des Intellekts, und
auf etwas, was Objekt des Sinnes ist. Der Sinn des „hoc" wäre demnach
: Dies, d. h. etwas unter dieser sinnlich wahrnehmbaren Spezies
(jetzt oder in naher Zukunft) Vorhandenes (S. 161) ist mein Leib.
Die Möglichkeit der Transsubstantiation ist in der Allmacht Gottes
begründet, sie besteht in einer Verwandlung der ganzen Brotsubstanz
in die Substanz des Leibes Christi, wobei die Materie in die Materie
und die Form in die Form verwandelt wird.

Kommunion unter beiderlei Gestalt ist nicht notwendig
, denn es besteht Gefahr, daß einerseits das Blut verschüttet
wird, andererseits das Volk meint, Christus wäre nicht unter jeder der
beiden Gestalten ganz zugegen. Da jedoch bei Fortgeschrittenen keins
von beiden zu befürchten ist, darf ihnen die Kommunion auch unter
beiderlei Gestalt gespendet werden (S. 226). Freilich ändert sich die
Wirkung dadurch nicht.

In seiner Bußlehre unterstellt R. wie Thomas nicht nur die
Sündenstrafe, sondern auch die Sündeiischuld der priesterl. Schlüsselgewalt
. Es gibt keinen Erlaß von Sünden und Sündenstrafen durch
einen Bußakt, wenn damit nicht der Vorsatz verbunden ist zu beichten
und sich dem Urteil der Kirche zu unterwerfen (S. 244). R. unterscheidet
zwischen der Buße als Tugend und als Sakrament.
Als Tugend ist die Buße de lege naturae, als Sakrament ist sie ex
institutione (S. 267). Wenn R. von der Buße als Sakrament redet,
meint er hauptsächlich die Privatbuße (S. 264). Das Sakramentale im
eigentlichen Sinn besteht im Bekenntnis vor dem Priester und in der
Absolution (S. 267).

Die äußere Buße (Beichte, Genugtuung, Absolution) stellt das
Zeichen, die innere Buße (die Reue) die Vor- und Zwischenwirkung
, die Sündennachlassung den sakr. Inhalt dar, und zwar
ist diese sowohl „res" der äußeren als der inneren Buße, da diese
beiden auf die Signifikation bezw. Bewirkung des Sündcnerlasses hingeordnet
sind (S. 268 ff.). Jede Sündennachlassung, ob sie vor (in
der Kontrition) oder b e i dem eigentlichen Sakramentsempfang (in der
Beichte) geschieht, ist „res sacramenri".

A 11 r i t i o und c o n t r i t i o werden in der damals üblichen Weise
geschieden, doch bahnt sich bei R. bereits die Unterscheidung nach
dem Motiv der Reue an (S. 278).